Kurz vor dem ersten Europameisterschafts-Spiel der deutschen Nationalmannschaft gegen Frankreich am Dienstag in München steigt das Fußball-Fieber - langsam. Denn Fanmeilen und Public Viewing-Abende mit Vorglühen, Partystimmung und Musik zum Mitgrölen sind wegen der Corona-Pandemie untersagt. Stattdessen laden Biergärten in Bayern zum gemütlichen Fußballschauen auf Fernsehern oder Leinwänden mit Abstand und Hygieneregeln. Die Hauptsache: Essen und Trinken. Fußball darf laut Gesundheitsministerium nur «im Hintergrund» laufen. Auch für mögliche Siegesfeiern gibt es enge Grenzen. Ob sich alle an die Regeln halten? Die Polizei bereitet sich jedenfalls schon mal vor.
«Wir können nicht absehen, ob es möglicherweise gigantische Auto-Korsos gibt oder ganz neue Arten zu feiern, von denen wir jetzt noch gar nichts wissen», sagt ein Polizeisprecher in München. In der Landeshauptstadt ist die Lage besonders, kommen zu den Spielen der deutschen Kicker am Dienstag und am Samstag (19. Juni) jeweils 14 000 Zuschauer in die Arena. Alleine können das die Münchner nicht stemmen. «Es sollen auch Kollegen aus anderen Bundesländern dabei sein», sagte ein Polizeisprecher der Deutschen Presse-Agentur. Vor allem rund um das Stadion würden Beamte benötigt. Zahlen nennt er nicht, aber man werde genügend im Einsatz haben.
Wer kein Ticket ergattert hat, soll Alternativen zum Wohnzimmer haben. «Am schlimmsten wäre es, wenn das Public Viewing durch Auflagen so uninteressant wäre, dass sich gleich alle Freundesgruppen vor dem heimischen Fernseher drängeln», findet Thomas Geppert vom Bayerischen Hotel- und Gaststättenverband. Er ist für geregeltes Schauen im Biergarten. «Hierfür spricht insbesondere der politische Wille.» So habe sich Ministerpräsident Markus Söder (CSU) von der EM «ein neues Lebensgefühl, eine neue Lebensfreude» erhofft.
Der Münchner Löwenbräukeller bietet eine «XXL-Leinwand, tolle Stimmung & super Fußball-Matches». Aber: «Das wird mit Public Viewing im herkömmlichen Sinn nichts zu tun haben», dämpft ein Sprecher die Hoffnungen. «Das wird ein Biergartenbesuch mit der Möglichkeit, das Spiel zu sehen.» Also keine Fußball-Hits zum Aufheizen und zum Torjubel. «Wir werden nichts dafür tun, dass hier eine übermäßige Stimmung aufkommt.» Man nehme die Vorschriften sehr ernst und wolle nicht dazu beitragen, dass die Infektionszahlen wieder steigen.
Auch in anderen Städten gibt es Angebote, etwa im Alter Kranen in Würzburg, im Regensburger Spitalkeller, im Luginsland in Augsburg oder in den Landbierparadies-Wirtshäusern in Nürnberg. Besondere Vorsichtsmaßnahmen traf eine Fußball-Kneipe in Regensburg. Damit sich vor den Fenstern keine Trauben bildeten, habe das Lokal seine Scheiben abgeklebt, erzählte eine Sprecherin der Stadt.
Hauptzweck des Biergartenbesuchs muss der Verzehr von Speisen und Getränken sein. Doch wann wird Hintergrund-Fußball zum Event? Darüber hat man im Landkreis Neu-Ulm nachgedacht und Kriterien genannt: Wenn Werbung gemacht wird. Wenn Leute gezielt zum Fußballschauen kommen. Wenn eine Großleinwand aufgestellt wird. Oder wenn die Geräusche aus dem Fernseher die normale Unterhaltung übertönen.
Auf alle Fälle wird die Polizei bekannte Feier-Orte im Blick haben, etwa den Domplatz in Regensburg oder die Leopoldstraße in München, wo früher Horden von Fans stundenlang mit Fahnen und Siegesgesängen feierten. «Feiern ist ja nicht verboten», meint die Polizei München. «Aber Mundschutz, Abstand, Kontaktbeschränkungen - das kommt natürlich hier jetzt bei der gesamten Einsatzlage noch dazu.»
In jüngster Zeit hatte es in manchen bayerischen Städten immer wieder Vorfälle mit randalierendem Partyvolk gegeben. Mitunter flogen sogar Flaschen Richtung Polizei. Dass sich das Problem mit der Fußball-EM verstärkt, glaubt der Münchner Polizeisprecher nicht: «Fußballfans und Feierpublikum - da sind die Übergänge fließend.»