Corona-Folgen: Hotellerie und Gastronomie büßen 25 Prozent der Ausbildungsverhältnisse ein

| Politik Politik

Das Bundesinstitut für Berufsbildung hat am heutigen Dienstag einen Rückgang der neuen Ausbildungsverhältnisse von -11 Prozent bis zum Stichtag 30. September 2020 ausgewiesen. Das Gastgewerbe ist in Folge der Pandemie mit einem Verlust von 5.760 Ausbildungsverhältnissen (-24,7 Prozent) besonders hart getroffen.

Auch an diesen Zahlen ist erkennbar, wie riesig die Herausforderungen durch die Corona-Pandemie für die Ausbildungsbetriebe der Branche sind. Gleichwohl ist davon auszugehen, dass es nach der aktuellen Krise für die Betriebe im Tourismus, in der Hotellerie und Gastronomie wieder neue Perspektiven geben wird. Die Auszubildenden von heute werden dann als Fachkräfte von morgen dringend gebraucht. Die Fachkräftesicherung ist nach wie vor ein Kernthema der Branche.

Daher appellieren der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) und die Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) eindringlich an die Bundesregierung, das Bundesförderprogramm „Ausbildungsplätze sichern!“ so auszugestalten, dass es die Ausbildung in den besonders von der Coronakrise gebeutelten Branchen effektiv schützt. Sonst wird es nicht nur Bremsspuren im aktuellen Ausbildungsjahrgang geben, sondern Ausbildungsstrukturen werden längerfristig geschädigt und ein Substanzverlust in der Ausbildung droht.

Dazu müssen die Förderbedingungen für die jüngst modifizierte Ausbildungsprämie nachgebessert werden, denn heute kommt die Leistung bei den allermeisten gastgewerblichen Betrieben nicht an. Außerdem sollte in Betrieben mit hohem Kurzarbeitsanteil nicht nur für Azubis, sondern auch für Ausbilder, die nicht in Kurzarbeit sind, ein Vergütungszuschuss gezahlt werden.

Guido Zöllick, Präsident des DEHOGA Bundesverbandes: „Das Gastgewerbe ist eine starke Ausbildungsbranche. Die Betriebe kämpfen mit aller Kraft, um Ausbildungsverhältnisse und Ausbildungsstrukturen trotz der dramatischen Situation aufrecht zu erhalten. Als besonders von Corona betroffene Branche müssen Hotellerie und Gastronomie jetzt bei der Ausbildung besonders unterstützt werden. Die Begrenzung auf kleine und mittlere Unternehmen bei der Ausbildungsprämie sowie die Bedingung, dass das Ausbildungsniveau gegenüber dem Durchschnitt der drei Vorjahre mindestens beibehalten werden muss, sind dabei Hemmschuhe. Hier muss nachjustiert werden.“

Claudia Tiedge, stellvertretende NGG-Vorsitzende: „Es muss alles getan werden, um die Fortsetzung der Ausbildung und der Ausbildungsverhältnisse auch im Lock-Down zu gewährleisten. Junge Menschen brauchen Sicherheit und eine gute Berufsausbildung als Start in das Arbeitsleben. Die Pandemie wird die Betriebe im Hotel- und Gastgewerbe noch lange beschäftigen. Wenn die direkten Krisenfolgen vorbei sind, wird der Fachkräftemangel wieder zum Thema. Deshalb ist es wichtig, trotz der Krise an Ausbildung festzuhalten und die Qualität der Ausbildung zu verbessern.“

Ein Hauptproblem bleibt die Aufrechterhaltung der Ausbildung bei geschlossenem oder eingeschränktem Betrieb. Ein Lösungsansatz kann die Verbund- oder Auftragsausbildung sein. So können Betriebe Teile der Ausbildung zusammen mit anderen Betrieben (im Verbund) organisieren oder einen Träger (als Auftrag) durchführen lassen. Die entsprechende Förderung sollte auf Betriebe ausgeweitet werden, die Auszubildende an Verbund- oder Auftragspartner abgeben. So entsteht ein Anreiz, Ausbildung trotz Schließungen weiterzuführen. Die Fördersätze sollten insgesamt erhöht und flexibilisiert werden, um unterschiedlichen Zeiträumen der Auftrags- und Verbundausbildung gerecht zu werden.

Kooperationen wie das „Ausbildungshotel“ in Berlin können einen entscheidenden Anteil daran haben, dem Branchennachwuchs die Fortführung der Ausbildung auch im Lockdown oder bei Betriebsaufgabe zu ermöglichen. Die Sozialpartner bitten Bund, Länder und Kommunen, solche überbetrieblichen Initiativen auf regionaler Ebene zu unterstützen.

Trotz der dramatischen Auswirkungen der Coronakrise auf die Branche appellieren NGG und DEHOGA an die Betriebe, wo möglich Ausbildung aufrecht zu erhalten und jungen Menschen einen Berufsstart in der Branche zu ermöglichen.

Die Qualität der Ausbildung bleibt ein zentrales Anliegen. Denn ohne zukunftsfähige Ausbildungsinhalte und attraktive Ausbildungsbedingungen können junge Leute nicht davon überzeugt werden, ihre berufliche Zukunft in dieser attraktiven Branche zu suchen. Einen Beitrag dazu leisten DEHOGA und NGG derzeit gemeinsam bei der Überarbeitung der Inhalte der gastgewerblichen Berufe.

Corona-Spuren auf dem Ausbildungsmarkt - weniger Lehrverträge 2020

Die Corona-Pandemie wirkt sich auch auf die berufliche Zukunft junger Menschen aus. Deutlich weniger Jugendliche haben in diesem Jahr eine Ausbildung begonnen als noch 2019. So wurden
57 600 Ausbildungsverträge weniger abgeschlossen als im Vorjahr, wie aus der am Dienstag vom Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) vorgestellten Ausbildungsbilanz 2020 hervorgeht. Das entspricht einem Minus von 11 Prozent. Insgesamt wurden bundesweit 467 500 Ausbildungsverträge geschlossen, 2019 waren es noch 525 000. Erstmals seit der Wiedervereinigung lag die Zahl damit unter 500 000.

Gründe dafür sind nach Angaben des Instituts einerseits ein deutlich reduziertes Angebot an Ausbildungsplätzen und zugleich eine gesunkene Nachfrage nach Lehrstellen. Außerdem ist es dem BIBB zufolge in Zeiten ohne Ausbildungsmessen und Betriebspraktika noch schwerer geworden, Betriebe und Azubis zusammenzubringen. Demnach blieben zum Stichtag 30. September fast 60 000 und damit knapp 12 Prozent aller von Betrieben angebotenen Ausbildungsplätze unbesetzt. Mehr als 78 000 Jugendliche suchten gleichzeitig noch nach einer ihnen passend erscheinenden Lehrstelle.

Dies ist nach Einschätzung des BIBB aber nicht ausschließlich auf die Auswirkungen der Pandemie zurückzuführen. Infolge der demografischen Entwicklung sinke schon seit Jahren die Zahl der Schulabgänger, weshalb mit einem leichten Rückgang der Anzahl an Ausbildungsverträgen gerechnet wurde.

Bundesbildungsministerin Anja Karliczek (CDU) zufolge betrifft der Rückgang dabei alle Branchen. «Die Corona-Pandemie hat merkliche Spuren auch auf dem Ausbildungsmarkt hinterlassen.» Mit einer Corona-Ausbildungsprämie unterstützt der Bund deshalb Betriebe, damit Auszubildende aus anderen Unternehmen, die wegen der Corona-Krise zahlungsunfähig werden, ihre Lehre dort fortsetzen können.

Der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) warnte, junge Menschen, die jetzt nicht ausgebildet würden, fehlten künftig als Fachkräfte. Auch der Einbruch bei den Neuverträgen in der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 habe nie vollständig ausgeglichen werden können, sagte Präsident Hans Peter Wollseifer.

«Dass die Zahl der abgeschlossenen Ausbildungsverträge in diesem Jahr zurückgeht, liegt nicht am mangelnden Engagement der Unternehmen», sagte der Hauptgeschäftsführer des Arbeitgeberverbandes Gesamtmetall, Oliver Zander. «Die Ausbildungsbereitschaft der Unternehmen ist trotz Corona-Pandemie und schwieriger wirtschaftliche Lage weiterhin sehr hoch.» In der der Metall- und Elektro-Industrie hätten in den vergangenen Jahren allerdings 10 Prozent der Lehrstellen nicht besetzt werden können, da es nicht genügend geeignete Bewerber gebe.

Der Deutsche Gewerkschaftsbund sieht schlechte Vorzeichen auch für das nächste Jahr. «Vor allem junge Menschen mit niedrigen oder mittleren Schulabschlüssen sowie Jugendliche aus Einwandererfamilien drohen zu den Verlierern der Krise zu werden», sagte die stellvertretende DGB-Vorsitzende Elke Hannack. Sie forderte eine Ausbildungsgarantie, die Jugendlichen, die keinen betrieblichen Ausbildungsplatz bekommen, den Einstieg in das erste Ausbildungsjahr in einer außerbetrieblichen Ausbildung ermöglichen soll.


Zurück

Vielleicht auch interessant

Verbraucherschützer sprechen sich deutlich gegen ein mögliches Verbot von Bezeichnungen wie «Tofu-Wurst» oder «Soja-Schnitzel» aus. Das Europaparlament will am Mittwoch über ein entsprechendes Vorhaben abstimmen.

Die niederländische Tourismusbranche steht vor einer möglichen drastischen Änderung: Die Regierung in Den Haag plant, die Mehrwertsteuer auf Übernachtungen von derzeit 9 auf 21 Prozent anzuheben. Die Maßnahme soll laut Medienberichten ab dem 1. Januar 2026 in Kraft treten. Branchenvertreter warnen vor drastischen Folgen.

 

Die Neuköllner Kulturkneipe «Bajszel» ist erneut Ziel antisemitischer Anfeindungen geworden. Rund um die Schenke brachten unbekannte Flugblätter an, auf denen die drei Betreiber abgebildet sind und wegen angeblicher Unterstützung Israels persönlich bedroht werden.

Weniger Werbung für Ungesundes: Vor allem Kinder sollen dadurch geschützt werden. Die britische Regierung erhofft sich langfristig Milliardeneinsparungen im Gesundheitssektor.

Am 2. Oktober beginnt vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim eine entscheidende Verhandlungsreihe. Gegenstand sind Berufungen der landeseigenen L-Bank gegen Urteile, die zuvor Rückforderungsbescheide der Corona-Soforthilfe als unrechtmäßig eingestuft hatten.

Gastwirte sollen 2026 entlastet werden, die Umsatzsteuer auf Speisen sinkt. Doch ob es auch zu Preissenkungen in Restaurants kommt, ist fraglich. Die DGB-Vorsitzende hätte da einen anderen Vorschlag. Bayerns Tourismusministerin widerspricht.

Die geplante Ausweitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf Restaurants, Imbisse und Co. stößt auf heftigen Widerstand. Branchenvertreter sehen darin eine neue, unnötige Bürokratie und befürchten Wettbewerbsnachteile, ohne dass es einen echten Mehrwert für die Gäste gibt.

Die europäische Kommission hat von den Tech-Unternehmen Apple, Google, Microsoft und Booking.com Auskünfte darüber verlangt, wie sie sich auf ihren Plattformen gegen Betrugsmaschen zur Wehr setzen. Grundlage dafür ist das Gesetz über digitale Dienste.

Beim „Burger Dialog“ von McDonald's trafen Vertreter der Gen Z auf Abgeordnete der Regierungskoalition. Im Zentrum des Austauschs standen die Sorgen junger Menschen, die zunehmend daran zweifeln, dass Leistung allein noch den gesellschaftlichen Aufstieg sichert.

In vielen Ballungsräumen gehen etliche reguläre Wohnungen ausschließlich an Feriengäste. Lindert es die Wohnungsnot, wenn man die kurzfristige Vermietung eindämmt?