Angst vor Virus-Mutanten: Deutschland macht dicht

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Deutschland hat nach der Ausbreitung neuer Virusvarianten im Ausland die Regeln für die Einreise an den Grenzen im Südosten verschärft. Beamte der Bundespolizei und der bayerischen Grenzpolizei kontrollieren seit Sonntag an der Grenze zu Tschechien und Tirol den Verkehr - und schicken Einreisende zurück, wenn sie nicht unter Ausnahmeregelungen fallen. Doch es dürfen mehr Pendler über die Grenzen kommen, als man im Bund zunächst wollte.

Warum wurden die Einreiseregeln verschärft?

In Tschechien und Tirol breiten sich Varianten des Coronavirus aus. In Tirol gibt es verstärkt Fälle der südafrikanischen Mutante B.1.351, in Tschechien ist es die britische B.1.1.7. Beide Formen gelten als ansteckender. Die Südafrika-Variante ist nach bisherigem Wissen auch tödlicher - und manche Impfstoffe wirken vermutlich weniger gut. Auch wer schon Corona hatte, könne sich wahrscheinlich erneut anstecken, warnen Mediziner. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder meint: Man sei befreundet und helfe auch gerne mit der Aufnahme von tschechischen Patienten. «Aber wenn es jenseits der Grenze überhaupt keine Maßnahmen mehr geben sollte, dann bedeutet das eine erhebliche Gefährdung.» In Tschechien liegt die Inzidenz teils bei mehr als 1100.

Wer darf nun noch aus Tschechien und Tirol einreisen?

Deutsche Staatsangehörige mit Ehepartnern und minderjährigen Kindern werden grundsätzlich durchgelassen, ebenso alle, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Weitere Ausnahmen gibt es für Lkw-Fahrer, Ärzte, Kranken- und Altenpfleger sowie landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte - denn sie werden in Deutschland dringend zur Versorgung der Bevölkerung gebraucht. Auch wer zur Beerdigung eines Angehörigen will, darf einreisen. Für dringende medizinische Behandlungen darf man mit ärztlichem Attest noch über die Grenze. Für alle Einreisenden gilt ausnahmslos: Sie müssen einen negativen Corona-Test vorweisen und sich vorab digital anmelden.

Wie sieht es mit den Pendlern aus?

Das wurde heiß diskutiert. Zuerst waren strikte Verbote geplant, doch es gab Kritik aus der Wirtschaft, von der EU und den Nachbarländern. Die EU-Kommission forderte Deutschland auf, Ausnahmen etwa für Pendler und unverzichtbare Reisen zu gewähren. Dann verkündeten Bayern und der Bund eine Lockerung: Berufspendler aus systemrelevanten Bereichen sollen weiter einreisen können, wenn sie für ihren Betrieb besonders wichtig sind. Die örtlichen Behörden sollen klären, für welche Berufsgruppen das gilt. Laut Bayerns Innenminister Joachim Herrmann geht es etwa um Mitarbeiter in Wasser- und Elektrizitätswerken oder in der Lebensmittelproduktion. Auch ein Glaswerk in Mitterteich, das Glas für die Pharmaindustrie herstelle, gehöre dazu.

Welche Auswirkungen könnten die Regeln auf die Industrie haben?

Vor allem die Autoindustrie sieht erhebliche Schwierigkeiten - und warnt sogar schon vor Werksschließungen. «Die Werke in Ingolstadt, Regensburg, Dingolfing, Zwickau und Leipzig sind als erste betroffen», hieß es beim Branchenverband VDA. Das größte Problem: Auch Lkw-Fahrer müssen aktuelle Coronatests vorweisen. An den Autobahnen und Grenzen gebe es aber keine ausreichenden Testmöglichkeiten. Außerdem müsse man durch die Kontrollen mit Wartezeiten und zeitlichen Verzögerungen rechnen. In der Autoindustrie, die «just-in-time», also quasi direkt vom Laster aufs Band beliefert wird, ist das ein Problem. Große Lagerbestände gibt es nicht. FDP-Fraktionsvize Michael Theurer kritisierte: «Die Bundesregierung und Bayern provozieren mit den Grenzkontrollen Lieferengpässe und Werksschliessungen.» Für Lkw-Fahrer müssten Selbsttests zugelassen werden.

Wie lange gilt das alles?

Die verschärften Einreiseregeln sind laut Innenministerium zunächst auf zehn Tage befristet, gelten also bis zum 23. Februar. Sie können allerdings dann noch auf maximal drei Monate verlängert werden.

Kommen die neuen Regeln noch rechtzeitig?

Vor einem Jahr bei der ersten Welle kamen die Grenzschließungen in Europa einer im Fachmagazin «PNAS» veröffentlichen Studie zufolge zu spät, um das Coronavirus nachhaltig aufzuhalten. Experten zufolge werden sich die mutierten Viren auch in Deutschland ausbreiten, man versucht das nur zur verlangsamen. In Bayern sind Virusvarianten schon jetzt stärker verbreitet als im Bundesschnitt. Bei weit über zehn Prozent der Infizierten in Bayern wurden sie festgestellt, mehr als doppelt so viel wie insgesamt in Deutschland, wie der Münchner Infektiologe Clemens Wendtner sagte. Vor allem Ostbayern ist betroffen. Die britische Variante hat bei Einpendlern aus Tschechien die Oberhand; laut Wendtner hat sie etwa in den Regionen Tirschenreuth und Hof einen Anteil von mehr als 40 Prozent der positiven Fälle.

Drohen auch an anderen Grenzen schärferen Einreise-Regeln?

Auszuschließen sei das nicht, sagt Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Bundesregierung gehe aber mit Blick auf den wichtigen Austausch in Grenzregionen «sehr zurückhaltend und abwägend» mit solchen Maßnahmen um. Die anderen Nachbarländer mit direkter Grenze zu Deutschland, also Polen, Dänemark, die Niederlande, Belgien, Luxemburg, Frankreich und die Schweiz, sind bisher nicht als Gebiete mit besonderer Virusvarianten-Verbreitung eingestuft.

Kommt man überhaupt noch heraus aus Deutschland?

Das ist zumindest nicht so einfach wie üblich. Auch in den Nachbarländern gelten strikte Einreiseregeln und Beschränkungen teils mit mehrtägiger Quarantäne-Pflicht. Wer nach Tschechien oder Tirol will, muss sich wohl ins Auto setzen: Die Deutsche Bahn hat den Fernverkehr hierhin wegen der neuen Corona-Regelungen eingestellt, es fahren auch keine Regionalzüge oder Fernbusse mehr. Auch die Tschechische Staatsbahn hat die vorübergehende Einstellung grenzüberschreitender Zugverbindungen angekündigt.


 

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