Nein, er hätte es sich nicht denken können, dass es ihn als gebürtigen Bayer einmal nach Hamburg verschlagen würde. Und lange Zeit deutete auch nichts auf ein Leben an der Elbe hin. Schon eher, dass er einmal Koch werden würde, denn das stand sehr früh fest. Dabei: Diesen Wunsch sahen seine Eltern eher mit Skepsis. Vor allem, da sie merkten, dass es dem Sohn tatsächlich ernst war.
Felix Dietz ist ein Koch aus Leidenschaft. Und das sollte an dieser Stelle hervorgehoben werden. Denn sein Wunsch, einmal Koch zu werden, hat er nicht nur wahr werden lassen, er selbst hat ihn im Laufe der Zeit veredelt, indem er die Liebe zu seinem Beruf mit der Liebe seines Lebens vermählt hat. Wie sonst könnte man als Bayer, der in Österreich seine kulinarische Sozialisation erfahren hat, an der Elbe heimisch und ein Experte in Sachen Fisch und Meeresfrüchte werden?
Dabei fing alles so unscheinbar an. Gerne schaute er der Mutter beim Kochen zu und konnte sich damals das Wunder nicht erklären, wie aus geschmacklosem körnigen Gries auf dem Herd in kurzer Zeit ein herrlicher Nachtisch werden kann. Gerade, da er das Mysterium nur schmeckend genießen, nicht aber rational erklären konnte, wuchs die Idee, diesem Geheimnis professionell auf die Spur zu kommen. Der Wunsch, Koch zu werden, war geboren. Und das kam nicht ganz von ungefähr. Immerhin gab es mit Erwin Dietz schon einen Onkel in der Familie, der für seine Arbeit im „Erbprinz“ mit einem Stern ausgezeichnet wurde. Doch die Eltern bestehen auf einen Schulabschluss. Um den eigenen Wunsch mit den elterlichen Anforderungen zu versöhnen, geht es mit 14 Jahren nach Salzburg auf die höhere Lehranstalt für Tourismus. Hier kann man die Matura – wie das Abitur in Österreich genannt wird – ablegen und schulbegleitend die Ausbildung zum Koch absolvieren.
Geschmackvolle Kontraste
Erste Station macht er bei Gerhard Brugger. Eine Erfahrung, von der er heute sagt, dass sie ihn entscheidend geprägt hat. „Gerhard war immer fair, nie arrogant, sehr menschlich, das hat mich als junger Koch geprägt und das konnte ich von ihm mitnehmen.“ Dann geht es zu Heinz Hanner ins „Mayerling“ und Dietz erlebt hier das Kontrastprogramm zum bodenständig besternten Wirtshaus: Avantgarde-Küche im Wienerwald. Eine Zeit, in der seine kulinarisch kreative Ader derart gefördert wird, dass er schon bald eine neue Herausforderung sucht. Er findet sie bei einem der besten seines Fachs und wechselt zu Joachim Wissler ins „Vendôme“ nach Bergisch-Gladbach. Hier arbeitet Felix als Gardemanger und als Poissonnier. Es wird eine intensive Zeit. Denn jenseits des fachlichen Könnens wird hier – wie beim professionell betriebenen Hochleistungssport - die Leidenschaft gefördert, die man beständig abrufen muss, um jeden Tag ein wenig besser werden zu können: Die Küche im Vendôme misst in diesen Jahren die kulinarischen Grenzen neu aus und entwickelt dabei die Fähigkeiten und das Können jedes Teammitglieds unter Höchstleistung weiter. So verfestigt sich beim jungen Koch ein außergewöhnlich hohes Niveau an Kochwissen. Heute bildet es das Fundament, um alle kulinarischen Herausforderungen genussvoll meistern zu können.
Hamburg – eine Liebesentscheidung
Von Bergisch-Gladbach geht es nach Edingen, in den Südwesten an den Kaiserstuhl ins Restaurant von JRE Mitglied Thomas Merkle, wo er als Sous-Chef verantwortlich zeichnet und seine zukünftige Frau Franziska kennenlernt.
„Ich war nie der Wettbewerbsmensch und nicht so der Vereinigungstyp. Das war also nichts, wo ich hinwollte. Aber ich habe dann durch meinen Chef Thomas gemerkt, dass die Vereinigung der JRE sich durch viele positive Aspekte auszeichnet: Direkt beeindruckt hat mich das freundschaftliche Miteinander unter den Kolleginnen und Kollegen. Man tauscht sich auf Augenhöhe aus, erläutert praktische Lösungsansätze für Probleme der Branche und hilft sich vorbehaltlos. Hier habe ich gemerkt, wie wertvoll dieser Austausch ist.“ Und zum ersten Mal ist der nächste Schritt der Wanderjahre nicht von der Karriere, sondern von der Liebe vorgezeichnet: „Franzi wollte unbedingt in Hamburg wohnen, sie war fasziniert von der Stadt, also haben wir uns gemeinsam auf den Weg gemacht – für mich das erste Mal, ohne dass ich wusste, in welcher Küche ich in Zukunft arbeiten werde. Und so kam ich zu meinem ersten Engagement im „Rive“.“
Doch der Elan des jungen Küchenchefs, der notwendige Veränderungen voranbringen möchte, um der Küche des Hauses mehr Geltung zu verschaffen, verträgt sich nicht mit der Veränderungsresistenz des älteren Eigentümerpaares, das gedanklich schon seinen Ruhestand plant. Nach einer kurzen Findungsphase tritt allerdings Alexander Tschebull in sein Leben. „Er hat mich angerufen, da er sich mit dem Gedanken getragen hat, das Restaurant zu übernehmen, also lud er mich ein, um mal auf ein Schnitzel bei ihm vorbeizukommen. Die Unterhaltung war großartig, aber, wenn ich so darüber nachdenke: Das Schnitzel habe ich bis heute noch nicht bekommen – dafür aber jede Menge andere Dinge. Vor dem Gespräch kannten wir uns gar nicht. Aber schnell ist uns klar geworden, dass ich nicht nur eine Menge für dieses außergewöhnliche Restaurant und seine großartigen Mitarbeitenden übrighabe, sondern es auch im Herzen trage.“
Noch in diesem Gespräch, merken die Gesprächspartner, dass sie sich gegenseitig gut ergänzen und gemeinsam sicherlich gut an einem Strang ziehen können. So wird der Entschluss gefasst, das „Rive“ gemeinsam auf ein neues Niveau zu heben. Und nun ist der Weg frei, um das Restaurant neu zu gestalten und der Karte neuen Schwung zu geben. „Alex gibt mir die Freiheit, die ich brauche, um meine Kreativität entfalten zu können. Ich spüre sein Vertrauen und das kommt mir nicht nur entgegen, ich genieße jeden Moment und das nun schon seit Jahren. Hier habe ich die Freiheit, am Limit abschmecken zu können, mit aromatischen Gegensätzen und Harmonien zu arbeiten. Wir haben zehn Nationen in unserem Team; den Hamburger Hafen vor der Haustür, also liegt der Schwerpunkt bei uns natürlich auf Fisch und Meeresfrüchten. Regionale Zutaten kombiniert mit internationalen Einflüssen sind unsere Handschrift. Da bereiten wir ein Ceviche eben ganz auf unsere Art zu: Frisch, lecker, fein und vollmundig.“
Es stimmt, Felix hat seinen Heimathafen gefunden, im „Rive“ und in Hamburg.