Bund will Preisexplosion beim Gas durch Staatshilfe verhindern

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Angesichts der Verschärfung der Gaskrise in Deutschland will die Bundesregierung eine Preisexplosion für Millionen von Kunden verhindern. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) stellte am Sonntag staatliche Stützungsmaßnahmen für in Not geratene Gasversorger in Aussicht. 

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Samstagabend bei einer Veranstaltung der «Zeit» vor einer möglichen «Preisexplosion» bei einigen Stadtwerken gewarnt. Niemand wisse, ob Russlands Präsident Wladimir Putin die Gaslieferungen nach Deutschland wirklich stoppe. Man habe es vor dem Hintergrund des russischen Überfalls auf die Ukraine mit «einer quasi wirtschaftskriegerischen Auseinandersetzung» zu tun.

Russland hatte die Lieferungen durch die Pipeline Nord Stream 1 bereits stark gedrosselt. Dadurch geriet der Gasimporteur Uniper in Turbulenzen und rief nach Staatshilfen. In ein paar Tagen starten die jährlichen Wartungsarbeiten an Nord Stream 1. In der Regel fließt dann für zehn Tage kein Gas. Die Befürchtung ist nun, dass Russland diesmal den Gashahn nicht wieder aufdreht.

Scholz sagte im ARD-Sommerinterview auf die Frage, ob dann eher Gasversorgern oder Verbraucherinnen und Verbrauchern geholfen werden solle: «Ich glaube, dass es wichtig ist, dass man auf beiden Feldern aktiv ist.» Staatliche Kredite an Versorger trügen bereits dazu bei, «dass die Preise noch nicht durchgeschlagen sind».

Mit Blick auf den in Not geratenen größten deutschen Gasimporteur Uniper sagte Scholz: «Wir prüfen jetzt mit dem Unternehmen zusammen, was man tun kann.» Scholz verwies auf die Lufthansa, die in der Corona-Krise mit Regierung und EU-Kommission ein neun Milliarden Euro schweres Rettungspaket ausgehandelt hatte. Nun werde diskutiert, was das Beste sei, um sicherzustellen, dass die Gasversorgung nicht leide, weil ein wichtiges Unternehmen sein Geschäft nicht fortsetzen könne.

Habeck sagte, bei einigen Stadtwerken könne es zu einer «Preisexplosion» kommen. Dies könne eintreten, wenn Russland kein Gas mehr über Nord Stream liefert und der Bund es großen Versorgern wie Uniper erlaubt, die Preise an ihre Kunden wie etwa Stadtwerke weiterzugeben. Unternehmen, die sehr viel russisches Gas eingeführt hätten, «haben ein echtes Problem», sagte Habeck. Sie müssten ihre Lieferverträge erfüllen und viel teurer Gas woanders einkaufen.

Uniper spielt eine zentrale Rolle in der Energieversorgung und ist auch der größte Betreiber von Erdgasspeichern in Deutschland. Das Ziel der Regierung sind fast volle Gasspeicher zu Beginn der Heizperiode, um für den Wegfall von Lieferungen gerüstet zu sein.

Habeck erläuterte, die Preise außerhalb der Verträge weiterzugeben, sei bereits im Energiesicherungsgesetz vorgesehen, mit dem in den 70er Jahren der sogenannte autofreie Sonntag eingeführt worden sei. Der Paragraf sei aber noch nicht aktiviert worden - denn dies sei «ein sehr, sehr scharfes Schwert».

Das scharfe Schwert, von dem Habeck spricht, ist der bisherige Paragraf 24 aus dem Energiesicherungsgesetz. Das bestehende Gesetz ermöglicht ein «Preisanpassungsrecht» für Versorgungsunternehmen. Dazu muss die Bundesnetzagentur eine «erhebliche Reduzierung der Gesamtgasimportmengen nach Deutschland» formal festgestellt haben, was noch nicht geschehen ist. Wird der Mechanismus aktiviert, könnten Versorger ihre aktuellen Mehrkosten innerhalb von kurzer Zeit an ihre Kunden weitergeben. Dies könnte aber für Kunden sehr unterschiedliche Folgen haben, abhängig von welchem Versorger sie Gas bekommen.

Um die Lasten gleichmäßiger zu verteilen, arbeitet die Bundesregierung an einem Umlagesystem für alle Gaskunden. Die Ressortgespräche dazu dauerten am Wochenende an, wie die Deutsche Presse-Agentur am Sonntag aus Regierungskreisen erfuhr. Damit könne die Belastung «gleichmäßiger» auf die Gesamtheit der Verbraucherinnen und Verbraucher verteilt werden, heißt es in einem der dpa vorliegenden Entwurf für eine Änderung des Energiesicherungsgesetzes.

Die Städte warnten vor einer Gefahr für die Versorgungssicherheit in Deutschland. Der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetags, Helmut Dedy, sagte der dpa, Bund und Länder müssten verhindern, dass kommunale Versorger ernsthaft in Schwierigkeiten geraten. Es seien überwiegend die Stadtwerke, von denen viele Haushalte Gas und Strom, Wasser oder Wärme beziehen. Der Bund müsse die kommunalen Versorger umgehend unter den Schutzschirm für Unternehmen stellen.

Der Verband kommunaler Unternehmen (VKU) warnte vor einer Kettenreaktion, die die Stadtwerke erfassen könnte. Hauptgeschäftsführer Ingbert Liebing forderte in der «Rheinischen Post» Instrumente, um die Preisspirale zu dämpfen. Eigentlich gesunde Stadtwerke kämen sonst «schlimmstenfalls an den Rand der Insolvenz».

Beim Gassparen setzt Habeck zunächst weiter auf Freiwilligkeit, wie er sagte. Falls Gassparen vorgeschrieben werden müsste, hänge dies auch von den Netzen ab. Es werde dann wahrscheinlich zu Lasten derjenigen Fabriken geregelt, die nicht in einem gemischten Netz hingen, das auch die geschützten Privathaushalte versorge.

Im aktuellsten Lagebericht zur Gasversorgung der Bundesnetzagentur (Stand: Freitag) heißt es: «Die Lage ist angespannt und eine Verschlechterung der Situation kann nicht ausgeschlossen werden.» Die Gasversorgung in Deutschland sei im Moment aber stabil. Die aktuellen Füllstände der Speicher in Deutschland lägen bei rund 61 Prozent. «Unternehmen und private Verbraucher müssen sich auf deutlich steigende Gaspreise einstellen.» Es gelte, Gas zu sparen.

Dem Präsidenten der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, zufolge würden im Falle eines russischen Gas-Lieferstopps Privathaushalte ebenso wie Krankenhäuser oder Pflegeheime besonders geschützt. Müssten Industriebetriebe von der Gasversorgung getrennt werden, «orientieren wir uns am betriebswirtschaftlichen Schaden, am volkswirtschaftlichen Schaden, an den sozialen Folgen und auch an den technischen Anforderungen des Gasnetzbetriebs», sagte Müller. Hamburgs Umweltsenator Jens Kerstan (Grüne) schließt bei einem Gasnotstand eine Begrenzung des Warmwassers für private Haushalte nicht aus, wie er in der «Welt am Sonntag» deutlich machte. (dpa)


 

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