Stimmung wird rauer - Ordnungsrufe im Bundestag nehmen stark zu

| Politik Politik

Die Stimmung im Land wird gereizter - und im Bundestag werden die Debatten hitziger. Die Folge: Die Zahl der an Abgeordnete erteilten Ordnungsrufe hat stark zugenommen. Im vergangenen Jahr griff das Parlamentspräsidium 51 Mal zu diesem Mittel, um verbale Entgleisungen und andere Verfehlungen zu ahnden. Das war öfter als in der gesamten vorherigen Wahlperiode von 2017 bis 2021, in der nach einer Übersicht des Deutschen Bundestags 49 Ordnungsrufe erteilt worden waren. Allein 30 der 51 Ordnungsrufe im vergangenen Jahr gingen an die AfD, deren Abgeordnete Beatrix von Storch (8) und Stephan Brandner (6) die ersten Plätze einnahmen.

Von Storch war auch eine von zwei Abgeordneten, die ein Ordnungsgeld von 1000 Euro aufgebrummt bekamen - die Steigerung des Ordnungsrufes. Der andere Abgeordnete war Michael Schrodi von der SPD.

Mit Blick auf diese Entwicklung mahnt Bundestags-Vizepräsident Wolfgang Kubicki «eine Rückkehr zum gegenseitigen Respekt und zur Achtung der anderen Position» an. Es müsse «weniger Hysterie und politische Ausgrenzung» geben, sagte der stellvertretende FDP-Vorsitzende der Deutschen Presse-Agentur in Berlin. «Allen sollte wieder klarer werden, dass in einer funktionierenden Demokratie bloße Ausgrenzung das bessere Argument niemals ersetzen darf.»

Er sei sehr dafür, die parlamentarische Debattenkultur wieder zu beleben. «Aber man kann den politischen Mitbewerber auch intelligent, humorvoll und mit Respekt beleidigen, ohne dass man die Grenze des Anstands oder des Rechts übertreten muss», sagte Kubicki.

Solche Appelle zur Mäßigung gab es bereits früher - sie verhalten aber ungehört. «Jede und jeder Einzelne von uns sollte sich bewusst machen, welche Vorbildfunktion uns als Mitgliedern dieses Hauses zukommt», sagte Bundestagspräsidentin Bärbel Bas (SPD), als sie im vergangenen September die erste Sitzung nach der Sommerpause eröffnete. Die Menschen nähmen wahr, wie Politikerinnen und Politiker miteinander umgingen. «Wie wir miteinander diskutieren, beeinflusst unsere demokratische Kultur.»

Geregelt sind Ordnungsmaßnahmen im Abgeordnetengesetz sowie in Paragraf 36 der Geschäftsordnung des Bundestags. Dort ist festgelegt, dass der Präsident «Mitglieder des Bundestages, wenn sie die Ordnung oder die Würde des Bundestages verletzen, mit Nennung des Namens zur Ordnung rufen» kann.

Eine Übersicht der Bundestagsverwaltung über die in jeder Wahlperiode verhängten Ordnungsmaßnahmen zeigt klar: Mit dem Einzug der AfD ins Parlament bei der Bundestagswahl 2017 wurde es dort ruppiger. So wurden unmittelbar davor in der gesamten 18. Wahlperiode (2013 bis 2017) gerade einmal zwei Ordnungsrufe erteilt, in der 17. Wahlperiode war es sogar nur einer gewesen, in der 16. ebenfalls zwei. Allerdings sind die aktuellen Zahlen auch kein Unikum. Besonders hoch her ging es gleich in der ersten Legislaturperiode mit 156 und dann in der 10. (1983 bis 1987) mit 132 Ordnungsrufen.

Die starke Zunahme jetzt hält Vizepräsident Kubicki auch für einen «Ausdruck unserer aktuellen Zeit». Viele Reden - vor allem der AfD - seien darauf ausgerichtet, «im Netz gut anzukommen, um die eigene Blase zu unterhalten», sagte er. Deshalb werde noch einmal deutlich zugespitzter formuliert. «Generell besorgt mich aber, dass die politischen Fronten immer unversöhnlicher werden. Ein wirklicher Austausch mit Argumenten findet oftmals nicht statt. Viele Abgeordnete verschanzen sich hinter einer "Haltung", die eher kommunikative Brücken abreißt, als dass sie sie baut.»

Fataler Nebeneffekt aus Kubickis Sicht: Viele Parlamentsreden würden berechenbarer und taugten damit für die Bürgerinnen und Bürger immer weniger als wirkliche politische Entscheidungshilfe. «Ich befürchte, vielen Parlamentariern ist nicht klar, dass sie selbst eine Vorbildfunktion für die Debattenkultur im Land haben.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Bundesregierung richtet ihre Tourismuspolitik neu aus. Eine neue Nationale Tourismusstrategie (NTS) soll künftig die „Wettbewerbsfähigkeit der Tourismuswirtschaft“ in den Mittelpunkt stellen.

Die Europäische Kommission hat einen Verhaltenskodex für Online-Bewertungen​​​​​​​ im Tourismussektor veröffentlicht. Zahlreiche Forderungen der Hotellerie wurden in die Leitlinien aufgenommen, dennoch sieht die Österreichische Hotelvereinigung weiteren Handlungsbedarf, insbesondere was die rechtliche Verbindlichkeit betrifft.

Die Bundesregierung hat bei einer Kabinettssitzung die Senkung der Gastro-Mehrwertsteuer auf den Weg gebracht. Die Ministerinnen und Minister beschlossen einen Gesetzentwurf von Finanzminister Lars Klingbeil. Damit soll die Umsatzsteuer für Speisen in der Gastronomie dauerhaft von derzeit 19 auf 7 Prozent reduziert werden. 

Das Bundesministerium der Finanzen hat einen entscheidenden Schritt zur Entlastung der Gastronomie gemacht. Ein kürzlich veröffentlichter Referentenentwurf für ein Steueränderungsgesetz 2025 sieht vor, die Mehrwertsteuer für Speisen in Restaurants dauerhaft auf sieben Prozent zu senken. Die geplante Neuregelung soll am 1. Januar 2026 in Kraft treten.

Der Koordinator für die maritime Wirtschaft und Tourismus, Dr. Christoph Ploß, startet heute seine Tourismus-Sommertour. Vom 1. bis zum 3. September 2025 besucht er wichtige Tourismusstandorte im Westen und Süden der Bundesrepublik.

Anja Karliczek, die Vorsitzende des Tourismus-Ausschusses im Bundestag, bekräftigt die geplante Absenkung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie. In einem Beitrag auf LinkedIn kündigte sie an, dass der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent "im Herbst der Reformen" umgesetzt werden soll.

Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten warnt eindringlich vor den Plänen der Bundesregierung, den 8-Stunden-Tag abzuschaffen. Schon jetzt würden Beschäftigte rund 1,2 Milliarden Überstunden leisten – davon 638 Millionen unbezahlt. Besonders betroffen sei das Gastgewerbe.

Die Bundesregierung will, nach Angaben ihres Sucht- und Drogenbeauftragten, das sogenannte begleitete Trinken von Jugendlichen ab 14 Jahren abschaffen. Bereits im Juni hatten die Gesundheitsminister der Länder auf ein Verbot der Praxis gedrängt.

Die US-Regierung erwägt Sanktionen gegen Vertreterinnen und Vertreter der Europäischen Union sowie einzelner Mitgliedstaaten, die für die Umsetzung des Digital Services Act (DSA) zuständig sind. Das berichtete die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf mehrere mit den internen Beratungen vertraute Personen.

Mit ungewöhnlich scharfen Worten hat sich die sich er Geschäftsführer der Benessere-Hotels aus Felsberg in einem offenen Brief an den hessischen Wirtschaftsminister Kaweh Mansoori gewandt. Selbst nicht von Rückforderungen, sieht Günther Klasen die Existenz vieler kleiner Betriebe bedroht. Die Rückforderungen seien für viele der letzte Stoß in den Abgrund.