Offener Brief von „Hans im Glück“: Geselligkeit als Grundrecht

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Der Chef der Restaurant-Kette Hans im Glück, Johannes Bühler, hat einen „Offenen Brief“ an die verantwortlichen Politiker zur Mehrwertsteuer-Thematik geschrieben. Bühler, der für 90 Burger-Restaurants spricht, fordert darin „Geselligkeit als Grundrecht“. Hier der Brief im Wortlaut.

"Sehr geehrte Damen und Herren,

 wann waren Sie das letzte Mal mit Ihrer Familie in einem Restaurant? Welches Gefühl haben Sie von diesem Besuch mit nach Hause genommen? Waren Sie glücklich? Wenn Sie das nächste Mal Essen gehen, sei es beim Italiener um die Ecke, ihrem Lieblingsgriechen oder auch in einer unserer über 90 HANS IM GLÜCK Filialen, stellen Sie sich vor, dass es das letzte Mal sein könnte. Ich möchte nichts überdramatisieren, aber dies ist die Realität, mit der wir und vermutlich knapp 150.000 weitere Gastronominnen und Gastronomen in Deutschland1  uns bei einer eventuellen Erhöhung der Mehrwertsteuer zurück auf 19 % gezwungen sind, auseinanderzusetzen. Seit Beginn der Pandemie ist die Anzahl der steuerpflichtigen Unternehmen im Gastgewerbe bis 2021 bereits um rund 16 % zurückgegangen.

Das sind mehr als 36.000 Unternehmen. 36.000 Möglichkeiten, den Menschen – auch in Ihrem Wahlkreis – mehr Lebensqualität zu bieten. Wir appellieren an Sie und die Politik: Geselligkeit muss ein Grundrecht bleiben – wir fordern die Weiterführung des niedrigen Mehrwertsteuersatzes für unsere Branche! Helfen Sie uns, die Gastronomie in Deutschland am Leben zu erhalten!   

Hierzulande beträgt der Mehrwertsteuersatz für Dinge des täglichen Bedarfs 7 % – dazu gehören auch Lebensmittel, wenn sie im Einzelhandel oder „To Go“ erworben werden. Aus meiner Sicht gehört dazu ganz klar auch der Besuch im Restaurant. Gemeinsam mit Familie und Freunden verbrachte Zeit ist, was unsere Gesellschaft zusammenhält, sie ermöglicht ein Miteinander statt ein „Jeder für sich allein“. Zusammenkommen schafft eben Lebensqualität, was in vielen anderen Bereichen des „täglichen Bedarfs“ schon seit langem gilt: Wer ins Theater geht, zahlt 7 % Steuer, ebenso im Kino, Zirkus oder auch im Hotel. Einzig das gemeinsame Essen wäre von dieser Regelung ausgenommen, das Gastgebertum würde aussterben, Deutschland würde zur Servicewüste, in der lediglich Counter-Dienstleister überleben.

Doch am Tresen und im Drive-in gibt es keine additive Komponente aus „Erlebnis“ (Geselligkeit) und „Notwendigkeit“ (Nahrungsauf­nahme), das „Miteinander“ ginge komplett verloren. Aber genau das brauchen wir jetzt, vielleicht mehr denn je, und das brauchen wir auch in Zukunft. Daher plädiere ich dringlichst für den Erhalt des ermäßigten Steuersatzes auch ab 2024 für die Vor-Ort-Gastronomie in Deutschland – ohne werden wir es nicht schaffen.

Die Gründe hierfür liegen klar auf der Hand:       

(ZU) HOHE KOSTEN: Eine Rückkehr zum alten Steuersatz würde uns alle vor massive Herausforderungen stellen und ich prognostiziere, dass viele Gastgeberinnen und Gastgeber diese nicht stemmen werden können. Denn 12 % mehr oder weniger können, besonders für Einzelunternehmerinnen und Einzelunternehmer, einen existenziellen Unterschied machen. Wer sich durch derart gestiegene Preise kein Personal, keine Rohstoffe, keine Mieten mehr leisten kann, wird unweigerlich eingehen. Und damit auch die bunte Lebens(mittel)vielfalt in unseren Innenstädten.

NACHWIRKUNGEN DIVERSER KRISEN BELASTEN AUCH UNS: Die Gastronomie in Deutschland hat in der schwierigen Corona-Zeit praktisch jede Entscheidung der Regierung anstandslos mitgetragen – wir haben auf 3G-Regelungen geachtet, Sicherheitssysteme installiert, Restaurants geschlossen, wenn es notwendig wurde, und gemeinsam mit unseren Mitarbeitenden alles getan, um ein kleines Stückchen Normalität zu gewährleisten. Das alles wäre nicht möglich gewesen ohne die wichtigen und richtigen Corona-Hilfen. Doch die Rückzahlung der kurzfristigen Kredite, um Mitarbeitende und Mieten zu bezahlen, holt uns jetzt als zusätzlicher Kostenfaktor ein.

INFLATION FÜHRT ZU WENIGER KAUFKRAFT: Gegenüber stehen sich gerade ein deutlich sinkendes Konsumverhalten der Deutschen und stark gestiegene laufende Kosten für Restaurants, Kneipen, Biergärten, Imbissstuben und Co. Explodierende Rohstoffpreise machen sich deutlich bemerkbar, dazu kommen noch ebenfalls gestiegene Personalkosten. Verstehen Sie mich nicht falsch, wir begrüßen die Steigerung des Mindestlohnes sehr und gehen diese gerne mit. Nichtsdestotrotz führt auch das zu einer weiteren Erhöhung der Grundausgaben. Kämen die 19 % zurück, müssten wir das 1:1 an unsere Gäste weitergeben – ein Preisschock, der für keinen ein gutes Ende haben wird.

FAIRE UND NACHHALTIGE UNTERNEHMENSFÜHRUNG NICHT MEHR MÖGLICH: Wie viele Gastgeberinnen und Gastgeber achten auch wir auf regionale Angebote und Vielfalt – aber eine nachhaltige Wirtschaft braucht Spielraum, den wir mit den erwartbaren Mehrkosten nicht haben. Übrigens entspräche Deutschland in der Europäischen Union mit einer Rückkehr zum höheren Steuersatz im Gastgewerbe nicht der Norm: In 23 von 27 Mitgliedsstaaten gilt nämlich der reduzierte Steuersatz auf das Essen auswärts3. Das entspricht einem Anteil von über 85 %.

GASTRONOMIE IST DAS, WAS UNSERE GESELLSCHAFT VERBINDET: ANALOG UND VOR ORT! Mehr Ausgaben und weniger Einkommen führen über kurz oder lang zu einem massiven Problem. Das darf nicht sein, nicht in einer Branche, die seit hunderten. von Jahren den sozialen Mittelpunkt der Gesellschaft darstellt. Und nicht nur das: Die Gastronomie ist auch eine der wichtigsten Arbeitgeber-Branchen in unserem Land: 2021 waren 1,01 Millionen Menschen sozialversicherungspflichtig oder geringfügig entlohnt bei uns beschäftigt4. In der Automobilindustrie waren es im gleichen Jahr „nur“ 786.109 Beschäftigte5. Aus meiner Sicht sollte das Grund genug sein, um innerhalb der politischen Gestaltung Gehör für unsere Belange zu finden. 

Sehr geehrte Damen und Herren, die mediale Berichterstattung rund um die dauerhafte Entfristung des Mehrwertsteuersatzes auf Speisen in Restaurants bereitet mir, gelinde gesagt, Bauchschmerzen. Nach Jahren der Krise, die uns erhebliche Umsatzverluste und damit einhergehend Existenzängste eingebracht haben, sehen wir nur langsam eine Normalisierung am Horizont. Konfrontiert mit der Möglichkeit, diesen Lichtblick durch eine Rückkehr zum alten Mehrwertsteuersatz von 19 % zu verlieren, kann einem das ordentlich den Appetit verderben. WENN WIR JETZT NICHT HANDELN, WERDEN MEHR UND MEHR RESTAURANTS UND GASTSTÄTTEN STERBEN!

Ich möchte das nicht. Ich hoffe, dass Sie das auch nicht möchten. Daher bitte ich Sie dringlichst, sich mit Ihrer Stimme für eine Entfristung der Mehrwertsteuer auf Speisen in Restaurants einzusetzen. Damit wir weiterhin das machen können, was wir am liebsten tun: Menschen (mit Essen) glücklich zu machen!

Herzlich

Ihr Johannes Bühler


 

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