Die Currywurst wird 70 - Eine Frage der Soße

| Gastronomie Gastronomie

Von Caroline Bock, dpa

Angeblich ist sie eine Berliner Erfindung. Andere sagen Ruhrgebiet. Die Currywurst wird 70 Jahre alt. Wird sie heute nur noch von Touristen und Rentnern gegessen? Eine Wurst-Recherche in Ost und West.

Sie ist so deutsch wie Mülltrennen, die Bundesliga und «Mahlzeit»-Sagen. Die Currywurst wird 70 Jahre alt. Genauer gesagt: Die Legende der Erfindung hat Geburtstag. Am 4. September 1949 soll die Ostpreußin Herta Heuwer in Berlin das erste Mal eine Soße aus Tomatenmark, Worcestershiresoße, Currypulver und anderen Gewürzen zusammengerührt und über eine gebratene und klein geschnittene Brühwurst gegossen haben. Das alles angeblich, weil sie Langeweile hatte.

Zehn Jahre später ließ sich Heuwer die Currywurst-Soße als Patent schützen. «Ich habe das Patent – und damit basta. Wer etwas anderes behauptet, der hat einen Stich», soll die 1999 verstorbene Imbissbesitzerin dazu gesagt haben. Die Legende hat Konkurrenz. Uwe Timm beschreibt in seiner Novelle «Die Entdeckung der Currywurst», wie die Hamburgerin Lena Brückner auf der Treppe stürzt. In der einen Hand hat sie Curry, in der anderen Ketchup - fertig ist die Soße.

Neuerdings soll die Wurst sogar eine Erfindung aus Niedersachsen sein. So sieht es jedenfalls Alexander Fürst zu Schaumburg-Lippe aus Bückeburg bei Hannover. Geburtsort der Currywurst sei nachweislich seine Schlossküche, behauptete er. Ein Küchenmeister soll dort nach dem Krieg für Offiziere der britischen Rheinarmee aus Aprikosenmarmelade, Tomatenketchup, Curry und Salz eine Soße bereitet haben - und das schon 1946. Auch im Ruhrgebiet gibt es Leute, die dort Belege für die Frühzeit der Currywurst gefunden haben wollen.

In der Wurst-Hauptstadt Berlin sind «Curry 36» im alten Westen und «Konnopke's» im Osten die bekanntesten Adressen. Um die Mittagszeit stehen dort die Leute Schlange. Nach wie vor beliebt: Einmal «Curry» mit Pommes rot-weiß, gerne mit Cola. Die Kakao-Flaschen, die neben dem Grill stehen, werden gerne von Bauarbeitern bestellt, wie Lazo Vujinovic (35) von «Curry 36» in Kreuzberg erzählt. Er glaubt natürlich, dass die Currywurst eine Berliner Erfindung ist. «Es wäre ja traurig, wenn ich das nicht täte.» Was eine gute Soße ausmacht? «Sie enthält viel Tomate und wenig andere Zusatzstoffe.»

Geöffnet ist «Curry 36» bis 5.00 Uhr morgens, fast immer sieht man dort Menschentrauben. Der 1980 gegründete Imbiss ist, so wirbt seine Homepage, «praktisch ein Weltkulturerbe». Tom Hanks soll auch schon da gewesen sein. An einem der Stehtische essen gerade Studentinnen aus Paris Pommes und in Soße schwimmende Würste. Eigentlich eine komische Vorstellung, dass das deutsches Kulturgut sein soll. «Ich mag keine Wurst, aber die hier mag ich», sagt eine der Französinnen. Die Kalorien sind ihnen gerade mal egal.

Ist die Wurst nur was für Touristen und Rentner? «Das ist Quatsch», sagt Lazo Vujinovic. Wer die Wurst isst? «Alle.» Ähnlich bunt beschreibt Dagmar Konnopke (53) ihre Gästemischung. Sie reicht demnach vom Arbeiter bis zum Schlipsträger. Ihr Imbiss, ein Familienunternehmen in vierter Generation, liegt unter dem U-Bahn-Viadukt an der Eberswalder Straße im Prenzlauer Berg. Nicht gerade lauschig, aber genau das mögen die Leute. Zu DDR-Zeiten war es eine Arbeitergegend. Heute kommen Studenten, Gutverdiener und Busse mit Touristen.

Auch in Zeiten von Bio, Öko und veganer Wurst: Das Geschäft mit dem Fleisch geht weiter. «Der Großteil isst den Klassiker», sagt Dagmar Konnopke. Was die Rezepte angeht, da lächelt sie. «Das möchten immer alle wissen.» In der Pappschale landet eine Wurst aus Schweinefleisch mit Gewürzen samt Ketchup aus Werder in Brandenburg. Viel mehr lässt sie sich nicht entlocken. Familiengeheimnis.

Nach Schätzungen sollen die Deutschen jedes Jahr 800 Millionen pro Jahr verputzen. Wenn keine Pommes dazu serviert werden, legen laut einem Fachartikel der «Fleischwirtschaft» 80 Prozent der Kunden Wert auf ein Brötchen. Die halbe Toastscheibe fällt durch. Regelmäßig wird die Currywurst zum beliebtesten Kantinenessen gekürt. In Neuwied in Rheinland-Pfalz gibt es ein eigenes Festival, für Leute, die «Highway to Hell»-Soße oder eine Rote-Bete-Himbeer-Zugabe mögen.

Im Kölner «Tatort» kehren Klaus J. Behrendt (alias Max Ballauf) und Dietmar Bär (alias Freddy Schenk) immer wieder an eine Bude am Rhein zurück. Die «Wurstbraterei» ist keine Kulisse, sie gibt es wirklich. Wurst-Folklore bietet Deutschland also reichlich.

Zum Jubiläum können die Radiosender wieder das Lied zur Wurst von Herbert Grönemeyer heraussuchen - «Wat schönret gibt et nich als wie Currywurst», heißt es darin. Grönemeyer selbst entscheidet sich vor die Wahl gestellt lieber für die Bulette, wie er dem RBB sagte. «Ich mag keine Currywurst.» Das mussten seine Fans auch erstmal verdauen.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Eine aktuelle Umfrage von Lightspeed zeigt: Weihnachtsfeiern in der Gastronomie bleiben in Deutschland beliebt. Doch angesichts eines engen Budgetgürtels und hoher Preissensibilität müssen sich Restaurants etwas einfallen lassen. Neben gutem Essen und Service wünschen sich die Gäste nämlich vor allem maximale Planbarkeit.

Kloster Eberbach startet ein neues Kapitel seiner Gastronomie. Die Stiftung hat die Bewirtung der Klosterschänke selbst übernommen und eröffnet das Lokal am 16. November 2025 mit einem neuen Konzept. Unter der Leitung von Rosa Roccaro, einer Gastronomin mit sizilianischen Wurzeln, soll ein Ort entstehen, der Kulinarik und Kultur verbindet.

In der Grand Hall Zollverein in Essen fand am 17. November 2025 das große Doppelfinale zur 10. Auflage des Live-Wettbewerbs "Koch des Jahres" statt. Dies stellte einen historischen Moment dar, da die Finalisten von "Koch des Jahres" und "Patissier des Jahres" erstmals gleichzeitig antraten. Die Wettbewerbe wurden vor 1.200 Fachbesuchern und Medienvertretern ausgetragen.

Das Hotel Louis C. Jacob an der Hamburger Elbchaussee veranstaltete erneut seine Big-Bottle-Küchenparty. Im Fokus standen in diesem Jahr die ehemaligen Wegbegleiter von Küchenchef Thomas Martin.

Die Hauptstadt hat ihre gastronomischen Aushängeschilder für das Jahr 2025 gekürt. Bei der Ehrung der Berliner Meisterköche 2025 wurden herausragende Persönlichkeiten und Konzepte ausgezeichnet. Der Hauptpreis, die Auszeichnung „Berliner Meisterkoch 2025“, ging an Nicholas Hahn vom Cookies Cream, dem ersten vegetarischen Sternerestaurant Berlins.

Nach fast 50 Jahren an der Spitze der Düsseldorfer Spitzengastronomie endet die Ära des Sterne-Restaurants „Im Schiffchen“. Küchenchef Jean-Claude Bourgueil (78) reduziert sein Engagement. Das Gasthaus wurde an einen Käufer übergeben, bei dem Bourgueil künftig angestellt sein wird. „Im Schiffchen“ soll zukünftig kein Sternerestaurant mehr sein“, so Bourgueil.

Am Samstag wurde in Konstanz der Leaders Club Award 2025 verliehen. Die Senns.Bar&Foodlounge aus Salzburg gewann die Goldene Palme, die Kneipe 80 und das Bergson Kunstkraftwerk, beide aus München, erhielten Silber beziehungsweise Bronze.

Die Non-Profit-Initiative Greentable e.V. hat einen neuen Leitfaden präsentiert, der Gastronomiebetrieben konkrete Hilfestellung bei der Umsetzung von Nachhaltigkeit bietet. Die Publikation mit dem Titel „Genuss mit Verantwortung – 12 Ziele für eine nachhaltige Gastronomie“ zeigen, wie nachhaltiges Handeln im Betriebsalltag verankert werden kann.

In Berlin startet heute die Cocktail Week. Drei Barkeeper und eine Barkeeperin sprechen über aktuelle Trends und warum der Aperol Spritz ein Dauerbrenner ist.

Die China-Restaurant-Kette XIAO hat einen neuen Standort in Hürth, nahe Köln, eröffnet. Das Restaurant erstreckt sich über zwei Etagen und verfügt über knapp 400 Sitzplätze im Innenbereich.