Urlaubs-Pause durch Corona: Was uns fehlt, wenn wir nicht mehr reisen können

| Tourismus Tourismus

Urlaub heißt Glück: Diese Gleichung durchzieht die Geschichte vom Tourismus. Die Tui zum Beispiel wirbt mit dem  Spruch «Discover your Smile» (Entdecke dein Lächeln). Fast so, als gäbe es erst dann einen Grund zur Freude, wenn man endlich die Koffer packen kann. Doch damit ist es nun vorbei.

Nicht nur Tui hat wegen Corona vorerst alle Reisen abgesagt. Urlaub ist generell unmöglich geworden, ohne Ausnahmen und Schlupflöcher: Die Reisewarnung der Bundesregierung gilt weltweit. Statt in die Welt hinaus zu fliegen, werden die Bürger nach Hause gebracht. 

Die große Erzählung vom Traumurlaub

Nicht nur kommerzielle Veranstalter preisen in der Aussicht auf dicke Umsätze das Reiseglück, es sind vor allem die Urlauber selbst. Selfies auf Instagram und per Whatsapp senden die Botschaft: Ich habe eine tolle Zeit! Die Sommerferien gelten als «die schönsten Wochen des Jahres», als Höhepunkt unseres Daseins. Da kann gerade noch Weihnachten mithalten.

Was macht es mit uns, wenn der Glücksfaktor Reisen plötzlich wegfällt? Wenn wir alle auf unabsehbare Zeit daheim bleiben müssen? Spazieren im Park statt Sardinien oder San Francisco. 

Der Zukunfts- und Tourismusforscher Prof. Horst Opaschowski hat das Reisen mehr als 30 Jahre untersucht - warum die Menschen unterwegs sind, wohin sie fahren, was sie in der Ferne suchen. Dass sie plötzlich nirgendwo mehr hin können, gab es aber noch nie.

Die Angst vor den eigenen vier Wänden

Der Befund des Experten ist eindeutig: «Ohne das Reisen drohen den Menschen Entzugserscheinungen», sagt Opaschowski. «Denn das Reisen gehört einfach zum Menschen. Wir waren mobil, bevor wir sesshaft wurden.» Die Geschichte des Menschen sei eine Geschichte der Mobilität und des Reisens. Die Fallhöhe ist also groß.

Opaschowski verweist auf einen bekannten Spruch des französischen Gelehrten Blaise Pascal (1623-1662), der sinngemäß besagt: Alles Unheil rührt allein daher, dass die Menschen nicht in Ruhe in ihrem Zimmer sitzen können. Horror vacui: die Angst vor der Leere.

Wir können jetzt niemand anderes mehr sein  

«Reisen ist die populärste Form von Glück», sagt Opaschowski. Das liege an zwei Dingen: «Reisen ermöglicht den Ortswechsel und auch den Rollenwechsel.» Beides sei im Moment nicht möglich. «Jeder spielt im Urlaub und auf Reisen eine andere Rolle, was man oft schon an der Kostümierung sieht.» Nun sei jeder auf sich selbst zurückgeworfen - der Ausbruch aus dem Gewohnten fehlt.

Und es gibt noch einen anderen Effekt: Ohne das Reisen ist einfach weniger Action. «Die treibende Kraft für Mobilität und Reisen ist die Angst, im Leben etwas zu verpassen», sagt Opaschowski. Je jünger die Menschen, umso bedeutender das Reisen. In der Tat konnte man in den vergangenen Jahren den Eindruck gewinnen, dass das Reisen zu dem Statussymbol und Sinnstifter schlechthin geworden ist. Gefühlt musste jeder auch einmal nach Bali und New York.

Wäre nun die Zeit, den Billigflieger-Hedonismus zu hinterfragen, die hektischen Wochenendtrips nach London, Rom oder Barcelona? Der Experte ist skeptisch: «Das ist die Wunschvorstellung, aber ich glaube, sie wird so nicht funktionieren. Wir haben uns zu sehr daran gewöhnt, dass wir immer wegkönnen.» Die Tourismusindustrie sei gleichzeitig Langweile-Verhinderer und Langweile-Produzent. Wie das? «Weil man abhängig wird», sagt Opaschowski.

Angenehme Ruhe hat ein Verfallsdatum

Aber ist es nicht auch mal schön, das Zuhause zu genießen? Es kommt wohl darauf an, wie lange der Reisestopp andauern wird. «Das eigene Haus kann noch so schön gestaltet sein, irgendwann muss man einfach raus», schätzt Opaschowski. «Da ist dieses Bedürfnis: raus aus dem Alltag, raus den Gewohnheiten, den Terminen und der Routine.» Der Mensch brauche einfach den Kontrast zum Alltag. 

Opaschowski glaubt auch nicht daran, dass die verordnete Ruhe, die nun ins Leben einkehrt, auf Dauer wirklich gut tut. Er vergleicht das mit der Sehnsucht nach dem Ruhestand. «Es gibt viele, die sich darauf freuen, wenn das Arbeitsleben zu Ende ist. Die freuen sich riesig darauf, mal die Wohnung aufzuräumen. Aber das hält dann nicht ewig an», glaubt der Zukunftsforscher. 

Natürlich sei jede Form von Langeweile eine Chance, zu sich zu kommen. «Man kann das vorübergehend auch genießen. Aber der Mensch ist ein tätiges Wesen, er muss etwas um die Ohren haben», sagt Opaschowski. Der Kreislauf sei folgender: Die Unrast, etwas tun zu müssen, führt zu Stress. Und so sehnt man sich nach Ruhe. Wenn die dann aber da ist, kann man sie auf Dauer nicht ertragen.

Die nächste Reise kommt bestimmt

Bis die Corona-Pandemie überstanden ist, bleibt uns nichts zu tun, außer Pläne zu schmieden - und von Reisen in der Zukunft zu träumen. Vorfreude ist ja auch eine Form von Glück.  

Wird sich das Reisen durch die Krise dauerhaft verändern? Daran glaubt Opaschowski nicht: «Ich habe die Ölkrise, Tschernobyl, den Golfkrieg 1991 und die Anschläge vom 11. September erlebt», erzählt der Forscher. «Immer hieß es: Nichts wird mehr so sein, wie es war. Aber das hat nie gestimmt.»

(dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Neue Zahlen zum Flugsommer 2025: Während die internationalen Passagierzahlen steigen, setzen die Inlandsflüge ihren Rückgang fort. Das beliebteste europäische Reiseziel verzeichnet leichte Zuwächse gegenüber dem Vor-Corona-Niveau, während andere Mittelmeerstaaten starke Sprünge machen.

Der internationale Tourismus verzeichnete in den ersten neun Monaten 2025 ein robustes Wachstum mit über 1,1 Milliarden internationalen Ankünften. Die aktuelle Analyse der UN Tourismus zeigt eine weiterhin starke Reisenachfrage trotz anhaltender Inflation und geopolitischer Spannungen. Insbesondere Regionen in Afrika und Asien meldeten signifikante Zuwächse.

Übernachtungsrekorde in Österreich zeigen eine positive Entwicklung hin zur Ganzjahresdestination. Gleichzeitig stehen die Betriebe aufgrund steigender Kosten und geringer Margen wirtschaftlich unter Druck.

Knapp 2.000 Veranstaltungen, mehr als zwei Millionen Gäste: Ein Jahr lang war Chemnitz Kulturhauptstadt Europas. Kulturstaatsminister Weimer lobt eine kreative Aufbruchstimmung in der Stadt.

Ein verlangsamtes Wirtschaftswachstum, steigende Risiken und strategische Herausforderungen im Flugverkehr bestimmen die Agenda für das kommende Jahr. Unternehmen setzen verstärkt auf Datenanalyse. So sagt es der Travel Market Report 2026 von BCD.

Der eigene Hund wird immer häufiger zum ausschlaggebenden Faktor bei der Wahl des Reiseziels und der Unterkunft. Eine aktuelle Umfrage ergab, dass rund 43 Prozent der deutschen Hundebesitzer gezielt Destinationen auswählen, die besonders hundefreundlich sind.

Eine Analyse des Reiseveranstalters Fit Reisen hat die beliebtesten europäischen Inseln für die Wintersaison basierend auf der Social-Media-Aktivität ermittelt. Im Fokus standen 471 europäische Inseln, darunter 84 deutsche.

Neben Kur- und Erholungsorten sollen in Schleswig-Holstein künftig auch anerkannte Tourismusorte Kurabgaben erheben können. Was das für den nächsten Trip bedeutet und welche Orte künftig mitkassieren dürfen.

Das Stadtmagazin „Time Out“ hat das Maybachufer in Berlin-Neukölln in seinem diesjährigen Ranking als eine der coolsten Straßen der Welt eingestuft. Die Uferstraße am Landwehrkanal erreichte weltweit den siebten Platz. Im europaweiten Vergleich positionierte sich das Maybachufer auf Platz 2, direkt hinter der Rua do Bonjardim in Porto (Portugal).

Während die Stimmung in der deutschen Wirtschaft insgesamt im November unerwartet nachgab, verzeichnete der Tourismus eine deutliche Stimmungsaufhellung. Die Branche stach positiv aus dem sinkenden ifo Geschäftsklimaindex hervor, der im Berichtsmonat auf 88,1 Punkte fiel.