Ärger über Corona-Hilfen - Unternehmen mit dem «Rücken zur Wand»

| Politik Politik

Viele Firmen sind in der Corona-Krise auf staatliche Hilfen angewiesen - es gibt aber großen Ärger. Unternehmen beklagen aufwändige und langsame Verfahren. Aktuell gibt es Kritik vor allem daran, dass die «Novemberhilfen» für Firmen im Teil-Lockdown zu schleppend anlaufen und Abschlagszahlungen viel zu niedrig sind.

«Je länger der Verzug dauert, umso mehr schadet das der Liquidität, es geht im wahrsten Sinne an die Substanz und damit um die Existenz», sagte Peter Klotzki, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes der Freien Berufe, am Montag der Deutschen Presse-Agentur. «Viele haben sich von Monat zu Monat durchgekämpft und stehen wirtschaftlich mit dem Rücken zur Wand.» Auch das Gastgewerbe schlägt Alarm: Die Verzweiflung über ausbleibende Hilfen sei hoch, die Abschlagszahlungen müssten deutlich erhöht werden.

Innerhalb der Bundesregierung liefen auch am Montag Beratungen darüber, ob die Abschlagszahlungen erhöht werden sollen. Dies ist ein Vorschuss auf spätere Zahlungen. Soloselbstständige erhalten eine Abschlagszahlung von bis zu 5000 Euro, Unternehmen bis zu 10 000 Euro.

Vor allem aus den Ländern kam die Forderung, die Abschlagszahlungen deutlich auf bis zu 500 000 Euro zu erhöhen, weil ansonsten viele Firmen in Liquiditätsengpässe kämen. In der Bundesregierung ist dem Vernehmen nach aber die Sorge groß, dass es bei deutlich höheren Abschlagszahlungen vermehrt zu Missbrauchsfällen kommen könnte.

Offen ist zudem, wann genau die regulären Hilfen ausgezahlt werden sollen. Unternehmen sowie Selbstständige, die vom Teil-Lockdown betroffen sind, bekommen 75 Prozent des entgangenen Umsatzes ersetzt. Vergleichswert ist der Vorjahresmonat, es gibt aber Ausnahmen etwa für Selbstständige.

«Wenn es bei den Verzögerungen bleibt, müssen zumindest die Abschlagzahlungen erhöht werden, um den akuten Bedarf aufzufangen», sagte Klotzki für die Freien Berufe. «Viele brauchen das Geld zum wirtschaftlichen Überleben. Hier sind zügig verlässliche Entscheidungen erforderlich, um den Betroffenen Zuversicht zu geben.»

Wie das Bundeswirtschaftsministerium mitteile, sind mit Stand Montagvormittag bisher 138 620 Anträge auf «Novemberhilfen» eingegangen. Es seien knapp 400 Millionen Euro als Abschlagszahlung ausgezahlt worden. Die Bundesregierung rechnet insgesamt mit einem Finanzvolumen von rund 15 Milliarden Euro bei den Novemberhilfen.

Das besonders betroffene Gastgewerbe wartet nach Angaben seines Verbandes Dehoga dringend auf eine schnelle Auszahlung der staatlichen Hilfen. Nach einer Umfrage des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) haben 80,2 Prozent der Betriebe die «Novemberhilfe» beantragt. 74,8 Prozent hätten allerdings noch nicht einmal Abschlagszahlungen erhalten. «Verzweiflung und Existenzängste in Hotellerie und Gastronomie nehmen zu», kritisierte der Dehoga.

70,0 Prozent der gastgewerblichen Betriebe sehen sich nach Verbandsangaben aufgrund der erheblichen Umsatzverluste in ihrer Existenz gefährdet. Die Abschlagszahlungen helfen laut Dehoga zwar kleinen Unternehmen, für mittlere und größere Unternehmen reichten sie allerdings nicht: «In der mittlerweile sechsten Lockdown-Woche sind die bislang gewährten Abschläge von maximal 10 000 Euro für viele Betriebe lediglich ein Tropfen auf den heißen Stein», hieß es.

Generell werden bei den «Novemberhilfen» sowie den folgenden «Dezemberhilfen» Umsatzausfälle erstattet. Die regulären Hilfen könnten aber erst im Januar fließen, wie aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der FDP im Bundestag hervorgegangen war. Ein Punkt dabei ist, dass Kurzarbeitergeld bei der «Novemberhilfe» abgezogen werden muss, dazu müssen Firmen Informationen angeben.

Für Programme wie die «Novemberhilfen» schließt der Bund Verwaltungsvereinbarungen mit den Ländern, denn die Abwicklung und Auszahlung erfolgt über die Länder - nur die Abschlagszahlungen werden über die Bundeskasse abgewickelt.

Die Politik hatte milliardenschwere Programme aufgelegt, um in der Corona-Krise Folgen für Firmen und Jobs abzufedern. Nach einer Umfrage im Auftrag des Digitalverbandes Bitkom bei Firmen aller Branchen gab nur jedes zweite Unternehmen an, insgesamt mit dem Prozess der Beantragung zufrieden gewesen zu sein. 92 Prozent hätten allerdings beklagt, dass es bei der Antragstellung technische Probleme gegeben habe. 62 Prozent der befragten Unternehmen sagten, dass sie wegen Corona mindestens eine Form staatlicher Hilfe beantragt hätten, wie zum Beispiel Soforthilfe-Kredite oder vereinfachtes Kurzarbeitergeld.

Zu technischen Problemen sagte Bitkom-Präsident Achim Berg am Montag, gerade in der Verwaltung dominierten vielerorts auch 2020 noch analoge Prozesse: «Wenn die Politik jetzt die Digitalisierung vorantreiben will, muss das insbesondere heißen: Ämter und Behörden wirklich digital aufstellen und zu Vorreitern der Digitalisierung machen.»

Laut Umfrage kritisierten laut Bitkom drei Viertel der Unternehmen, die Corona-Hilfen beantragt haben, eine zeitaufwendige Antragstellung. Nur jedes dritte Unternehmen habe angegeben, die Hilfen seien schnell angekommen. In der Umfrage im Auftrag des Bitkom wurden repräsentativ 605 Unternehmen aller Branchen befragt. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Darf die EU Kriterien für die Festsetzung von angemessenen Mindestlöhnen vorgeben? Das höchste europäische Gericht sagt in einem neuen Urteil Nein. Auf die Höhe des Mindestlohns in Deutschland hat die Entscheidung keine direkte Auswirkung.

Macht ein EU-Urteil Änderungen am deutschen Mindestlohn-System notwendig? Vertreter von Arbeitnehmern und Arbeitgebern sowie die Politik blicken an diesem Dienstag gespannt nach Luxemburg.

Vertreter von Bundesregierung, Bundesländern, Wirtschaft und Gewerkschaften haben für die duale Berufsausbildung in Deutschland geworben und auf akute Probleme auf dem Ausbildungsmarkt hingewiesen. Die Lage sei mehr als herausfordernd, sagte Wirtschaftsministerin Katherina Reiche.

Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) fordert eine rasche und dauerhafte steuerliche Entlastung für das Gastgewerbe. Der Verband sieht darin einen entscheidenden Faktor für die Zukunftsfähigkeit und Attraktivität der Innenstädte.

Die im Europäischen Parlament angestoßenen Pläne für ein Bezeichnungsverbot von Fleisch-Namen für pflanzliche Ersatzprodukte stoßen im Bundestag auf breite Ablehnung. Quer durch fast alle Fraktionen äußerten Abgeordnete Kritik an einem möglichen Verbot von Begriffen wie „Tofu-Wurst“ oder „Veggie-Burger“.

Die wiederholte Blockade in Washington hat für das US-Hotelgewerbe bereits zu massiven Verlusten geführt. Über 30 Branchenverbände richten einen verzweifelten Appell an die politischen Entscheidungsträger.

Der Mindestlohn steigt wie geplant zum 1. Januar auf 13,90 Euro pro Stunde und ein Jahr später um weitere 70 Cent auf 14,60 pro Stunde. Das Bundeskabinett beschloss in Berlin eine entsprechende Verordnung.

Bundesagrarminister Alois Rainer spricht sich gegen ein Verbot von Bezeichnungen wie «Veggie-Schnitzel» oder «Tofu-Wurst» für pflanzliche Lebensmittel aus. Es würde «unglaublich hohe Kosten für die Wirtschaft» sowie Bürokratie verursachen, sagte der CSU-Politiker vor einem Treffen mit einem EU-Amtskollegen in Luxemburg.

Zwei Drittel der abhängig Beschäftigten in Deutschland sprechen sich für eine Lockerung der täglichen Arbeitszeitbegrenzung und die Einführung einer wöchentlichen Höchstarbeitszeit aus. Dies ist das zentrale Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA).

Die Debatte um geplante Steuerentlastungen für die Gastronomie und Pendler spitzt sich zu. Nach der ablehnenden Haltung von Bundesfinanzminister Klingbeil hinsichtlich einer Kompensation für die Länder, kam scharfe Kritik von Ministerpräsidenten der CDU. Gleichzeitig warnt der DEHOGA vor den Folgen einer Verzögerung der Entscheidungen.