Forderung nach offenen Grenzen wird immer lauter

| Politik Politik

Wegen der andauernden Grenzkontrollen infolge der Corona-Krise gerät Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zunehmend unter Druck. Wie andere Länderchefs verlangte nun auch der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU), die Grenze zwischen Deutschland und Frankreich endlich wieder zu öffnen. Der frühere EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker warnte in einem dpa-Interview davor, mit übertriebenen Kontrollen den gesamten Binnenmarkt zu gefährden.

Seehofer ließ jedoch keinen Willen erkennen, den Forderungen sofort nachzugeben. Aus seinem Haus hieß es, innerhalb der Bundesregierung bestehe Einvernehmen, die Kontrollen fortzusetzen - zunächst bis Freitag. Über das weitere Vorgehen soll in den nächsten Tagen entschieden werden. Zum Muttertag an diesem Sonntag wurden nach Angaben der Bundespolizei zumindest einige Ausnahmen gemacht: Wer nachweisen konnte, dass die Mutter in Deutschland lebt, durfte rein.

Die Kontrollen an den sonst geöffneten Grenzen wurden bereits Mitte März wieder eingeführt, um die Ausbreitung des Coronavirus in Deutschland zu verlangsamen. Menschen, die weder Deutsche noch dauerhaft hier ansässig sind, dürfen seither nur noch aus «triftigem Grund» kommen. Dazu gehören zum Beispiel Lkw-Fahrer, Angehörige medizinischer Berufe oder Berufspendler aus der Grenzregion. Inzwischen wurden schon mehr als 100 000 Einreisen verweigert.

Vor allem die Bundesländer im Westen dringen jetzt auf ein sofortiges Ende. NRW-Ministerpräsident Laschet sagte der «Stuttgarter Zeitung» und den «Stuttgarter Nachrichten»» (Samstag): «Wir brauchen dringend eine Öffnung der Grenze zu Frankreich.» Die Bundesregierung müsse «in diesem Sinne auch mit Österreich reden». Aus Laschets Sicht waren die vergangenen Wochen «zu sehr nationalstaatlich und zu wenig europäisch geprägt». Am Freitag hatten bereits Saarlands Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) und seine rheinland-pfälzische Kollegin Malu Dreyer (SPD) eine schnelle Öffnung gefordert.

Der ehemalige Kommissionspräsident und luxemburgische Regierungschef Juncker sagte der Deutschen Presse-Agentur: «Jeder, der sich an den Grenzen vergreift, auch wenn das manchmal dem nationalen Publikum gefällt, der bringt den Binnenmarkt in Gefahr. Insofern sollte man mit Grenzen in Europa sehr behutsam umgehen und nicht den radikalen Zöllner spielen.» Dass ausgerechnet zum 25. Jubiläum des Schengen-Abkommens für freies Reisen Grenzen zwischen Luxemburg und Deutschland geschlossen worden seien, sei grotesk.

Die EU-Kommission unter Junckers Nachfolgerin Ursula von der Leyen berät derzeit über eine Empfehlung, wie es weitergehen soll. Der Fraktionschef der Christdemokraten im Europaparlament, Manfred Weber, plädierte dafür, die EU-Außengrenze wegen der Pandemie länger geschlossen zu halten, damit es innerhalb der Union schneller geht. Der CSU-Politiker sagte der «Bild am Sonntag»: «Um alle Grenzen innerhalb der EU wieder öffnen zu können, müssen wir die EU-Außengrenze für Nicht-Europäer bis auf Weiteres geschlossen halten, wahrscheinlich sogar für manche Länder, bis ein Impfstoff gefunden ist.»

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter forderte von Seehofer einen konkreten Plan. Die Schließungen seien eine Belastung für «Familien, Lebenspartnerschaften und Berufstätige in den Grenzregionen» ebenso wie für den Warenfluss im Binnenmarkt, sagte Hofreiter den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken meinte in der «Welt am Sonntag», für generelle Grenzöffnungen scheine es noch zu früh. Die Verantwortlichen müssten aber «endlich ein Konzept für Lockerungsschritte erarbeiten». Ihr Co-Vorsitzender Norbert Walter-Borjans sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: «Schutz und Durchlässigkeit in den Grenzregionen schnellstmöglich zu gewährleisten, ist ein gesamteuropäischer Auftrag.» In Deutschland sei der Bundesinnenminister gefordert, kreativere Lösungen zu präsentieren als den Rückfall in das vorige Jahrhundert."

Auch die Tourismusindustrie macht Druck. Der Chef des Tui-Konzerns, Friedrich Joussen, sagte der «Bild am Sonntag», Deutschland müsse seine Grenzen wieder öffnen. Die generelle und weltweite Reisewarnung des Auswärtigen Amts, die noch bis zum 14. Juni gilt, halte er «nicht für richtig». «Man sollte vielmehr für jedes Land beziehungsweise jede Region eine individuelle Bewertung und nur wenn nötig Warnungen aussprechen.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Weniger Zucker, Fett und Salz beim Essen vor allem für Kinder, mehr Bio und Regionales beim Mittagstisch in der Kantine: Das Bundeskabinett beschloss dazu jetzt eine Strategie​​​​​​​ mit Zielen und Maßnahmen. Eine wichtige Rolle sollen Kantinen und Mensen in Unternehmen und anderen Einrichtungen spielen.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck will den Kampf gegen den Arbeitskräftemangel in Deutschland intensivieren. Dazu gehört auch, dass die Bundesregierung die Möglichkeit eines Rechtsanspruchs auf flexibles Arbeiten für Beschäftigte prüfen solle, wie aus dem Entwurf des neuen Jahreswirtschaftsberichts hervorgeht.

Die Arbeitgeber in Deutschland lehnen einen Rechtsanspruch auf Homeoffice ab. In der Regel werde diese Frage im guten Einvernehmen zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber geregelt. Ein Gesetz brauche es nicht, so Steffen Kampeter.

Bekommen Kinder ihr Mittagessen in Kita oder Schule künftig vom Staat bezahlt? Ein Bürgerrat fordert genau das. Rot-Grün in Niedersachsen findet den Vorschlag gut, bremst aber trotzdem die Erwartungen.

Sterneköche und Frankreichs Gastgewerbe mobilisieren gegen das neue Migrationsgesetz, das, anders als zunächst geplant, die Integration von Beschäftigten ohne Aufenthaltstitel kaum erleichtert. Jetzt protestieren Sterneköche, die die Integration von Küchenpersonal ohne Papiere fordern und appellieren: Wir brauchen Migranten.

Mehr als 80 Prozent der Menschen in Deutschland sind für ein kostenloses Mittagessen in Schulen und Kitas. Hintergrund der Umfrage war die Empfehlung eines Bürgerrats des Bundestags zur Ernährung.

Das Ifo-Institut plädiert für die Kopplung des Rentenalters an die Lebenserwartung. Die Niederlande, Schweden und Finnland hätten das bereits beschlossen. Das Verhältnis von Rentnern zu Erwerbstätigen bleibe damit stabil, so die Wirtschaftsforscher.

Mit einer langen Kolonne von Traktoren haben Tausende Landwirte in Berlin ihrem Ärger über die Ampel-Koalition Luft gemacht. Bei einer Protestkundgebung am Brandenburger Tor sprach auch DEHOGA-Präsident Guido Zöllick und verlangte die Rückkehr zu sieben Prozent Mehrwertsteuer in der Gastronomie.

Es ist der erste Bürgerrat dieser Art und das Thema ist hochaktuell: Ernährung. Kostenfreies Mittagessen für alle Kinder steht dabei an erster Stelle der Empfehlungen, die nun im Bundestag vorgestellt wurden.

Das Justizministerium hat einen Referentenentwurf für ein Bürokratieentlastungsgesetz vorgelegt. Darin enthalten ist auch die Hotelmeldepflicht, die abgeschafft werden soll – allerdings nur für deutsche Staatsangehörige. Auch die Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege sollen verkürzt werden.