Politiker, Wirtschafts- und Ärztevertreter kritisieren Beherbergungsverbote als «wenig sinnvoll»

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Der Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat massive Kritik an den innerdeutschen Beherbergungsverboten geäußert: «Da wurde ein Fehler gemacht», sagte der SPD-Mann. Auch für Berlins Bürgermeister Michael Müller machen die aktuellen Maßnahmen «keinen Sinn». Kritik kam auch von Wirtschafts- und Ärztevertretern.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach hat massive Kritik an den innerdeutschen Beherbergungsverboten geäußert. «Da wurde ein Fehler gemacht, das müsste abgeräumt werden», sagte er der «Süddeutschen Zeitung» (Montag). «Keine Studie zeigt, dass das Reisen innerhalb Deutschlands ein Pandemietreiber ist. Ich löse mit diesen Regeln also kein Problem, weil es da kein Problem gibt.»

Die meisten Bundesländer hatten am Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen.

Lauterbach sagte nun, die Grenze von 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner werde ohnehin in sehr kurzer Zeit an sehr vielen Orten in Deutschland überschritten werden. Viele Details der Regelung wirkten zudem willkürlich. «Wenn man Regeln wie dieses trotzdem aufrecht erhält, verliert man die Unterstützung der Bevölkerung für Regeln die sinnvoll und wichtig sind.»

Ich halte diese Maßnahme für rechtswidrig, weil sie weder verhältnismäßig noch geeignet ist», sagte Bundestagsvizepräsident Wolfgang Kubicki (FDP) der «Bild»-Zeitung (Montag).

Die Hauptgeschäftsführerin des Hotel- und Gaststättenverbandes Dehoga, Ingrid Hartges, bezeichnete es in der «Passauer Neuen Presse» (Samstag) als «völlig unbefriedigend, dass wir keine bundeseinheitlichen Regelwerke haben». In einer Diskussionsrunde auf Bild-TV sagte DEHOGA-Chefin Hartges, das Beherbergungsverbot sei eine Katastrophe und warf der Politik Aktionismus vor. Hartges geht davon aus, dass in den nächsten Tagen Klagen gegen die Maßnahmen angestrengt werden.
 

Der FDP-Vorsitzende Lindner sagte hier, das Beherbergungsverbot sei unverhältnismäßig und unnötig. Es dürfe keine pauschalen Maßnahmen geben, die die Freiheit der Menschen einschränken würden.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller hat angekündigt, dass die von vielen Bundesländern beschlossenen Beherbergungsverbote bei der Ministerpräsidentenkonferenz am Mittwoch noch einmal beraten werden. «Jetzt sehen wir bundesweit, wie die Zahlen mindestens insgesamt in allen Großstädten nach oben gehen. Beherbergungsverbote zum Beispiel zwischen Berlin und Brandenburg machen doch gar keinen Sinn», sagte der SPD-Politiker am Sonntagabend in der ZDF-Sendung «Berlin direkt». «Wir haben Hunderttausende Pendler jeden Tag. Die begegnen sich im Einzelhandel, im Nahverkehr, auf der Arbeit. Und dann darf ein Berliner aber zwei Tage nicht im Spreewald übernachten. Das macht alles keinen Sinn.»

Die meisten Bundesländer hatten am Mittwoch beschlossen, dass Bürger aus Orten mit sehr hohen Corona-Infektionszahlen bei Reisen innerhalb von Deutschland nur dann beherbergt werden dürfen, wenn sie einen höchstens 48 Stunden alten negativen Corona-Test vorlegen können. Greifen soll dies für Reisende aus Gebieten mit mehr als 50 Neuinfektionen je 100 000 Einwohnern binnen sieben Tagen. An dieser Regelung gibt es jedoch vermehrt Kritik.

Der Präsident des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Eric Schweitzer, kritisierte «unkoordinierte Regelungen» bei Beherbergungsverboten. Dies sorge für große Verunsicherung bei den Unternehmen, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag).

Kanzleramtsminister Helge Braun verteidigte die Maßnahme dagegen. «Mecklenburg-Vorpommern hat als Ganzes eine Inzidenz von etwas um die 5, und Berlin über 60. Wenn es zu solchen Unterschieden im Infektionsgeschehen kommt, ist glaube ich ganz klar, dass jeder sich schützen will, und dann ist so was am Ende unvermeidlich», sagte der CDU-Politiker am Sonntagabend in der ARD-Sendung «Bericht aus Berlin».

Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil hat das Beherbergungsverbot für Menschen aus Corona-Hotspots verteidigt. «Das Beherbergungsverbot für Niedersachsen war eine Reaktion darauf, dass fast alle anderen Länder für sich diese Maßnahme vorgesehen haben und wir eine besondere Anziehungskraft von Niedersachsen auf Menschen aus besonders belasteten Gebieten vermeiden mussten», sagte der SPD-Politiker den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag).

Vorausgegangen war Kritik von Wirtschafts- und Ärztevertretern. Der Chef des Kassenärzte-Verbandes, Andreas Gassen, hatte den Ländern überzogene Maßnahmen vorgeworfen. «Diese Regelungswut ist oft eher kontraproduktiv», sagte der Vorstandsvorsitzende der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Samstag). Gassen bezeichnete innerdeutsche Reisen als «Pseudo-Gefahr». «Wir müssen aufhören, auf die Zahl der Neuinfektionen zu starren wie das Kaninchen auf die Schlange, das führt zu falschem Alarmismus», sagte Gassen.

Weil erklärte der Mediengruppe: «Insgesamt werden wir in Niedersachsen auch in der Zukunft um eine Mischung von Besonnenheit und Konsequenz bemüht sein.» Es sei keinerlei Alarmismus zu erwarten. (dpa)


 

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