Merkel und die Ministerpräsidenten beraten über Corona-Folgen

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Die Ministerpräsidenten der Länder beraten an diesem Mittwoch (15.00 Uhr) mit Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) über die Umsetzung des von der großen Koalition beschlossenen Konjunkturprogramms und über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie. Zum ersten Mal seit einem Vierteljahr treffen sich die Länderchefs und Merkel persönlich im Kanzleramt. Seit Mitte März hatte es nur Video- und Telefonkonferenzen gegeben.

BERATUNGEN ÜBER CORONA-FOLGEN 

Auch diesmal geht es wieder um Corona, aber die Beratungen drehen sich nicht mehr so sehr um den Umgang mit der Pandemie sondern mehr um die Bewältigung der Folgen. So werden die Ministerpräsidenten und Merkel über die organisatorische und finanzielle Umsetzung des 130 Milliarden Euro schweren Konjunkturprogramms sprechen, das Union und SPD Anfang des Monats vereinbart hatten. Dabei geht es etwa um die Frage, welchen Anteil Bund und Länder bei einzelnen Maßnahmen jeweils übernehmen.

Die Kanzlerin hatte am Dienstag eindringlich vor möglichen Rückschlägen gewarnt. Die deutsche Wirtschaft erleide in ihrer gesamten Breite einen Riesen-Einbruch, sagte sie am Dienstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von Teilnehmern in der Unionsfraktion im Bundestag. Noch wisse niemand, wie sich Konsumverhalten und Pandemie entwickelten. Es sei ein sehr angespannte Zeit, auch wenn derzeit meist die Sonne scheine.

ES GEHT UM PRAKTISCHE FRAGEN

Einiges aus dem Konjunkturpaket wurde schon auf den Weg gebracht, wie die von Juli bis Jahresende befristete Mehrwertsteuersenkung und der Kinderbonus für Familien. Nun geht es auch um weitere praktische Fragen: Beispielsweise soll die geplante steuerliche Entlastung für Alleinerziehende unbürokratisch ohne Antragsstellung der Betroffenen automatisch erfolgen, wie aus einem Beschlussentwurf des Bundes für das Treffen hervorgeht, der der Deutschen Presse-Agentur vorliegt.

Die geplante staatliche Notfallreserve für wichtige medizinische Schutzausrüstungen und Medikamente, die angelegt werden soll, solle für mindestens einen Monat reichen, heißt es in dem Papier auch. Und Leih-Laptops und -Tablets für bedürftige Schüler, die der Bund mit einem 500-Millionen-Euro-Programm finanziert, sollen an den Schulen nach den Sommerferien einsetzbar sein. So sollen alle gerüstet sein für den Fall, dass doch wieder Fernunterricht stattfinden muss.

Außerdem geht es bei dem Treffen am Mittwoch um eine zügige Abwicklung der Überbrückungshilfen für kleine und mittlere Betriebe, die wegen der Pandemie besonders viel Umsatz verlieren, und um die Gewerbesteuerausfälle in den Kommunen. Thema ist auch der beschleunigte Ausbau der Mobilfunk-Netze.

MINISTERINNEN MACHEN DRUCK BEI GANZTAGSAUSBAU 

Zur Sprache kommen wird zudem der jüngste Vorstoß von Bundesfamilienministerin Franziska Giffey (SPD) und Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zur Ganztagsbetreuung an Grundschulen. «An sich finden wir die Idee von Ganztagsbetreuung hervorragend, aber der Betrag, den der Bund bislang zur Verfügung gestellt hat, ist nicht annähernd in der Lage, diese Herausforderung zu schultern», sagte Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) vor dem Treffen.

Giffey und Karliczek hatten Druck gemacht, dass die Runde am Mittwoch die Rahmenbedingungen für den Ausbau, die Finanzierung und den geplanten Rechtsanspruch auf Ganztag vereinbart, um die entsprechende Gesetzgebung voranzubringen. Ab 2025 sollen nach dem Willen von Union und SPD alle Kinder in Deutschland von der ersten bis zur vierten Klasse einen Anspruch auf Ganztagsbetreuung haben. Das hatten sie im Koalitionsvertrag vereinbart. Der Ausbau an den rund 15 000 Grundschulen wird Schätzungen zufolge fünf bis sieben Milliarden Euro kosten. Bisher war geplant, dass der Bund den Ländern dafür zwei Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Die Mittel sollen nun aufgestockt werden.

STREIT ÜBER MASKEN UND ABSTAND? 

Söder zeigte sich vor dem Treffen zuversichtlich, dass es keine Streitkonferenz werde. Er warnte aber erneut vor Unübersichtlichkeit: Bei allen unterschiedlichen Akzenten im Umgang mit der Corona-Pandemie dürfe nicht ein «extremer Flickenteppich» entstehen. Die Bundesländer lockern seit mehreren Wochen nach und nach ihre Corona-Schutzmaßnahmen. Am Abstandsgebot und der Maskenpflicht wird bisher festgehalten.

Aber auch da gibt es zumindest Gedankenspiele, etwas zu ändern. In Sachsen wird über ein Ende der Maskenpflicht beim Einkaufen nachgedacht. Die Entscheidung hänge auch von einer Einigung im Bund ab, sagte die sächsische Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) am Dienstag. Und zumindest an den Schulen könnte nach den Sommerferien die Abstandsregel fallen. Dafür hatte sich die Präsidentin der Kultusministerkonferenz und rheinland-pfälzische Bildungsministerin Stefanie Hubig (SPD) ausgesprochen.

ERSTES ECHTES TREFFEN NACH DREI MONATEN  

Am 12. März hatten sich Merkel und die Länderchefs zum letzten Mal persönlich im Kanzleramt getroffen. In den Tagen danach wurde das öffentliche Leben in Deutschland schrittweise heruntergefahren: Schulen und Kitas wurden geschlossen, Restaurants, Bars und andere Einrichtungen ebenso. Dann kamen die Kontaktbeschränkungen. Die Kanzlerin und die Ministerpräsidenten hatten seitdem in mehreren Videoschalten über das weitere Vorgehen in der Corona-Pandemie beraten. Zunehmend waren dabei Differenzen über das Lockerungstempo von Schutzmaßnahmen zutage getreten. Seit Anfang Mai gehen die Bundesländer dabei verstärkt eigene Wege.

Nordrhein-Westfalens Regierungschef Armin Laschet (CDU) macht sich aber nun für ein gemeinsames Vorgehen stark. «Die Bewältigung der Corona-Pandemie ist eine gesamtstaatliche Herausforderung und bleibt es», sagte Laschet der «Rheinischen Post». «Nicht zuletzt angesichts der bevorstehenden Reisesaison brauchen wir einen gemeinsamen Rahmen von Bund und Ländern mit dem richtigen Instrumentenkasten aus Schutzmaßnahmen, Hygienekonzepten und Kontaktnachverfolgung.»

Merkel warnt eindringlich vor Rückschlag in Corona-Krise

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat vor dem Hintergrund der Debatten über weitere Lockerungen in der Corona-Krise eindringlich vor einem Rückschlag gewarnt. Die deutsche Wirtschaft erleide in ihrer gesamten Breite einen Riesen-Einbruch, sagte die Kanzlerin am Dienstag nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur von Teilnehmern in der Sitzung der Unionsfraktion im Bundestag. Noch wisse niemand, wie sich Konsumverhalten und Pandemie entwickelten.

Sie wolle nicht pessimistisch sein - man könne der Lage nur optimistisch entgegentreten - aber man müsse auch realistisch sein. Merkel wurde mit den Worten zitiert: «Da liegt noch ein Riesen-Berg an Arbeit vor uns.»

Nach den Lockerungen der Reisewarnungen für die meisten EU-Länder und angesichts der Debatte über Sommerurlaubsziele sagte Merkel, jedem sei die Freude über einen Urlaub auf Mallorca oder in Griechenland gegönnt. Wenn sie allerdings die ökonomischen Zahlen betrachte, «weiß ich nicht ganz, ob wir schon Hoffnungen und Realität zusammengebracht haben».

Was man angesichts von sieben Millionen Kurzarbeitern im Mai derzeit erlebe, sei nie da gewesen, mahnte Merkel demnach. In der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/2009 habe es 1,5 Millionen Kurzarbeiter gegeben. Anders als damals sei die Lage nun aber nicht schnell zu heilen. Deswegen sei es wichtig, dass Regierung und Unionsfraktion Zuversicht und Handlungsfähigkeit ausstrahlten.

Das Virus sei nicht weg, auch wenn man es gut eingedämmt und in die Schranken verwiesen habe, sagte Merkel nach diesen Informationen. Wo Menschen allerdings eng beieinander seien, gebe es aber immer wieder Ausbrüche. «Wir müssen sehr vorsichtig sein, damit wir die schon schwierige Lage in der Wirtschaft nicht nochmal verschlechtern», warnte die Kanzlerin. Es sei ein sehr angespannte Zeit, auch wenn derzeit meist die Sonne scheine. «Es ist nicht ohne, was uns da in den nächsten Monaten erwartet.»

Schon Ende April hatte Merkel in einer Schaltkonferenz der CDU-Spitze deutlich gemacht, wie unzufrieden sie darüber sei, dass die Botschaft vorsichtiger Lockerungen in einigen Ländern zu «Öffnungsdiskussionsorgien» geführt hätten. Dies erhöhe das Risiko eines Rückfalls sehr stark, sagte sie damals. (dpa)


 

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