Kreuzfahrt-Branche startet Saison in Deutschland

| Tourismus Tourismus

Kreuzfahrtfans können die Koffer packen: Am Pfingstwochenende startet die krisengeschüttelte Kreuzfahrtbranche in Kiel die Saison in Deutschland. Nach dem ersten Coronaschock und dem sommerlichem Neustart 2020 sowie dem erneutem Lockdown im Herbst ist dies der zweite Anlauf, mit dem die Reedereien an den jäh unterbrochenen langjährigen Kreuzfahrtboom anknüpfen wollen.

Den Anfang macht die «Aidasol» der Carnival-Tochter Aida Cruises; das Schiff wird von der schleswig-holsteinischen Hauptstadt zu Kurztouren in die Ostsee aufbrechen. Einen Tag später folgt Tui Cruises mit «Mein Schiff 1» ebenfalls mit «Blauen Reisen», bei denen die Urlauber zunächst ohne Landgang die ganze Zeit auf der Ostsee bleiben. Auch die Tui-Tochter Hapag-Lloyd Cruises startet wenig später von Kiel aus mit dem kleineren Neubau «Hanseatic inspiration» in die deutsche Saison.

Den «Neustart 2.0» in Kiel verdankt die Kreuzfahrtindustrie den sinkenden Zahlen von Corona-Neuinfektionen in Schleswig-Holstein. Das Land zwischen Nord- und Ostsee hat seit längerem mit Abstand die niedrigsten Werte in Deutschland. Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) hat deswegen den für das Bundesland so wichtigen Tourismus zum 17. Mai geöffnet - unter strengen Vorgaben dürfen Reisende überall ins Land.

An den für Kreuzfahrten relevanten anderen Seehäfen in Hamburg, Bremerhaven und Rostock ist es noch nicht so weit. «Wir gehen davon aus, dass spätestens dann, wenn das Beherbergungsverbot aufgehoben wird, auch wieder Kreuzfahrten ermöglicht werden», sagt der deutsche Geschäftsführer des internationalen Branchenverbands Clia, Helge Grammerstorf. «Wir kennen die Regeln, aber wann das Spiel angepfiffen wird, das wissen wir noch nicht.» Weder aus Hamburg noch aus den anderen Bundesländern vernimmt die Branche bislang verlässliche Signale.

Sollten die kommen, kann es schnell gehen. Die meisten Kreuzfahrtschiffe liegen laut Clia in betriebsbereitem Zustand in Häfen oder auf Reede - mit nautisch-technischem und auch Service-Personal an Bord. «Wir sind fest gewillt, die Schiffe zügig wieder an den Start zu bringen», sagte Aida-Sprecher Hansjörg Kunze. Und auch Tui-Cruises-Sprecherin Godja Sönnichsen sagt: «Wir gehen davon aus, dass wir im Laufe des Sommers mit den Schiffen der Mein-Schiff-Flotte wieder am Start sind.» Auch außerhalb Deutschlands ist das Angebot noch überschaubar: Deutsche Anbieter sind bislang nur rings um die Kanaren unterwegs, nach der angekündigten Öffnung Griechenlands für den Tourismus folgen bald Kreuzfahrten auch dort.

Für die von Lockdowns, Einreiseverboten und Reisewarnungen für praktisch alle wichtigen Ziele gebeutelte Kreuzfahrtindustrie ist der Start zu Pfingsten zunächst nur ein Hoffnungsschimmer. Allerdings ist die Zuversicht groß, dass die Fangemeinde sehr schnell wieder an Bord kommt, sobald Reisen wieder breitflächig möglich ist. «Für 2021 haben wir sehr große Unsicherheiten, was die Prognose angeht», sagt Grammerstorf. «Für 2022 - unterstellt, wir kommen in einen Normalzustand - ist die Nachfrage bemerkenswert hoch.» Ähnlich sieht das der Deutsche Reiseverband (DRV). «Ich glaube nicht, dass der Boom Kreuzfahrt vorbei ist», sagt DRV-Sprecherin Kerstin Heinen. «Wir sehen, dass Kreuzfahrt gut gebucht wird - wir sehen allerdings, nicht, ob das Umbuchungen oder tatsächlich Neubuchungen sind.»

Der Tui-Konzern will sein Kreuzfahrtgeschäft nach der Krise weiter ausbauen. So soll die britische Linie Marella Cruises in ein Gemeinschaftsunternehmen eingebracht werden, wie dies schon bei Hapag-Lloyd geschah. Tui Cruises ist ein Gemeinschaftsunternehmen des weltgrößten Reiseanbieters und des Kreuzfahrtkonzerns Royal Caribbean. Tui verfolgt mit solchen Joint Ventures das Ziel, den vor Corona boomenden Markt weiter zu erschließen, ohne sich dabei aber zu große Zusatzlasten auf die eigene Bilanz zu legen. «Nur so kann man es schaffen, dass man schnell genug wächst», meint Vorstandschef Fritz Joussen. «Gerade bei Marella werden wir in den nächsten Jahren auch neue Schiffe sehen.»

Bei 2,6 Millionen Passagieren und rund 6,6 Milliarden Euro Umsatz (2019) hängen nach Clia-Angaben hierzulande 48 000 Arbeitsplätze direkt daran - von Zulieferern bis zu Werften indirekt aber noch viel mehr. Zahlen zum Corona-Jahr 2020 liegen nicht vor. Global in der Branche werden die Verluste auf einen zweistelligen Milliardenbetrag taxiert. Allein bei den drei größten Reedereien sind nach Schätzungen des Verbands für Schiffbau und Meerestechnik (VSM) rund 20 Milliarden Dollar verbrannt worden. «Mit neuen Bestellungen in signifikantem Umfang vor 2024 ist nicht zu rechnen», heißt es deshalb beim VSM. Für Schiffbauer, wie die auf Kreuzfahrtriesen spezialisierte Meyer-Werft im niedersächsischen Papenburg ist das eine bedrohliche Situation.

Kreuzfahrer selbst wie auch die Besatzungen müssen sich weiterhin auf strenge Hygiene- und Sicherheitsregeln einstellen. Diese Regeln, die schon seit Sommer 2020 branchenweit gelten, sollen ein Debakel, wie den Massenausbruch auf dem Anfang 2020 wochenlang vor Japan unter Quarantäne gestellten Kreuzfahrtschiff «Diamond Princess», verhindern. Coronatests sind Pflicht, an Bord gelten Abstandsregeln und Maskenpflicht. Statt am Buffet zu stehen, wird den Gästen das Essen am Tisch serviert. Die Kapazität der Schiffe wird nur rund zur Hälfte ausgeschöpft. Für Infektionsfälle gibt es eigene Protokolle, die sicherstellen sollen, dass Passagiere schnellstmöglich isoliert und alle Kontakte nachverfolgt werden können. «Wir haben bewiesen, dass Kreuzfahrten sicher möglich sind, Wir haben gezeigt, dass es funktioniert», sagte Tui-Cruises-Sprecherin Sönnichsen. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Zum Entwurf der neuen EU-Pauschalreiserichtlinie wurde im Trilogverfahren eine Einigung erzielt. Eine erste Bewertung des Deutschen Reiseverbandes sieht Licht und Schatten: Während die Vermittlung von Einzelleistungen möglich bleibt, führen erweiterte Pflichten und unveränderte Fristen für Erstattungen zu neuem Aufwand für die Reiseunternehmen.

Die französische Compagnie des Alpes (CdA) plant, den im April 2025 erworbenen Freizeitpark Belantis in Sachsen schrittweise in den ersten Astérix-Park außerhalb Frankreichs umzugestalten. Die Transformation des Standorts in der Nähe von Leipzig soll bis 2030/31 abgeschlossen sein und eine offizielle Namensänderung beinhalten.

TUI meldet einen frühen und erfolgreichen Buchungsstart für den Sommer 2026. Besonders Griechenland setzt sich an die Spitze der beliebtesten Urlaubsziele. Der Veranstalter reagiert mit einem erweiterten Angebot für Familien, Alleinreisende und Rundreisen.

Der Tourismusverband Wonderful Copenhagen hat das neue Tourismusmodell DestinationPay vorgestellt. Das Konzept lädt Städte weltweit dazu ein, den bereits in Kopenhagen etablierten Ansatz CopenPay zu übernehmen, welcher Touristen für nachhaltiges Verhalten mit Vergünstigungen belohnt.

Nach elf Jahren soll die Marienschlucht am Bodensee im kommenden Frühjahr wieder öffnen. Die Touristenattraktion wird am 28. März bei einem «Tag der offenen Schlucht» erstmals wieder für die Öffentlichkeit zugänglich sein.

Neue Zahlen zum Flugsommer 2025: Während die internationalen Passagierzahlen steigen, setzen die Inlandsflüge ihren Rückgang fort. Das beliebteste europäische Reiseziel verzeichnet leichte Zuwächse gegenüber dem Vor-Corona-Niveau, während andere Mittelmeerstaaten starke Sprünge machen.

Der internationale Tourismus verzeichnete in den ersten neun Monaten 2025 ein robustes Wachstum mit über 1,1 Milliarden internationalen Ankünften. Die aktuelle Analyse der UN Tourismus zeigt eine weiterhin starke Reisenachfrage trotz anhaltender Inflation und geopolitischer Spannungen. Insbesondere Regionen in Afrika und Asien meldeten signifikante Zuwächse.

Übernachtungsrekorde in Österreich zeigen eine positive Entwicklung hin zur Ganzjahresdestination. Gleichzeitig stehen die Betriebe aufgrund steigender Kosten und geringer Margen wirtschaftlich unter Druck.

Knapp 2.000 Veranstaltungen, mehr als zwei Millionen Gäste: Ein Jahr lang war Chemnitz Kulturhauptstadt Europas. Kulturstaatsminister Weimer lobt eine kreative Aufbruchstimmung in der Stadt.

Ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum, steigende Risiken und strategische Herausforderungen im Flugverkehr bestimmen die Agenda für das kommende Jahr. Unternehmen setzen verstärkt auf Datenanalyse. So sagt es der Travel Market Report 2026 von BCD.