Mit dem Elbdampfer auf Azubi-Suche

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Sommer, Sonne und endlich Lockerungen nach monatelangem Corona-Lockdown: Hotels dürfen wieder Übernachtungsgäste empfangen, Restaurants und Cafés Besucher bewirten. Und dennoch ist die Laune in der Branche getrübt. Ausgerechnet zu Beginn der Hochsaison hat das Gastgewerbe vielerorts mit Personal-Schwund zu kämpfen - von der Elbe bis zum Rhein. Deutschlandweit haben im vergangenen Jahr rund 275 000 Hotel- und Gastro-Mitarbeiter ihrer Branche den Rücken gekehrt - das ist jeder sechste Beschäftigte. Die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) macht dafür Einkommenseinbußen durch Kurzarbeit und unklare Perspektiven in der Corona-Krise verantwortlich. Viele haben sich inzwischen nach neuen Jobs umgeschaut.

Die Gewerkschaft beruft sich auf Zahlen der Arbeitsagentur und hat die Zahl der Beschäftigten zum Jahreswechsel 2020/21 und mit dem Vorjahreszeitpunkt verglichen - vor Ausbruch der Corona-Pandemie. Allein in Sachsen haben demnach rund 9000 Köche, Servicekräfte und Restaurantmitarbeiter den Job gewechselt, in Sachsen-Anhalt waren es 4300 und etwa ebenso viele in Thüringen. «Besonders Köche und qualifiziertes Servicepersonal fehlen beim Neustart. Aber auch die Saisonarbeitskräfte aus dem Ausland und die studentischen Hilfskräfte sind noch nicht alle wieder zurück», sagt Ingrid Hartges, Hauptgeschäftsführerin des Dehoga-Bundesverbandes.

Für die Betriebe ist das Werben um Nachwuchs damit wichtiger denn je. Nach der Corona-Krise kein leichtes Unterfangen, weiß Thomas Pfenniger, DEHOGA-Regionalleiter für das Gebiet Sächsische Schweiz. Die Gegend, wo sich die Elbe durch das Elbsandsteingebirge Richtung Tschechien schlängelt, gilt als Touristenmagnet. Hotels, Pensionen und Restaurants - alle sind auf Fachkräfte angewiesen. «Wir haben als erste zu und als letzte aufgemacht», sagt Pfenniger. Viele Eltern sind skeptisch, ob eine Ausbildung in der Branche das Richtige für ihr Kind ist. Das zeigt auch ein Blick auf die abgeschlossenen Ausbildungsverträge in Hotellerie und Gastronomie. Laut Bundesinstitut für Berufsbildung ist deren Zahl zum Stichtag 30. September 2020 bundesweit um fast 25 Prozent gefallen.

Mit einem besonderen Projekt wirbt der DEHOGA in Sachsen für Azubis: Schülerinnen und Schüler werden auf einen zweitägigen Dampfer-Ausflug eingeladen. An Bord gibt es nicht nur einen Blick hinter die Kulissen - das Schiff macht auch Halt an verschiedenen Hotels zwischen Rathen und Bad Schandau. Dort können sich die Jugendlichen im Bettenmachen, Kochen von Drei-Gänge-Menüs und im Mixen von Cocktails üben. «Die Branche ist enorm vielfältig. Wenn man einen Beruf erlernt hat, steht einem das Tor zur Welt offen», sagt Pfenniger. Wer einmal reinschnuppere, fange oft Feuer.

Schon seit einigen Jahren setzt der Verband auf das Dampferprojekt. In diesem Jahr sind 16 Mädchen und elf Jungen an Bord. Sie quetschen sich - bekleidet mit weißem Shirt und Gastro-Schürze - unter Deck in die Kombüse von Schiffsköchin Dominique Gläser, wollen wissen, wie ihr Alltag aussieht. Der 15-jährige Tobias lauscht aufmerksam. Koch, sagt er, ist sein Traumberuf. Zu Haus kocht er gern mit seinem Papa. «Das Kochen, der Umgang mit den Zutaten, das macht mir Spaß.»

Kurz darauf legt der «Azubi-Dampfer» in Bad Schandau an. Die Gruppe wird auf verschiedene Hotels verteilt - einige Jugendliche marschieren zu Fuß an der Elbe entlang zum «Parkhotel Bad Schandau». Hoteldirektorin Kerstin Meve-Garreis hat sich eine besondere Aufgabe einfallen lassen: Bettenmachen mit der Stoppuhr. Zwei Teams treten im Hotelzimmer gegeneinander an - Kissen beziehen, Decke einschlagen. «Ich mache das zu Hause auch, aber nicht mit solchen Bezügen», sagt die 16-jährige Leony. Zusammen mit Luca schafft sie es, das Bett in sieben Minuten zu beziehen. Hier und da haben sich Falten eingeschlichen. «Das war gar nicht so leicht», lautet ihr Fazit.

Weiter geht es in die Küche - ihr Essen kochen sich die Jugendlichen an diesem Tag unter fachkundiger Anleitung selbst. «Ich wollte mal in verschiedene Hotels schnuppern, ob das was für mich ist», sagt Leony. Hotelfachfrau will sie später einmal werden.

Auch anderswo lässt sich die Branche einiges einfallen: In Mecklenburg-Vorpommern gibt es die Kampagne «Gastro Burner – Fang Feuer und check ein». «Wir fahren mit einem jungen Team aus Köchen oder Beratern im Food-Truck zu Schulen und Ausbildungsmessen», sagt DEHOGA-Landespräsident Lars Schwarz. Dort könnten die jungen Leute Gemüse putzen, Hähnchen filetieren - und Fragen stellen. Inzwischen gibt es auch 3D-Brillen, mit denen die künftigen Azubis virtuell durch ein Hotel, eine Küche oder ein Restaurant gehen können.

In Sachsen-Anhalt wird auch um Azubis aus Vietnam geworben - in den vergangenen drei Jahren wurden so mehr als 300 Lehrlinge gewonnen. Ein Tropfen auf den heißen Stein: «Wer die Pandemie überlebt hat, hat mit dem Fachkräftemangel das nächste Problem vor der Tür», sagt der Präsident des Dehoga Sachsen-Anhalt, Michael Schmidt. Werbung allein reicht nicht, ist die Gewerkschaft NGG überzeugt. Wer künftig noch Fachkräfte gewinnen wolle, müsse sich zu armutsfesten Löhnen und besseren Arbeitsbedingungen bekennen, so NGG-Vorsitzender Guido Zeitler. Wirte und Hoteliers hätten nun die Chance, die Branche neu aufzustellen.

(Mit Material der dpa)


 

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