150 Jahre Postkarte

| Tourismus Tourismus

Das Meer so klar, die Landschaft so schön, das Essen so lecker, das Wetter so super - klassischer könnte der Inhalt einer Ansichtskarte aus dem Urlaub nicht sein. Die knappen Texte über die angeblich schönsten Wochen des Jahres spiegeln aber auch den Zeitgeist.

«Vor 30 oder 40 Jahren gehörte der Sonnenbrand im Urlaub einfach dazu. Den hat man dann auch stolz erwähnt», sagt der Sprachwissenschaftler Heiko Hausendorf von der Universität Zürich. Er hat mehr als 13.000 Ansichtskarten auf ihre Muster und Besonderheiten untersucht. Eine Auffälligkeit: Den Schreibern geht es praktisch nie schlecht, und lange vor der heute durch das Internet beförderten Angewohnheit, allem und jedem eine Note zu geben, seien auch schon früher gerne das Hotel, der Service, die Freundlichkeit bewertet worden, sagt Hausendorf. Der Unterschied: Es las nur ein Empfänger.

Erste Postkarte in Österreich-Ungarn

Bevor die Ansichtskarten in Mode kamen, wurde das Vorläufermodell mit unerwartetem Erfolg auf den Markt gebracht. Eine «neue Art der Korrespondenz mittels der Post» erlebte vor 150 Jahren, am 1. Oktober 1869, ihre Weltpremiere: die Postkarte.

Die Postverwaltung Österreich-Ungarns ließ als erste der Welt die Postkarte zur Beförderung zu. Das neue Angebot wurde sofort ein Renner. Die Idee stammte eigentlich aus Preußen. Ein entsprechender Vorschlag wurde dort jedoch verworfen, weil eine solche Form der Mitteilung als «unanständig» angesehen wurde. Der Inhalt von Postsendungen müsse Privatangelegenheit bleiben, Mitlesen galt als unschick.

Österreich griff die Idee auf. Warum müssten einfache Benachrichtigungen oder Glückwünsche gleich als Brief verfasst werden? Gesagt, getan. «Die Postkarte war auch eine Befreiung. Briefe hatten eine viel höhere Schreiberwartung an den Stil des Absenders», sagt Hausendorf. Das Schreiben von Karten sei eine neue Art gewesen, sich handschriftlich auszudrücken. Wegen des Erfolgs in Österreich wurde die Postkarte innerhalb kurzer Zeit von vielen anderen Ländern übernommen. In Großbritannien wurden die ersten Postkarten am 1. Oktober 1879 verkauft. Auch Kanada als erstes außereuropäisches Land führte die Postkarte bald ein.

Ab 1905 auch mit Text

Die Ansichtskarte ergänzte die Palette dank aufkommender Fotografie. Ursprünglich sei die Idee des Produkts gewesen, ein Bild zu verschicken, sagt Hausendorf. Die andere Seite der Karte sei nur dem Adressfeld vorbehalten gewesen. 1905 rückte das Adressfeld zur Seite, der neue Platz bot nun Raum für Grüße und Gefühle.

Seit Jahrzehnten wimmelt es dort von erwartbaren Äußerungen über einen tollen Urlaub. «Der Küchenbulle ist ein Ass», formulierte einer noch vergleichsweise originell über das gute Essen. «Die Strände sind tatsächlich so schön», räumte jemand schon vor der Zeit oft bearbeiteter Motive mit dem Verdacht auf, es könne sich um Fake News handeln. «...Ansonsten radeln wir viel», heißt es auf einer Karte zu den wohl dosierten Urlaubsaktivitäten.

Trotz digitaler Grüße und der Flut von Urlaubsfotos per Handy bleibt die Karte wichtiger Teil der Kommunikation. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom wollte in diesem Sommer mehr als jeder zweite deutsche Urlauber eine Karte oder einen Brief an die Daheimgebliebenen schreiben. «Der Aufwand, den man für das Verschicken einer Karte betreiben muss, ist auch ein Ausdruck der Wertschätzung gegenüber dem Empfänger», meint Hausendorf, der aus Bielefeld stammt und in Zürich am Deutschen Seminar mit Schwerpunkt Sprache und Raum forscht.

Überblick in der Nationalbibliothek

Einen bemerkenswerten Überblick über die Welt historischer Ansichtskarten bis in die 1940er Jahre bietet die Österreichische Nationalbibliothek. Wer Städte und Landschaften ohne Autos und Strommasten, aber mit Pferdefuhrwerken und Segelschiffen betrachten will, wird in dem Online-Portal mit seinen 75 000 Karten aus aller Welt fündig.

Lange Zeit war das Verschicken einer Ansichtskarte auch ein Fingerzeig auf den eigenen Wohlstand: «Wir können uns das leisten», sei die Botschaft gewesen, meint Hausendorf. In Zeiten der Flüge für wenig Geld funktioniert das wohl in vielen Fällen nicht mehr. Ohnehin ist auch im Urlaub oder in der Kur nicht alles immer ganz großartig. Erfrischend ehrlich die vorläufige Bilanz eines Mannes, der 1986 aus Oberstaufen im Allgäu über seine Schrothkur schrieb: «Halbzeit geschafft - Entbehrungen groß - Erholung super - Wetter schlecht. Herzliche Grüße, Richard». (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Knapp 2.000 Veranstaltungen, mehr als zwei Millionen Gäste: Ein Jahr lang war Chemnitz Kulturhauptstadt Europas. Kulturstaatsminister Weimer lobt eine kreative Aufbruchstimmung in der Stadt.

Ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum, steigende Risiken und strategische Herausforderungen im Flugverkehr bestimmen die Agenda für das kommende Jahr. Unternehmen setzen verstärkt auf Datenanalyse. So sagt es der Travel Market Report 2026 von BCD.

Der eigene Hund wird immer häufiger zum ausschlaggebenden Faktor bei der Wahl des Reiseziels und der Unterkunft. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass rund 43 Prozent der deutschen Hundebesitzer gezielt Destinationen auswählen, die besonders hundefreundlich sind.

Eine Analyse des Reiseveranstalters Fit Reisen hat die beliebtesten europäischen Inseln für die Wintersaison basierend auf der Social-Media-Aktivität ermittelt. Im Fokus standen 471 europäische Inseln, darunter 84 deutsche.

Neben Kur- und Erholungsorten sollen in Schleswig-Holstein künftig auch anerkannte Tourismusorte Kurabgaben erheben können. Was das für den nächsten Trip bedeutet und welche Orte künftig mitkassieren dürfen.

Das Stadtmagazin „Time Out“ hat das Maybachufer in Berlin-Neukölln in seinem diesjährigen Ranking als eine der coolsten Straßen der Welt eingestuft. Die Uferstraße am Landwehrkanal erreichte weltweit den siebten Platz. Im europaweiten Vergleich positionierte sich das Maybachufer auf Platz 2, direkt hinter der Rua do Bonjardim in Porto (Portugal).

Während die Stimmung in der deutschen Wirtschaft insgesamt im November unerwartet nachgab, verzeichnete der Tourismus eine deutliche Stimmungsaufhellung. Die Branche stach positiv aus dem sinkenden ifo Geschäftsklimaindex hervor, der im Berichtsmonat auf 88,1 Punkte fiel.

Palma sperrt das Stadtzentrum für die meisten Autos mit ausländischem Kennzeichen. Was Mallorca-Urlauber jetzt beachten müssen – und warum es für einige schon teuer wurde.

Minusgrade und Schneeflocken auch im Flachland: Die Skigebiete rüsten sich, Wintersportler holen die Ski aus dem Keller. Am Wochenende konnten sie auch in Deutschland ihre ersten Schwünge ziehen - teilweise so früh wie selten.

Die Gewinner des Deutschen Tourismuspreises 2025 stehen fest. Das gemeinsame Projekt „Maker-Advent“ aus Chemnitz holte den ersten Preis. Parallel dazu wurde die „Schwarzwald Marie“, die KI-generierte Markenbotschafterin der Schwarzwald Tourismus GmbH, mit dem ADAC-Publikumspreis ausgezeichnet.