Einzige spanische Region ohne Reisewarnung: Corona-Flucht auf die Kanaren

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Nur ein einziger Tisch in der Ecke ist besetzt. Etwas gelangweilt zapft Katrin Ruhland ein paar Biere. Aus den Boxen tönt der Schlager «Am Tag als Conny Kramer starb» von Juliane Werding. «Das ist alles so schade. Eigentlich steppte hier immer der Bär», sagt die Gastwirtin. «Gerade jetzt um diese Zeit.»

Erst Anfang Oktober hatte Ruhland mit ihrem Mann das La Cucaracha im Süden Gran Canarias übernommen, von Siggi und Kalle Ortmann, die es durch die Dokusoap «Goodbye Deutschland! Die Auswanderer» zu einer gewissen Berühmtheit gebracht hatten.

Die Bar kannte das Ehepaar aus zahlreichen Winterurlauben. Tagsüber Kaffee und Kuchen, abends Travestieshows, Live-Konzerte und Schlager-Partys mit deutschem Bier vom Fass. Die Kneipe ist ein beliebter Treff deutscher Urlauber an der berühmten Playa del Inglés bei Maspalomas. Doch dann kam die Corona-Pandemie.

«Die ganze Gegend wirkt jetzt wie ausgestorben», sagt die gebürtige Sächsin. Tatsächlich ist die Playa del Inglés derzeit kaum wiederzuerkennen. Straßencafés, Hotels, Restaurants – vieles hat zu. Selbst im bekannten Einkaufs- und Freizeitzentrum Yumbo sind die Geschäfte größtenteils dicht. Der Strand ist trotz sommerlicher Temperaturen leer. «Dennoch hoffe ich, dass zu Weihnachten wieder mehr Urlauber kommen», übt sich Ruhland in Zweckoptimismus.

Das letzte warme Sehnsuchtsziel in Europa

Tatsächlich hat die Gastronomin Grund zur Hoffnung. Ende Oktober nahmen Deutschland und Großbritannien die beliebten spanischen Urlaubsinseln im Atlantik wegen geringer Corona-Infektionszahlen als eine der wenigen europäischen Reisedestinationen wieder von der Liste der Risikogebiete. Reisende müssen nach der Rückkehr aus Teneriffa, Gran Canaria, Lanzarote oder Fuerteventura nicht in Quarantäne.

In der ersten Novemberhälfte war es möglich, mit einem Antigen-Test einzureisen und diesen sogar noch auf den Insel direkt nach der Ankunft zu machen. Doch nun schreibt die spanische Zentralregierung für die Einreise den PCR-Test vor, auch für die Kanaren. Deutsche Reiseveranstalter bieten die Kanaren weiterhin an. Die Inseln sind derzeit die einzige spanische Region ohne Reisewarnung.

Hygieneregeln in den Hotels

Die Kanaren leben vom Tourismus. Vier von fünf Arbeitsplätzen hängen direkt oder indirekt vom Urlaubssektor ab. «Deshalb müssen wir noch mehr aufpassen, dass das Reisen auf die Kanaren sicher ist», sagt auch Juan Francisco Hernández von der Hotelgruppe Barceló.

Im zur Barceló-Gruppe gehörenden «Santa Catalina» in Las Palmas de Gran Canaria herrscht überall Maskenpflicht. Beim Einchecken wird die Temperatur jedes Gastes gemessen. Am Eingang zum Hotel, zum Pool und zum Speisesaal sind Spender mit Handdesinfektionsmittel installiert. Beim Büffet gibt es klar definierte Laufwege, damit sich die Gäste nicht zu nahe kommen. Das Besteck ist in Plastikbeuteln eingeschweißt. Jeder Gast bekommt Einweghandschuhe zum Auffüllen der Speisen. Der Abstand zwischen Tischen und Liegestühlen am Pool geht weit über die Mindestabstandsregel von eineinhalb Metern hinaus.

Gran Canaria statt Italien

Die meisten Hotels haben derart hohe Hygienemaßnahmen. In Restaurants, Geschäften und im öffentlichen Leben sieht es ähnlich aus. «Ehrlich gesagt, fühlen wir uns hier auf den Kanaren sicherer als in Deutschland», sagt Beate Bogdan, die mit ihrem Mann Uwe angereist ist. Eigentlich wollte das Ehepaar aus Luckenwalde in Neubrandenburg vor Wintereinbruch noch mal nach Rom. Doch Italien wurde kurz zuvor erneut zum Risikogebiet erklärt.

So entschloss sich das Paar spontan, nach Gran Canaria zu fliegen. «Und wir bereuen es nicht. Es ist natürlich schade, das viele Sachen zu sind», sagt Beate Bogdan. «Aber so entspannt und ruhig haben wir die Kanaren noch nie erlebt. Kein Anstehen am Büffet, man braucht nirgendwo warten. Wir haben den Strand praktisch für uns und die Kanarier halten sich extrem an die Abstandsregeln und die Mundschutzpflicht», berichtet die Deutsche.

Das Ehepaar hat ein Hotel in der Nähe der Sanddünen von Maspalomas. Uwe macht mit dem Handy romantische Sonnenuntergangsfotos von seiner Frau im Dünenmeer. Normalweise hat man bei diesem beliebten Fotomotiv immer andere Urlauber im Hintergrund. Nicht in Covid-Zeiten.

Am nächsten Tag wollen sie eine Katamaran-Tour machen, um Delfine und Wale zu sehen. «Eigentlich nehmen an der Tour immer so um die 50 Gäste teil. Morgen sind wir aber nur sieben Personen», sagt Uwe.

Hoffen auf die Wintersaison

Björn Dunkerbeck würde sich über ein paar mehr Kunden freuen. An der Playa del Aguilar im Süden Gran Canarias unterhält der 42-fache Windsurf-Weltmeister eine Surfschule. Fünf Gäste hat er im Schnitt pro Tag. Vor der Pandemie waren es bis zu 25. Die vergangenen Monate hat er sich vor allem mit Surfkursen für Kinder und mit Einheimischen über Wasser gehalten. «Wir müssen jetzt einfach nach vorne schauen und sehen, dass es besser wird», sagt Dunkerbeck.

Der Profi gibt sich positiv. Die ersten Flieger mit deutschen Surfurlaubern seien bereits gelandet und es würden mit Sicherheit noch mehr werden. «Die Kanaren sind mit Blick aufs Corona-Virus derzeit wohl der sicherste Ort in Europa. Nicht nur wegen der geringen Fallzahlen. Wir haben hier vor der Küste Westafrikas das ganze Jahr über warme Temperaturen, wodurch das Leben sich auch im Winter im Freien abspielen kann», sagt Dunkerbeck.

Urlaubermassen wird es in diesem Winter wohl nicht geben. «Jeder hat hier viel Platz am Strand, in den Restaurants und natürlich bieten die Kanaren auch viele Outdoor-Aktivitäten an der frischen Luft», sagt der Surfer. Urlauber kommen zum Beispiel zum Wandern auf die Insel La Palma und La Gomera.

Einsame Wanderpfade und Sonnenuntergänge

Tatsächlich ist es beeindruckend, in welcher Ruhe und Einsamkeit man derzeit die Kanaren erleben kann. Selbst auf Gran Canarias schönstem Panorama-Höhenweg bei Cruz de la Tejeda sind kaum Wanderer unterwegs. Man hat den umwerfenden Blick in den Vulkankegel und auf die zerklüftete Bergwelt praktisch für sich alleine.

Auch den Sonnenuntergang am Roque Nublo, dem berühmten Felsmonolithen und Wahrzeichen der Insel, können Urlauber ungewohnt einsam erleben. Normalweise treffen sich hier am «Wolkenfelsen» Dutzende Touristen für den traumschönen Blick auf Teneriffas Teide-Vulkan.

Beliebte Sehenswürdigkeiten wie die Kunst- und Kulturstätten von César Manrique auf Lanzarote überraschen derzeit mit leeren Parkplätzen. «Normalweise herrscht hier im November und Dezember Hochbetrieb. Doch heute hatten wir gerade einmal 30 Besucher», verrät eine Angestellte am Eingang zu Manriques berühmten Lavahöhlenlandschaft Jameos del Agua.

Auch im Kaktus-Park des bekannten Inselkünstlers ist kaum etwas los. Die Feuerberge im Nationalpark Timanfaya im Süden der Insel haben Besucher derzeit praktisch für sich alleine.

Von Manriques Aussichtspunkt Mirador del Río schweift der Blick aus 470 Metern Höhe vom Famara-Massiv auf die Lanzarote vorgelagerte Insel La Graciosa. Wer zum Eiland übersetzt, verfällt fast in ein Robinson-Crusoe-Feeling. Mit dem Mountainbike geht es quer über die wüstenhafte Insel zur Playa de las Conchas. Gerade einmal 50 Urlauber genießen hier am breiten Muschelstrand die warme Wintersonne.

Die wenigen Kanaren-Urlauber genießen die mehr als ungewohnte Stille und Einsamkeit auf den Inseln. Dabei sollte doch gerade der jetzt in Deutschland ausgerufene Teil-Lockdown mehr Touristen auf die Kanaren locken - das meint jedenfalls Gastwirtin Katrin Ruhland. Und zapft noch ein paar frische Bier für den Tisch in der Ecke. (dpa)


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