Mathias Schilling - Land- und Gastwirt auf drei Inseln mit 800-jährigem Erbe

| Gastronomie Gastronomie

Täglich auf drei Inseln zu arbeiten, trägt laut Mathias Schilling auch zur Entschleunigung bei. «Jetzt kommt die Viertelstunde Ruhe am Tag», sagt der 43-Jährige, während er sein 225-PS-starkes Boot von Rügen Richtung Hiddensee lenkt. Für einen Landwirt verbringt Schilling viel Zeit auf dem Wasser – kein Wunder: Seit rund 800 Jahren gehört seiner Familie die Privatinsel Öhe. Sie liegt zwischen Rügen und Hiddensee, ist rund 75 Hektar groß - im Sommer leben dort mehr Rinder als Menschen.

Von hier aus haben Schilling und seine Frau in den vergangenen Jahren die umliegende Küste erobert und sind von Landwirten auch zu Gastwirten geworden. In Restaurants, Imbissen und Hofläden auf Hiddensee und Rügen verkaufen sie unter anderem das Fleisch ihrer Rinder. Die Tiere grasen im Sommer auf der Öhe sowie auf den Nachbarinseln.

Er habe Spaß am Machen, Schilling. Es gibt aber auch handfeste, wirtschaftliche Motive. Von Rügen aus gesehen, wirke die Privatinsel zwar romantisch, aber: «Wenn Du nicht weißt, wie Du das alles bezahlen sollst, dann kann es noch so romantisch sein.» Sein Urgroßvater habe die Insel auch als Danaergeschenk bezeichnet, also ein Geschenk mit Nachteilen. Für den gelernten Hotelfachmann und Vater zweier Töchter ist die Insel auch eine Verpflichtung.

 

Vater geflohen, Großmutter behütete die Insel

Schillings Großmutter lebte 25 Jahre allein auf der Öhe und schützte sie vor dem Zugriff der DDR-Verwaltung, die die Familie mit Abgaben belastete. «Sie hat die Insel für die Familie über den Sozialismus getragen.» Schilling selbst ist in Schleswig-Holstein aufgewachsen, verbrachte seine Ferien aber schon zu DDR-Zeiten auf der Insel. Sein Vater war mit einem Faltboot in den Westen geflohen, weil er in der DDR nicht Medizin studieren durfte. Nach der Wende kam er zurück und begann, die Öhe landwirtschaftlich zu nutzen.

Passend zur Region gehört auch Fisch zu Schillings Repertoire. Vor fast zehn Jahren gründeten sie zusammen mit Fischern der Insel Hiddensee den Verein Hiddenseer Kutterfisch, um den regionalen Hering als Feinkost zu vermarkten. Die Stralsunder Fischmanufaktur Rasmus samt Laden betreiben die Schillings seit 2021 und verkaufen hier etwa Bismarckhering, für den Stralsund als Geburtsort gilt. Den Fisch von Rasmus - damals noch unter anderer Führung - ließen sich schon die Ex-Präsidenten George W. Bush und Francois Hollande schmecken, der Grund: hier lag der Wahlkreis der Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel.

Die Familie Schächtele vom anderen Ende Deutschlands bringt nach eigener Aussage regelmäßig Fischdosen von Hiddenseer Kutterfisch aus dem Urlaub mit. Sie habe ein gutes Gefühl bei den Produkten, sagt Gabriele Schächtele. «Weil wir wissen, die Sachen sind von hier.» Gerade sitzt die Familie aus Freiburg auf der Terrasse von Schillings skandinavischem Bäcker auf Hiddensee. «War lecker», so das Fazit. Ihren Mann, Traugott, der regelmäßig als Kurpastor auf die Insel kommt, freut nach eigener Aussage, dass es auf Hiddensee nicht nur «Fisch mit Bratkartoffeln» gibt.

Gestiegene Kosten - «kämpfen wie die Blöden»

Lange, regionale Wertschöpfungsketten, Direktvermarktung - das klingt nachhaltig. Wirtschaftlich ist es laut Schilling mitunter schwierig. Unter anderem gestiegene Personal- und Energiekosten hätten dazu geführt, dass er im vergangenen Jahr eine Nullrunde gemacht habe. In der Gastronomie ließen sich höhere Kosten kaum an die Gäste weitergeben – die Margen seien gering. «Wir kämpfen wie die Blöden.» Zudem funktionierten solche Konzepte nur, wenn es vor Ort auch noch produzierendes Gewerbe gebe, etwa zur Fischverarbeitung. Doch auch das stehe wegen der Kosten unter Druck. 

Einen Betriebsleiterposten habe Schilling wieder abgeschafft, weil er sich nicht rechne. Die Aufgaben übernimmt er wieder selbst und das bei vier Restaurants, einem Bäcker, einem Café, mehreren Läden und etwa 300 Rindern. Etwa 40 Menschen beschäftige er während der Hochsaison. Die wahren Urlaubsmacher und -macherinnen seien inzwischen seine ausländischen Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die mehr als die Hälfte seiner Belegschaft ausmachten. Sie kämen vor allem aus Rumänien, Kirgistan, aber auch Polen. 

Mitarbeiter aus dem Ausland dringend gebraucht

Der Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) in Mecklenburg-Vorpommern bestätigt die Bedeutung ausländischer Arbeitskräfte. «Ohne ausländische Arbeitskräfte würde es schon gar nicht mehr funktionieren, aber das seit Jahren auch schon nicht», sagt Präsident Lars Schwarz. «Wir sind die internationalste Branche, die es gibt.» In MV beschäftige die Branche mittlerweile mehr als 1.000 Auszubildende aus dem Ausland jenseits der EU. Schon allein wegen des Geburtenknicks und einer sinkenden Anzahl von Schulabgängern sei man auf Verstärkung angewiesen. Die Unsicherheit während der Corona-Pandemie und die Abwanderung von Arbeitskräften habe den Bedarf noch verstärkt. «Wir sind eben auch besonders personalintensiv.» Arbeitskräfte ließen sich kaum «wegdigitalisieren».

Ähnlich klingt es auch am anderen Ende der deutschen Küste. In der ostfriesischen Urlaubsregion sei der Bedarf an Saisonkräften ohne ausländische Unterstützung nicht zu decken, teilte die Regionalstelle der Agentur für Arbeit Emden-Leer mit.

Das belegen auch Zahlen aus der Statistik der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten im ostfriesischen Gastgewerbe. Der Anteil ausländischer Beschäftigter stieg demnach in den vergangenen Jahren kontinuierlich an - von rund 23 Prozent 2014 auf mehr als 36 Prozent 2024. Sie arbeiten auf Campingplätzen, in Restaurants und Imbissbuden oder in Hotels und Pensionen. Vor allem auf den ostfriesischen Inseln ist der Anteil ausländischer Beschäftigte hoch. Auf Baltrum, Juist, Norderney, Borkum und Langeoog stammte der Statistik zufolge 2024 etwa jeder zweite Angestellte im Gastgewerbe aus dem Ausland. 

Zurück an die Ostsee: Sieht Schilling bei all der Arbeit eigentlich noch die Idylle der Urlaubsregion? «Na klar, muss man ja versuchen, zu sehen. Also wenn man früher nach Hiddensee gefahren ist und Freizeit hatte, war das natürlich schöner. Aber seine eigene Heimat mitzugestalten, ist ja auch schön.» Und dann verweist er wieder auf die Augenblicke auf dem Wasser. «Die sind natürlich auch wie Kurzurlaub.» (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Jubiläumssaison des WinterVarieté by Tristan Brandt in Heidelberg startete mit Standing Ovations. Die Spielzeit wurde bis Januar 2026 verlängert. Das Format kombiniert internationale Akrobatik-Darbietungen mit einem 3-Gänge-Menü.

Kochroboter halten in Supermärkten, Krankenhäusern und Kasernen Einzug. Was die Start-ups Circus Group und Goodbytz antreibt - und wie Verbände und Arbeitnehmervertreter reagieren.

​​​​​​​Das Restaurant Sühring, mit seiner Fine-Dining-Interpretation der deutschen Küche, erhält drei Michelin-Sterne. Das Lokal der Berliner Zwillingsköche Thomas und Mathias Sühring ist damit nach dem Sorn das zweite Restaurant in Thailand, das diese Top-Auszeichnung führen kann.

Das Fast-Casual-Konzept Ciao Bella erweitert seine Präsenz in München. Am 12. Dezember 2025 eröffnet der italienische Anbieter einen neuen Flagship-Standort im Tal 16. Das Restaurant soll nach Angaben des Unternehmens das weiterentwickelte Markenerlebnis der kommenden Jahre erstmals in dieser prägnanten Form präsentieren.

Das Gourmetrestaurant Ötztaler Stube im Fünf-Sterne-Hotel Das Central in Sölden startet zur Wintersaison 2025/26 mit einem renovierten Interieur. Das Küchenteam steht weiterhin unter der Leitung von Stefan Speiser.

L’Osteria ist mit der Eröffnung ihres ersten Restaurants in Ravensburg an den Start gegangen. Der Standort befindet sich in der Altstadt und richtet sich an ein breites Publikum aus Passanten, Familien, Freundesgruppen und Geschäftsleuten.

Der neue Veranstaltungsort [UNVRS] wurde bei der 10. Golden Moon Awards Gala in Valencia überraschend zum „World's Best Club 2025“ gekürt und sicherte sich damit auf Anhieb die Spitze der renommierten Liste „The World's 100 Best Clubs™ 2025“. Bootshaus aus Köln-Deutz, verteidigte seinen vierten Platz erfolgreich.

Die Sanierung der veganen Fastfood-Kette Swing Kitchen ist gescheitert. Nachdem die Gläubiger noch einem Sanierungsplan für die Muttergesellschaft zugestimmt hatten, konnte die zur Fortführung nötige Finanzierung nicht gesichert werden. Von dem Scheitern sind 130 Mitarbeitende an allen sieben Standorten in Österreich betroffen.

Die US-Systemgastronomiekette Five Guys steht in Deutschland vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Im siebten Jahr nach Markteintritt weist die deutsche Tochtergesellschaft Five Guys Germany GmbH erneut ein Millionenminus aus. Dies geht aus dem jüngst veröffentlichten Geschäftsbericht für das Jahr 2023 hervor, über den zuerst die Rheinische Post berichtete.

Der fränkische Winzer und Sternekoch Christian Stahl verzeichnet gleich mehrere renommierte Auszeichnungen und steigt im aktuellen HENRIS Weinguide mit vier Trauben in die nationale Spitze der deutschen Weingüter auf.