Was Kanzlerin Merkel mit den Großstadt-Bürgermeistern vereinbarte

| Politik Politik

In deutschen Großstädten drohen angesichts steigender Corona-Infektionszahlen neue Maskenpflichten, Sperrstunden und eine weitere Begrenzung für Veranstaltungen und private Feiern. Auf diese Maßnahmen einigte sich Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Freitag mit den Bürgermeistern der elf größten Metropolen. Solche und ähnliche Beschränkungen sollen eingeführt werden, wenn die Gesundheitsämter in einer Woche mehr als 50 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohner registrieren.

[Das Beschlusspapier im Original]

Merkel mahnte, an der Entwicklung in den Ballungsräumen zeige sich, «ob wir die Pandemie in Deutschland unter Kontrolle halten können oder ob uns die Kontrolle entgleitet». Die Kanzlerin räumte ein: «Mir ist sehr wohl bewusst, dass die Einschränkungen, die jetzt nötig sind, wehtun.» Es sei aber wichtig zu verhindern, dass das öffentliche Leben, Schulen und die Wirtschaft noch einmal so stark zurückgefahren werden müssten wie im Frühjahr. «Die Infektionszahlen steigen. Aber wird sind alles andere als ohnmächtig dagegen», betonte Merkel.

Gelinge es mit den vereinbarten Maßnahmen aber nicht, den Anstieg der Infektionen innerhalb von zehn Tagen auszubremsen, seien weitere Beschränkungen unvermeidlich. Merkel nannte etwa Beschränkungen für Restauranttische und Zuschauer bei Fußballspielen. Man wisse anders als im Frühjahr jetzt aber auch, dass sich etwa Einkaufen nicht als sehr infektionskritisch herausgestellt habe.

Bereits bei einem Grenzwert von 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern sollen Experten vom Robert Koch-Institut und von der Bundeswehr den Städten beratend zur Seite stehen. Die Großstädte sollen außerdem dafür sorgen, dass ihre Ordnungsämter die Einhaltung der Regeln auch wirklich kontrollieren können.

Städtetagspräsident Burkhard Jung (SPD) betonte: «Wir wollen auf jeden Fall verhindern, dass Kinder nicht mehr die Kitas und die Schulen besuchen können. Wir wollen alles dafür tun, dass wirtschaftliche Entwicklungen nicht gebremst werden.»

Zuletzt waren besonders ausufernde Feiern in den Metropolen ein Problem, die Partyszene gilt in mehreren Städten als Auslöser für die ansteigenden Infektionszahlen. Merkel appellierte deswegen vor allem an junge Leute, sich an Regeln zu halten. Junge Menschen fänden Einschränkungen von Feiern oder eine Sperrstunde vielleicht übertrieben, sagte sie und fragte zugleich, ob es nicht wert sei, ein wenig Geduld zu haben und an die Familie und Großeltern zu denken.

Die Kanzlerin hatte sich angesichts stark steigender Infektionszahlen mit den Verantwortlichen der elf größten deutschen Städte getroffen: den Oberbürgermeistern und Bürgermeistern von Berlin, Hamburg, Bremen, München, Frankfurt am Main, Köln, Düsseldorf, Dortmund, Essen, Leipzig und Stuttgart.

In Berlin, Frankfurt und weiteren Städten wie Bremen hat die sogenannte 7-Tage-Inzidenz den kritischen 50er-Wert überschritten. Weitere Städte wie Köln und Essen lagen am Freitag nur noch ganz knapp unter dieser Warnstufe. Köln verschärft deshalb schon von diesem Samstag an die Einschränkungen: In der Öffentlichkeit dürfen sich höchstens fünf Personen aus verschiedenen Haushalten treffen. Im öffentlichen Raum ist abends ab 22.00 Uhr das Trinken von Alkohol verboten. In Fußgängerzonen gibt es eine Maskenpflicht.

Insgesamt stieg die Zahl der Neuinfektionen in Deutschland ein weiteres Mal über der Marke von 4000. Innerhalb eines Tages meldeten die Gesundheitsämter in Deutschland nach RKI-Angaben 4516 neue Corona-Infektionen. Von Mittwoch auf Donnerstag war der Wert von 2828 auf 4058 erheblich angestiegen. Auch bei den intensivmedizinisch behandelten Covid-19-Patienten zeichnet sich ein merklicher Anstieg ab, noch sind aber viele Betten frei.

Die Berliner Charité verschiebt ähnlich wie im Frühjahr wegen der steigenden Zahlen wieder planbare Eingriffe. «Wir müssen versuchen, die Intensivbetten für Covid-Patienten frei zu bekommen», sagte Vorstandsmitglied Ulrich Frei. Das führe zu schwierigen ethischen Fragen, etwa im Umgang mit Herz- und Tumorkranken. Ähnlich äußerte sich der Chef des Uni-Klinikums Frankfurt.

Der Berliner Virologe Christian Drosten betonte, das Effizienteste gegen eine Corona-Ausbreitung sei eine Kombination aus Masken-Tragen und gezielten Maßnahmen gegen Cluster, also etwa eine Gruppe von Menschen bei einer Feier. «Das Virus hat sich nicht verändert», betonte er. Die Infektionssterblichkeit - wie viele der Angesteckten sterben - sei fast konstant und hänge vom Alter der Betroffenen ab.

Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) schloss weitergehende Einschränkungen nicht aus. Dabei würden nicht nur die Infektionszahlen, sondern auch Testkapazitäten und andere Komponenten beurteilt. In der Nacht zu diesem Samstag sollten in der Hauptstadt eine Sperrstunde und strenge Kontaktverbote für drinnen und draußen in Kraft treten. Vor allem die jüngeren Berliner sollten einsehen, dass jetzt nicht die Zeit für Feiern sei, sagte Müller.

Die meisten Geschäfte sowie alle Restaurants und Bars müssen von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr schließen. Im Freien dürfen sich von 23.00 Uhr bis 06.00 Uhr nur noch fünf Personen oder Menschen aus zwei Haushalten versammeln. An privaten Feiern in geschlossenen Räumen dürfen nur noch maximal 10 statt bisher 25 Personen teilnehmen. Zudem gibt es eine allgemeine Maskenpflicht in Büro- und Verwaltungsgebäuden. Berlin denkt zudem über einen Schichtbetrieb in den Schulen nach. «Ich vermute, so etwas wird in den Wintermonaten nötig sein», sagte Müller.

Berlins Regierender Bürgermeister kritisierte allerdings die von vielen Bundesländern beschlossenen Beschränkungen für Reisende aus Corona-Hotspots. «Diese Reisebeschränkungen helfen aus meiner Sicht nicht», sagte er. Es würden «wahnsinnig viele personelle Kräfte und Testkapazitäten» gebunden - mit Ergebnissen, «die man so zumindest auch nicht braucht jetzt zur Pandemiebekämpfung».

Die Länder hatten mehrheitlich beschlossen, dass Reisende aus Gebieten mit sehr hohen Infektionszahlen nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test haben. Greifen soll dies für alle aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen. Einige Länder gaben zu dem Beschluss aber abweichende Erklärungen ab.

Einer Umfrage zufolge spricht sich die Mehrheit der Deutschen sogar für eine Quarantänepflicht für Reisende aus solchen Risikogebieten aus. 64 Prozent der Befragten sind der Meinung, dass Menschen im Inland ähnlich wie bei Einreisen aus ausländischen Risikogebieten quarantänepflichtig werden sollten, wie aus dem aktuellen ZDF-Politbarometer hervorgeht. Rund ein Drittel ist dagegen.

Merkel und die Bürgermeister der elf größten Städte in Deutschland haben am Freitag folgende Beschlüsse gefasst:

[Das Beschlusspapier im Original]

- Spätestens ab 35 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern in sieben Tagen entsendet das Robert Koch-Institut auf Bitten der Stadt Experten in die Stadt, die Krisenstäbe beraten.

- Das gilt auch für Experten der Bundeswehr.

- Ab 50 Infektionen pro 100 000 Einwohnern soll es umgehend neue Beschränkungen geben. Dazu gehören eine Erweiterung der Maskenpflicht, Kontaktbeschränkungen und gegebenenfalls Sperrstunden und Alkoholbeschränkungen für die Gastronomie sowie Teilnehmerbeschränkungen für Veranstaltungen und private Feiern.

- Sind die Gesundheitsämter mit der Kontaktnachverfolgung überfordert, sollen Bund und Land personelle Unterstützung leisten.

- Die Großstädte müssen die Ordnungsämter so entlasten, dass diese die Einhaltung der Regeln kontrollieren können. Bund und Länder beraten, ob auch Bundespolizei und Länderpolizeien unterstützen können.

- Schutzmaßnahmen in Alten- und Pflegeheimen, Krankenhäusern und Behinderteneinrichtungen sollen an die Infektionszahlen angepasst werden. Der Bund stellt sicher, dass die Kosten von regelmäßigen Schnelltests von Bewohnern, Patienten, Besuchern und Personal
übernommen werden.

- Wird der Anstieg der Infektionszahlen durch diese Maßnahmen nicht innerhalb von zehn Tagen ausgebremst, sind weitere Beschränkungsschritte geplant, um öffentliche Kontakte zu reduzieren. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Erhöhung der Mehrwertsteuer auf Speisen in der Gastronomie von sieben auf 19 Prozent zum 1. Januar 2024 stößt in der Bevölkerung auf breite Ablehnung. Das ergab eine Umfrage des Meinungsforschungsinstituts INSA im Auftrag des DEHOGA Bundesverband. Mehr als zwei Drittel der Befragten bewerten die Maßnahme als ungerechtfertigt.

Mit klaren Forderungen startet der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband in die entscheidende Phase vor der Bundestagswahl. Ein Weiter so dürfe es nicht geben, sagt Präsident Guido Zöllick, der eine konsequente Neuausrichtung der Politik fordert.

Deutschlands Wirtschaft schwächelt. Der Verband Die Familienunternehmer lobt die Gegenrezepte der CDU/CSU. Präsidentin Ostermann verteilt in Seeon aber auch eine Watschn, wie man in Bayern sagt.

Allianz-Chef Oliver Bäte empfiehlt, die Lohnfortzahlung am ersten Krankheitstag zu streichen. Damit würden die Arbeitnehmer die Kosten für den ersten Krankheitstag selbst tragen.

Zum 1. Januar 2025 ist Marriott International mit allen selbst gemanagten Hotels in Deutschland dem Hotelverband Deutschland (IHA) beigetreten. In Deutschland umfasst das Portfolio über 120 Häuser.

Wer beruflich viel unterwegs ist, hat in der Regel auch höhere Kosten für die Verpflegung vor Ort. Der Gesetzgeber berücksichtigt diesen Aufwand finanziell. Ab sofort gelten neue Sätze für die Verpflegungspauschalen im Ausland.

Am 6. Dezember 1949 wurde in Frankfurt am Main der DEHOGA gegründet. Zum 75. Geburtstag ist nun ein Magazin erschienen, das die Geschichte des Verbandes, seine Aufgaben, Ziele und wichtigsten Erfolge sowie die Perspektiven der Branche in den Mittelpunkt rückt.

Nach CDU/CSU hat nun auch die FDP ihr Wahlprogramm vorgestellt. Auch hier hat es die Forderung des Gastgewerbes, sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen wieder einzuführen, in das Programm geschafft. Branchenforderungen wie Wochenarbeitszeit finden sich ebenso im FDP-Programm wieder.

Seit Freitagabend kursierte bereits der Entwurf des Wahlprogramms der CDU/CSU. Nachdem es heute von den Vorständen von CDU und CSU beschlossen wurde, hat es Kanzlerkandidat Friedrich Merz und Markus Söder gestern auch offiziell vorgestellt. Zu den wesentlichen Themen und Forderungen der Branche wird, laut DEHOGA Bundesverband, klar Position bezogen.

Mit der Abstimmung über die Vertrauensfrage ist der Weg frei für die Neuwahl des Bundestags am 23. Februar 2025. In einem Positionspapier zur Bundestagswahl 2025 haben touristischen Verbände sechs Top-Themen zusammengestellt, die für einen zukunftsfähigen Wirtschafts- und  Tourismusstandort schnell und konsequent angegangen werden müssten.