Vegane Weißwurst und Seitangulasch: Die Wiesn wird fleischloser

| Gastronomie Gastronomie

Ganze Ochsen, Hunderttausende Hendl und lange Würste: Das Münchner Oktoberfest gilt als Schlaraffenland für Fleischesser. Aber die Zeiten ändern sich - und die Speisekarten auch. Das schmeckt nicht allen. Für die Kabarettistin Monika Gruber schmeckt eine vegane Weißwurst wie „Montageschaum, der in ein Kondom abgefüllt wurde“.

Im Schottenhamel-Zelt laufen gebackene Kartoffelwaffeln mit Schwammerlragout und Kräutern als vegan, im Paulaner Festzelt gibt es vegane Currywurst mit scharfer Soße, im Armbrustschützenzelt stehen würziges Seitangulasch und böhmischer Eintopf auf der Karte. Und Wirtin Antje Haberl von der Ochsenbraterei hat für die Wiesn extra den veganen Starkoch Sebastian Copien ins Zelt geholt. (Tageskarte berichtete)

In sehr vielen Zelten findet sich Veganes. Was vor knapp zehn Jahren gerade auf dem Oktoberfest noch eher als Zugeständnis an Randgruppen galt, ist heute normal. Laut Bundesernährungsministerium essen sieben Prozent der Deutschen vegetarisch und ein Prozent vegan. Vor allem aber steigt die Zahl derer, die den Fleischkonsum reduzieren und auch zu Veganem oder Vegetarischem greifen. 44 Prozent sind das bereits.

«Die Nachfrage nach vegetarischen Angeboten ist schon seit vielen Jahren beständig gestiegen, vor einigen Jahren setzte eben auch die Weiterführung auf vegan ein», sagt Wirtin Haberl. Bei ihr gibt es etwa vegane Pflanzerl (Frikadellen/Buletten/Fleischküchle/Klopse) auf Erbsenbasis - analog zu den Ochsenpflanzerl.

Gespalten reagiert die Wiesn-Gemeinde auf die vegane Weißwurst, die unter anderem im Hofbräu-Zelt zu haben ist. Die Kabarettistin Monika Gruber, mit dem Münchner Kindl Viktoria Ostler vom Bayerischen Rundfunk zum Testessen geladen, zeigte sich wenig überzeugt. Es sehe aus «wie gepresste Sägespäne», zitierten Medien Gruber beim Anblick der weiß-gelblichen Wurst im BR. «Ich verstehe den Ansatz nicht. Ich mein, du bestellst ja auch keinen fleischhaltigen Kohlrabi.»  Einem Bild-Reporter gab sie ihr Geschmacks-Erlebnis zu Protokoll. «Vegane Weißwürscht schmecken wie Montageschaum, der in ein Kondom abgefüllt wurde – mit einer leichten Kalk-Note im Abgang. Grausig! »

Versöhnlicher urteilt Kabarettisten-Kollege Michael Mittermeier. «Es ist gut, dass sich die Ernährung ändert. Ob das die vegane Weißwurst oder ein veganes "Fleisch"pflanzerl ist, es ist ein Zugewinn», sagt er - und outet sich als Fleischesser. Ex-«Tagesschau»-Sprecher und RTL-Moderator Jan Hofer bleibt auf die Frage, wie er vegane Weißwürste findet, nachrichtlich sachlich: «Wer's mag, soll's essen».

Model Alessandra Meyer-Wölden findet es «ganz toll» und Komiker Oliver Pocher witzelt: «Ich ess das alles. Aber ein so ein Hendl wollte ich ja schon essen. Wegen der ganzen Antibiotika - und die Grippeimpfung kannst du dir sparen.»

Gegen den hohen Fleischkonsum auf der Wiesn protestieren Klima-Aktivisten und Tierschützer seit Jahren. Auch beim Einzug der Festwirte blockierte eine Gruppe die Straße, aus Protest gegen das Tierleid und die Klimaschädlichkeit «der fleischzentrierten Küche». Die Aktivisten forderten von den Wirten, «alle tierischen Produkte von den Speisekarten zu streichen».

Davon ist das Fest weit entfernt. Knapp 435 000 Hendl, etwa 66 400 Schweinshaxen, 125 Ochsen und 30 Kälber verzehrten die Gäste bei der letzten prä-pandemischen Wiesn 2019, im Wesentlichen so viel wie immer. Dazu tranken sie mehr als sieben Millionen Liter Bier, was vom veganen Blickwinkel her korrekt ist: Bier enthält - zumindest nach dem deutschen Reinheitsgebot - nichts Tierisches - auch wenn es bei entsprechender Menge in manchen Menschen das Animalische zum Vorschein bringt.

Insgesamt sinkt der Fleischkonsum in Deutschland. Laut Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung fiel er von 61 Kilogramm pro Kopf im Jahr 2018 auf 55 Kilogramm 2021. «In unserem Ernährungssystem findet ein massiver Transformationsprozess statt», sagt Anna-Lena Klapp von der Ernährungsorganisation ProVeg. «Immer mehr Menschen erkennen, welche gewaltigen Probleme eine tierlastige Ernährung mitverursacht: von Klimawandel und Umweltzerstörung über Wohlstandskrankheiten und zoonotische Pandemien bis hin zu Welthunger und Tierleid.»

Vor neun Jahren hatten erstmals zwei Wiesnwirte vegane Gericht auf dem Volksfest angeboten. In der Enten- und Hühnerbraterei Ammer gab es veganes Bio-Frikassee, und im damaligen Herzkasperlzelt auf der Oidn Wiesn wurden Sojamedaillons in Rahmsoße und vegane Kässpätzle serviert. Jeweils allerdings ohne Käse, Rahm oder Huhn.

Der damalige Sprecher der Wiesnwirte, Toni Roiderer, einer Metzgerfamilie entstammend, sah damals nicht unbedingt Bedarf für extra vegane Gerichte auf dem Oktoberfest. «Bier, Brezn, Radieserl, Radi - das ist wunderbar.» Und Vegetarier, die an der Wiesn gegen den Fleischkonsum demonstrierten, wies er zurecht. «Ich mische mich ja auch nicht ein, wenn die Vegetarier dem Vieh das Futter wegessen.» (mit dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Jubiläumssaison des WinterVarieté by Tristan Brandt in Heidelberg startete mit Standing Ovations. Die Spielzeit wurde bis Januar 2026 verlängert. Das Format kombiniert internationale Akrobatik-Darbietungen mit einem 3-Gänge-Menü.

Kochroboter halten in Supermärkten, Krankenhäusern und Kasernen Einzug. Was die Start-ups Circus Group und Goodbytz antreibt - und wie Verbände und Arbeitnehmervertreter reagieren.

​​​​​​​Das Restaurant Sühring, mit seiner Fine-Dining-Interpretation der deutschen Küche, erhält drei Michelin-Sterne. Das Lokal der Berliner Zwillingsköche Thomas und Mathias Sühring ist damit nach dem Sorn das zweite Restaurant in Thailand, das diese Top-Auszeichnung führen kann.

Das Fast-Casual-Konzept Ciao Bella erweitert seine Präsenz in München. Am 12. Dezember 2025 eröffnet der italienische Anbieter einen neuen Flagship-Standort im Tal 16. Das Restaurant soll nach Angaben des Unternehmens das weiterentwickelte Markenerlebnis der kommenden Jahre erstmals in dieser prägnanten Form präsentieren.

Das Gourmetrestaurant Ötztaler Stube im Fünf-Sterne-Hotel Das Central in Sölden startet zur Wintersaison 2025/26 mit einem renovierten Interieur. Das Küchenteam steht weiterhin unter der Leitung von Stefan Speiser.

L’Osteria ist mit der Eröffnung ihres ersten Restaurants in Ravensburg an den Start gegangen. Der Standort befindet sich in der Altstadt und richtet sich an ein breites Publikum aus Passanten, Familien, Freundesgruppen und Geschäftsleuten.

Der neue Veranstaltungsort [UNVRS] wurde bei der 10. Golden Moon Awards Gala in Valencia überraschend zum „World's Best Club 2025“ gekürt und sicherte sich damit auf Anhieb die Spitze der renommierten Liste „The World's 100 Best Clubs™ 2025“. Bootshaus aus Köln-Deutz, verteidigte seinen vierten Platz erfolgreich.

Die Sanierung der veganen Fastfood-Kette Swing Kitchen ist gescheitert. Nachdem die Gläubiger noch einem Sanierungsplan für die Muttergesellschaft zugestimmt hatten, konnte die zur Fortführung nötige Finanzierung nicht gesichert werden. Von dem Scheitern sind 130 Mitarbeitende an allen sieben Standorten in Österreich betroffen.

Die US-Systemgastronomiekette Five Guys steht in Deutschland vor erheblichen finanziellen Herausforderungen. Im siebten Jahr nach Markteintritt weist die deutsche Tochtergesellschaft Five Guys Germany GmbH erneut ein Millionenminus aus. Dies geht aus dem jüngst veröffentlichten Geschäftsbericht für das Jahr 2023 hervor, über den zuerst die Rheinische Post berichtete.

Der fränkische Winzer und Sternekoch Christian Stahl verzeichnet gleich mehrere renommierte Auszeichnungen und steigt im aktuellen HENRIS Weinguide mit vier Trauben in die nationale Spitze der deutschen Weingüter auf.