«Zügel anziehen» - Merkel ruft zur Einhaltung der Corona-Regeln auf

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Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat angesichts steigender Corona-Zahlen an die Bürger appelliert, die Corona-Regeln einzuhalten. Zugleich sprach sie sich für ein konsequentes Durchgreifen gegen Maskenverweigerer aus. «Das ist eine Entwicklung, die so nicht weitergehen sollte, sondern die wir eindämmen sollten», sagte Merkel am Dienstag in Düsseldorf. Sie nahm dort an einer Sitzung des nordrhein-westfälischen Kabinetts teil. Das Robert Koch-Institut meldete am Dienstagmorgen 1390 neue Infektionen innerhalb eines Tages.

Man wolle möglichst alles daransetzen, das Infektionsgeschehen im Zaum zu halten. «Wenn ich gesagt habe, die Zügel anziehen, dann meine ich, dass sehr konsequent die Regeln durchgesetzt werden müssen», sagte Merkel. Die Kanzlerin hatte nach Informationen der «Bild»-Zeitung in der Präsidiumssitzung ihrer Partei am Montag gesagt: «Man muss die Zügel anziehen, um bei Corona nicht in ein Desaster reinzulaufen.»

Merkel begrüßte ein konsequentes Durchgreifen bei Verstößen gegen die Corona-Regeln: «Ich bin da sehr dankbar, wenn Bußgelder verhängt werden auch für das Nichtragen von Masken oder ähnlichem. Das sind nicht einfach so Bagatelldelikte, sondern das sind immer wieder auch Gefährdungen der Mitmenschen.» Sie erinnerte zudem daran, dass «erhebliche Bußgelder» drohen können, wenn Reiserückkehrer aus Risikogebieten sich nicht in Quarantäne begeben. Das sei keine Kann-Bestimmung.

Merkel und NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) wiesen nach der gemeinsamen Kabinettssitzung darauf hin, dass Corona-Einschränkungen nur zurückgenommen werden könnten, wenn die Infektionszahlen zurückgingen. Wenn sie stiegen, müssten Schutzvorkehrungen verstärkt werden. «Auf jeden Fall können weitere Lockerungen aus meiner Sicht zur Zeit nicht stattfinden», sagte Merkel. Konkrete Aussagen zu möglichen Verschärfungen machten beide nicht. Die Kanzlerin nannte private Feiern und Reisen in Risikogebiete mit Blick auf die Virusverbreitung «wichtige Bausteine».

Am Dienstag wurde vor diesem Hintergrund weiter darüber diskutiert, ob es neue Obergrenzen für Familienfeiern geben sollte. Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte angeregt, wegen des Ansteckungsrisikos noch einmal über die erlaubte Größen von privaten Festen zu sprechen. In den Ländern ist das unterschiedlich geregelt. So sind in Berlin laut aktueller Corona-Verordnung momentan Innenveranstaltungen mit bis zu 500 Menschen erlaubt. In Nordrhein-Westfalen dürfen bei «geselligen Veranstaltungen wie Hochzeiten» drinnen maximal 150 Gäste anwesend sein, in Bayern maximal 100.

Der Ärzteverband Marburger Bund forderte bundesweit einheitliche Vorgaben. Wichtig seien etwa Obergrenzen für Gäste und Konzepte fürs Lüften, sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Der Deutsche Familienverband schloss sich Forderungen nach Einschränkungen an, solidarisch sein bedeute, sich für das Gemeinwohl einschränken zu können. Das gelte auch für Familienfeiern, sagte Bundesgeschäftsführer Sebastian Heimann der Deutschen Presse-Agentur.

Merkel und Laschet machten für den Fall neuer Beschränkungen deutlich, dass diese diesmal nicht zuerst das Wirtschaftsleben, Kinder oder Schulen treffen sollten. Diese hätten Priorität. Dem NRW-Regierungschef zufolge soll es «in den nächsten Tagen» Gespräche der Ministerpräsidenten der Länder mit Merkel über das weitere Vorgehen geben. Ein genauer Termin für ein solches Treffen ist noch nicht bekannt. Zuletzt hatten sich Kanzlerin und Länderchefs im Juni über den Kurs in der Corona-Krise abgestimmt.

«Wir wollen die Familienfeiern nicht verbieten», sagte Mecklenburg Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) am Dienstag in Schwerin. Diese seien wichtig für das Zusammenleben in der Gesellschaft. «Wir appellieren aber an alle, trotzdem auch bei einer Familienfeier vorsichtig zu sein. Es ist schwer. Man möchte die Geschwister, die Eltern umarmen. Man steckt bei einer Familienfeier mehr die Köpfe zusammen als vielleicht bei einem beruflichen Meeting.» Man appelliere an die Vernunft.

Die CDU-Gesundheitspolitikerin Karin Maag sagte im SWR, trotz regional unterschiedlich vieler Corona-Fälle müssten die Menschen wissen, ob sie nur 50 Gäste einladen dürften oder 150. «Das hat was mit Kommunikation und Sicherheit zu tun und deswegen sollte es vereinheitlicht werden.»

Steigende Corona-Zahlen: Klare Regeln für Feste gefordert

Der Ärzteverband Marburger Bund fordert bundesweit einheitliche Regeln für Feste und Partys, um die weitere Ausbreitung des Coronavirus einzudämmen. «Um Ansteckungsrisiken auch im Herbst und Winter zu verringern, sollten sich die Länder bald auf einheitliche Regeln für private und öffentliche Feiern aller Art verständigen», sagte die Vorsitzende Susanne Johna den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Dienstag). Wichtig seien etwa Obergrenzen für Gäste und Konzepte fürs Lüften. Das Hotel- und Gaststättengewerbe rief zu Disziplin auf, um einen erneuten Lockdown zu verhindern.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hatte zuvor darauf hingewiesen, dass Feierlichkeiten neben den Ansteckungen durch Reiserückkehrer zu den größten Gefahrenquellen in Deutschland zählten. Deshalb müsse man mit den Ländern noch einmal über die Grenzen und Regeln für Veranstaltungen reden. In den Bundesländern gelten ganz unterschiedliche Regelungen. Zum Teil sind inzwischen wieder Innenveranstaltungen mit mehreren Hundert Teilnehmern erlaubt.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) warnte laut «Bild»-Zeitung in der Präsidiumssitzung ihrer Partei am Montag: «Man muss die Zügel anziehen, um bei Corona nicht in ein Desaster reinzulaufen.» Das Zitat wurde dpa dem Sinn nach bestätigt.

Die Regelungen für Innenveranstaltungen sieht auch der Marburger Bund kritisch. «Je größer die Zahl der Feiernden gerade in geschlossenen Räumen ist, desto wahrscheinlicher ist ein Mensch dabei, der die anderen ansteckt», warnte Johna. Wenn die Infektionszahlen wieder stark stiegen, seien 150 Gäste bei einer Familienfeier oder einer Party in Innenräumen zu viel. Viele seien sorglos, weil sie auf die hohe Quote der Genesenden schauten. Doch darunter seien auch Menschen erfasst, die an schweren Langzeitschäden litten. «Es gibt Schätzungen, dass der Anteil der an Covid-19 erkrankten Patienten mit Folgeschäden im oberen einstelligen Bereich liegt», sagte die Medizinerin.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) appellierte an die Vernunft von Wirten, Personal und Gästen. «Es sollten alle darauf bedacht sein, die seit Mitte Mai gewonnenen Freiheiten des Ausgehens und Reisens zu verteidigen», sagte Hauptgeschäftsführerin Ingrid Hartges dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Dienstag). Die Ansteckungsgefahr sei zwar nicht zu bestreiten. «Insgesamt ist das Infektionsgeschehen in unseren Betrieben aber niedrig.»

Neben Hotels und Gaststätten gebe es «auch andere Hotspots», etwa Urlaubsrückkehrer und private wie große Veranstaltungen im öffentlichen Raum, sagte die Dehoga-Chefin. «Es muss deshalb genau analysiert werden, wo die Schwachstellen liegen, bevor einschränkende Maßnahmen festgelegt werden.»

Vor allem Eventcaterer, die vorwiegend Familienfeste wie Hochzeiten beliefern, würden von erneuten Maßnahmen hart getroffen, warnte Hartges: «Großveranstaltungen und eine Vielzahl kleinerer Events finden ja noch gar nicht wieder statt. Die Verluste sind erheblich und viele dieser Betriebe fürchten um ihre Existenz.» Deshalb müssten sich alle an die Spielregeln halten, forderte sie.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund rief zu einer gesamtgesellschaftlichen Anstrengung auf, um einen erneuten Lockdown zu verhindern. «Dieser hätte schwere Auswirkungen auf die Wirtschaft und die Gesellschaft», sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg. «Viele Geschäfte im Bereich des Einzelhandels und der Gastronomie würden ein erneutes Herunterfahren des öffentlichen Lebens kaum verkraften.»

Die Schlüssel zu einer erfolgreichen Verhinderung einer zweiten Welle sieht Landsberg in einer gezielten Teststrategie. Priorität hätten aus der Sicht der Kommunen Schulen und das Wirtschaftsleben. Beides müsse offen gehalten werden, um Arbeitsplätze zu sichern. (dpa)


 

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