Ausbeutung von Arbeitskräften: Gastgewerbe in Berlin im Fokus

| Politik Politik

Die zumeist aus dem Ausland stammenden Opfer von Arbeitsausbeutung auf Berlins Baustellen oder in der Gastronomie sollen besser unterstützt werden. Der Senat will dazu eine «Betreuungs- und Unterbringungsstelle» für betroffene Menschen einrichten, wie Sozialsenatorin Cansel Kiziltepe am Donnerstag im zuständigen Fachausschuss des Abgeordnetenhauses ankündigte. «Die Betroffenen von Arbeitsausbeutung sollen - soweit erforderlich - sicher untergebracht werden und Betreuung aus einer Hand erhalten», umriss die SPD-Politikerin die Aufgaben der neuen Anlaufstelle. 

«Unterstützungsstrukturen und Opferschutz für Betroffene in Berlin müssen wir verbessern, sagte Kiziltepe. Denn illegale Beschäftigung und Ausbeutung, also die «hässliche Seite des Arbeitslebens», seien ein großes Problem und leider keine Einzelfälle. «Wir kennen das auch in Berlin aus den Medien: Arbeitskräfte leben in schimmeligen Arbeitsunterkünften, arbeiten unter gesundheitsgefährdenden Bedingungen und erhalten ihre Löhne nicht.» 

Gerade Menschen aus anderen Staaten und Kulturkreisen mit oft fehlenden Sprachkenntnissen würden ausgenutzt und übervorteilt. Hilfe und Betreuung für betroffene solcher Arbeitsausbeutung, die teils von Menschenhändlern nach Deutschland gebracht werden, seien besonders zeitintensiv. «Dazu gehört auch, Menschen vor Repressalien der Arbeitgeber zu schützen und sie sicher unterzubringen.» Für die neue Stelle laufe gerade das Vergabeverfahren, das voraussichtlich im Mai abgeschlossen sei. 

Schwerpunkt Gastgewerbe

Nach Angaben des Hauptzollamts Berlin nehmen Fallzahlen und Ermittlungsverfahren im Hinblick auf Arbeitsausbeutung zu. Im vergangenen Jahr seien mehr als 5000 Hinweise eingegangen, denen die Finanzkontrolle Schwarzarbeit des Amtes nachgegangen sei, schilderte Normen Siegismund von der Behörde bei einer Anhörung im Ausschuss. Das Problem: Arbeitsausbeutung sei oft schwer nachzuweisen.

Einen Schwerpunkt solcher Machenschaften bilde das Gastgewerbe. Siegismund nannte ein aktuelles Beispiel aus der Branche, mit dem seine Behörde in Berlin zu tun habe. Beschäftigte hätten eine 72-Stunden-Woche und erhielten dafür weniger als die Hälfte des Mindestlohnes. Dieser liegt in Deutschland bei 12,41 Euro brutto pro Stunde. Die Betroffenen mussten demnach unter menschenunwürdigen Bedingungen in einem Keller auf Isomatten schlafen. Der Arbeitgeber habe ihnen ihre Pässe abgenommen. 

Neben dem Gastgewerbe gibt es noch andere Branchen, in denen Arbeitsausbeutung oft vorkommt. Fachleute zweier Beratungsstellen nannten in der Anhörung zuallererst das Baugewerbe, aber auch Gebäudereinigung, Lkw-Transportfirmen, bestimmte Hilfsjobs in der Leiharbeit oder - etwa in Brandenburg - die Landwirtschaft.

Benjamin Luig von der DGB-Stelle «Faire Mobilität Initiative Faire Landarbeit» sagte, Großbaustellen in Berlin seien heutzutage ohne Beschäftigte aus Rumänien oder anderen Staaten Südosteuropas praktisch nicht mehr denkbar. Allzu oft würden diese ausgebeutet. Die Liste sei lang: unbezahlte oder prekäre Löhne, ungerechtfertigte Kündigungen, fehlende Krankenversicherung und keine Absicherung bei Arbeitsunfällen. Etliche Verfehlungen seien strafrechtlich relevant.

Ähnlich äußerte sich Philipp Schwertmann vom Berliner Beratungszentrum für Migration und gute Arbeit (BEMA), das Arbeitnehmer in prekären Lebens- und Arbeitssituationen dabei unterstützt, ihre Rechte wahrzunehmen. Menschenhändler und Unternehmer gingen bei der Arbeitsausbeutung oft mit hoher krimineller Energie vor. Seine Stelle habe allein 2023 rund 3900 Menschen beraten, allerdings sei es dabei nicht nur um Arbeitsausbeutung gegangen, sondern auch um andere Themen. Die Initiative habe in dem Jahr dabei geholfen, dass mehr als 127 000 Euro an zunächst zurückgehaltenen Löhnen doch noch ausbezahlt wurden. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Verbraucherschützer sprechen sich deutlich gegen ein mögliches Verbot von Bezeichnungen wie «Tofu-Wurst» oder «Soja-Schnitzel» aus. Das Europaparlament will am Mittwoch über ein entsprechendes Vorhaben abstimmen.

Die niederländische Tourismusbranche steht vor einer möglichen drastischen Änderung: Die Regierung in Den Haag plant, die Mehrwertsteuer auf Übernachtungen von derzeit 9 auf 21 Prozent anzuheben. Die Maßnahme soll laut Medienberichten ab dem 1. Januar 2026 in Kraft treten. Branchenvertreter warnen vor drastischen Folgen.

 

Die Neuköllner Kulturkneipe «Bajszel» ist erneut Ziel antisemitischer Anfeindungen geworden. Rund um die Schenke brachten unbekannte Flugblätter an, auf denen die drei Betreiber abgebildet sind und wegen angeblicher Unterstützung Israels persönlich bedroht werden.

Weniger Werbung für Ungesundes: Vor allem Kinder sollen dadurch geschützt werden. Die britische Regierung erhofft sich langfristig Milliardeneinsparungen im Gesundheitssektor.

Am 2. Oktober beginnt vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim eine entscheidende Verhandlungsreihe. Gegenstand sind Berufungen der landeseigenen L-Bank gegen Urteile, die zuvor Rückforderungsbescheide der Corona-Soforthilfe als unrechtmäßig eingestuft hatten.

Gastwirte sollen 2026 entlastet werden, die Umsatzsteuer auf Speisen sinkt. Doch ob es auch zu Preissenkungen in Restaurants kommt, ist fraglich. Die DGB-Vorsitzende hätte da einen anderen Vorschlag. Bayerns Tourismusministerin widerspricht.

Die geplante Ausweitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf Restaurants, Imbisse und Co. stößt auf heftigen Widerstand. Branchenvertreter sehen darin eine neue, unnötige Bürokratie und befürchten Wettbewerbsnachteile, ohne dass es einen echten Mehrwert für die Gäste gibt.

Die europäische Kommission hat von den Tech-Unternehmen Apple, Google, Microsoft und Booking.com Auskünfte darüber verlangt, wie sie sich auf ihren Plattformen gegen Betrugsmaschen zur Wehr setzen. Grundlage dafür ist das Gesetz über digitale Dienste.

Beim „Burger Dialog“ von McDonald's trafen Vertreter der Gen Z auf Abgeordnete der Regierungskoalition. Im Zentrum des Austauschs standen die Sorgen junger Menschen, die zunehmend daran zweifeln, dass Leistung allein noch den gesellschaftlichen Aufstieg sichert.

In vielen Ballungsräumen gehen etliche reguläre Wohnungen ausschließlich an Feriengäste. Lindert es die Wohnungsnot, wenn man die kurzfristige Vermietung eindämmt?