Breite Ablehnung für Scholz-Vorschlag einer Arbeitgeber-Einmalzahlung

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Der Plan von Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für eine steuerfreie Einmalzahlung an Beschäftigte im Kampf gegen die Inflation stößt auf breite Ablehnung, darunter auch beim grünen Koalitionspartner. «Es muss beantwortet werden, warum Menschen mit sehr hohen Einkommen, in Unternehmen, die gute Gewinne machen, staatliche Unterstützung erhalten sollen», sagte der Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch dem Ippen-Media-Netzwerk. Es bleibe zudem offen, wie etwa Solo-Selbstständigen oder Arbeitnehmern in nicht-tarifgebundenen Betrieben geholfen werden solle.

Scholz schlägt eine steuerfreie Einmalzahlung durch die Arbeitgeber vor. Die Gewerkschaften sollen im Gegenzug bei Tarifrunden geringere Lohnsteigerungen akzeptieren. Der Staat und die Sozialpartner würden so an einem Strang ziehen. Darüber hatte die «Bild am Sonntag» berichtet, der Deutschen Presse-Agentur wurden die Pläne bestätigt. Die Idee dahinter ist, sogenannte Zweitrundeneffekte zu verhindern, die zu einer Lohn-Preis-Spirale führen und dadurch die hohe Inflation weiter anheizen könnten. Am 4. Juli will Scholz einen Dialog mit Arbeitgebern und Gewerkschaften beginnen, die sogenannte Konzertierte Aktion.

Mehrere Gewerkschaften hatten den Vorschlag bereits abgelehnt. Der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW Berlin), Marcel Fratzscher, kritisierte in der «Augsburger Allgemeinen» (Dienstag): «Einmalige Hilfen werden nur kurzfristig helfen, aber nicht dauerhaft Menschen mit geringen Einkommen entlasten können.» Höhere Löhne und Sozialleistungen seien deshalb der einzige nachhaltige Weg.

Auch aus der Opposition kamen weitere ablehnende Stimmen. Der CSU-Finanzpolitiker Sebastian Brehm sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND): «Scholz versucht zu verdecken, dass seine Koalition in der Frage weiterer Entlastungen völlig planlos in die Sommerpause geht.» Auch gingen bei dem Kanzler-Plan Rentnerinnen und Rentner oder Studierende leer aus.

Der neue Co-Vorsitzende der Partei Die Linke, Martin Schirdewan, sagte in einem Interview mit RTL/ntv: «Die Gewerkschaften müssen mit hohen Forderungen in die anstehenden Tarifverhandlungen gehen, damit die Inflation und Kaufkraftentwicklung für die Beschäftigten abgefedert wird.»

 

Gewerkschaften lehnen Einmalzahlung gegen die Inflation ab


 

Ist eine Einmalzahlung gegen den inflationsbedingten Kaufkraftverlust sinnvoll? Im Kanzleramt verspricht man sich einen raschen Effekt. Doch es gibt heftigen Widerstand gegen die Idee.

 

Berlin (dpa) - Von den Gewerkschaften schlägt Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) für seinen Plan einer Einmalzahlung im Kampf gegen die Inflation Ablehnung entgegen. «Einmalzahlungen bringen uns da nicht weiter», sagte Verdi-Chef Frank Werneke am Montag in der Sendung «Radiowelt» auf Bayern 2. Auch die IG Metall und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) lehnten die Idee ab.

Scholz peilt eine steuerfreie Einmalzahlung durch die Arbeitgeber zum Ausgleich für die gestiegenen Energiekosten an. Die Gewerkschaften sollen im Gegenzug bei Tarifrunden auf einen Teil der Lohnsteigerungen verzichten. Darüber hatte die «Bild am Sonntag» berichtet, der Deutschen Presse-Agentur wurden die Pläne bestätigt. So solle der Inflation Einhalt geboten werden. Am 4. Juli will die Regierung einen von Scholz initiierten Dialog mit den Sozialpartnern und der Bundesbank im Kampf gegen die Preissteigerungen starten, die sogenannte Konzertierte Aktion.

Die DGB-Chefin Yasmin Fahimi bekräftigte ihre ablehnende Haltung zu einer Einmalzahlung. «Langfristig können nur höhere Entgelte und die gezielte Unterstützung von Menschen ohne Arbeit sinnvolle Instrumente gegen höhere Lebenshaltungskosten sein», sagte Fahimi der «Rheinischen Post» (Dienstag).

Werneke sagte, es sei ureigenste Aufgabe der Tarifparteien, dass dauerhaft steigende Preise auch in dauerhaft wirksame Tariflohnsteigerungen mündeten. «Und ich sehe auch nicht, dass die Politik uns das abnehmen kann.»

Eine Sprecherin der IG Metall verwies auf Äußerungen des Gewerkschaftschefs Jörg Hofmann vom Monatsbeginn. Hofmann hatte bei der Ankündigung der konzertierten Aktion erklärt: «Tarifverhandlungen werden nicht im Kanzleramt geführt. Über Ziele unserer Tarifpolitik entscheidet nicht die Politik, sondern die Tarifkommissionen und Gremien der IG Metall.»

Vize-Regierungssprecher Wolfgang Büchner wollte Scholz` Pläne am Montag weder bestätigen, noch dementieren. Der Konzertierten Aktion könne er nicht vorgreifen. «Es hat niemals jemand vorgeschlagen, im Kanzleramt Tarifverhandlungen zu führen», betonte er aber. Die Tagesordnung für die Konzertierte Aktion soll im Übrigen an diesem Freitag bekannt gegeben werden.

Das arbeitgebernahe Institut der Deutschen Wirtschaft hält eine Einmalzahlung für «vertretbar». Solche Zahlungen würden unmittelbar helfen, höhere Rechnungen zu begleichen, verminderten aber das Risiko einer Lohn-Preis-Spirale, weil die Kosten der Unternehmen nicht dauerhaft steigen würden. Steuer- und Abgabenfreiheit sei als Anreiz für die Unternehmen ein probates Mittel. «Würden 75 Prozent der Arbeitnehmer im Schnitt 500 Euro erhalten, würde der Staat auf Steuereinnahmen von schätzungsweise fünf Milliarden Euro verzichten, bei der Sozialversicherung läge der Einnahmenverzicht ebenfalls bei rund fünf Milliarden Euro.» Durch die höheren Konsumausgaben würde über Energie- und Mehrwertsteuer Geld an den Staat zurückfließen.

Der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) lehnt Scholz' Vorschlag dagegen ab. «Angesichts der in den vergangenen Monaten explodierenden Preise ist ein solcher plötzlicher Liquiditätsabfluss, und nichts anderes wäre die Auszahlung zunächst, für viele Unternehmen aktuell einfach nicht mehr zu stemmen», sagte der Bundesgeschäftsführer des Verbandes, Markus Jerger, dem «Handelsblatt».

Werneke verwies auf die eigenen Tarifverhandlungen etwa für die Häfen, die Lufthansa oder den öffentlichen Dienst. Die gestiegenen Preise müssten durch einen linearen Wert, eine prozentuale Steigerung ausgeglichen werden, sagte er. Eine Möglichkeit seien auch Sockelbeträge. Diese seien aber keine Einmalzahlungen, sondern würden als monatliche Zahlung tarifwirksam.

Trotz seiner ablehnenden Haltung zu Einmalzahlungen gebe es bei der geplanten Konzertierten Aktion im Kanzleramt etwas zu besprechen, kündigte Werneke an: «Wir brauchen ein drittes Entlastungspaket, was im Herbst wirkt.» Auch Empfängerinnen und Empfänger staatlicher Leistungen sowie Menschen in Rente sollten unterstützt werden.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) hält nichts von Einmalzahlungen. «Das ist keine nachhaltige Hilfe. Das Leben wird auch in den kommenden Monaten teurer», sagte der stellvertretende GdP-Bundesvorsitzende René Klemmer.

Grünen-Chefin Ricarda Lang bezeichnete den Vorschlag als spannend. «Wir werden es uns anschauen», sagte Lang am Montag nach einer Sitzung des Bundesvorstandes ihrer Partei in Berlin. Der Linken-Bundestagsabgeordnete Pascal Meiser warf Scholz dagegen vor, «sich dreist in freie Tarifverhandlungen einzumischen». Er solle sich lieber darum kümmern, dass die Bundesregierung ihre offenkundig unzureichenden Entlastungspakete kräftig nachbessere. Kritik an dem Vorschlag kam auch vom Sozialverband VdK. «Schon wieder bleiben arme Rentnerinnen und Rentner auf der Strecke», sagte VdK-Präsidentin Verena Bentele den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Die «Bild am Sonntag» hatte berichtet, für die Einmalzahlung spreche aus Sicht des Kanzleramts, dass sie schnell ankomme und Menschen mit geringen oder mittlerem Lohn am stärksten profitierten. Gesonderte Lösungen brauche es aus Sicht des Kanzleramts für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer ohne Tarifbindung und für Rentnerinnen und Rentner mit geringen Bezügen. (dpa)


 

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