«Drastische Maßnahmen»: Merkel und Seehofer bringen neue Reiseverbote ins Gespräch

| Politik Politik

Angesichts der Risiken durch Mutationen des Coronavirus denkt die Bundesregierung nach Informationen von «Bild» über weitere Einschränkungen im grenzüberschreitenden Verkehr nach. «Die Gefährdung, die von den zahlreichen Virus-Mutationen ausgeht, verlangt von uns, dass wir auch drastische Maßnahmen prüfen und in der Bundesregierung diskutieren», sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) zu «Bild» (Dienstag). Dazu gehörten «deutlich schärfere Grenzkontrollen», besonders an den Grenzen zu Hochrisikogebieten, «aber auch die Reduzierung des Flugverkehrs nach Deutschland auf nahezu Null». Das Bundesinnenministerium äußerte sich zunächst nicht zu konkreten Planungen für neue Einreise-Regelungen.

Kanzlerin Angela Merkel (CDU) beklagte gut ein Jahr nach Ausbruch der Corona-Pandemie mangelndes Tempo im Kampf gegen das Virus. «Die Schnelligkeit unseres Handelns lässt sehr zu wünschen übrig», sagte sie am Dienstag beim Online-Treffen des Weltwirtschaftsforums. Nach einem Bericht der «Bild»-Zeitung hat sich Merkel in einer Videokonferenz mit Fraktionschefs der Union für weitere Einschränkungen ausgesprochen. «Uns ist das Ding entglitten. Wir müssen noch strenger werden, sonst sind wir in 14 Tagen wieder da, wo wir waren», wird sie laut «Bild» von Teilnehmern zitiert.

Die Kanzlerin soll in der Konferenz konkret Einschränkungen des Flugverkehrs ins Gespräch gebracht haben. «Warum können wir die Reisen nicht verbieten?», soll sie gefragt haben. Man müsse «den Flugverkehr so ausdünnen, dass man nirgendwo mehr hinkommt».

In Israel ist die britische Coronavirus-Mutation für einen großen Teil der Neuinfektionen verantwortlich. Um das Einschleppen weiterer Mutationen zu verhindern, hat die Regierung entschieden, den internationalen Flughafen Ben Gurion bei Tel Aviv vorerst bis Monatsende nahezu komplett zu schließen. Ausnahmen gelten in nur wenigen Fällen, etwa bei Frachttransporten oder Flügen zu medizinischen Behandlungen. Der internationale Luftverkehr läuft in Israel fast ausschließlich über den Ben-Gurion-Flughafen.

In Deutschland gibt es bisher keine staatlichen Eingriffe in den Flugverkehr. Der grenzüberschreitende Reiseverkehr ist aber durch Testpflichten und Quarantäneregeln für Einreisende aus Corona-Risikogebieten eingeschränkt. Als Risikogebiete in drei Kategorien sind inzwischen mehr als 150 von 200 Ländern weltweit ausgewiesen.

Am Mittwoch vor genau einem Jahr war der erste Corona-Fall in Deutschland nachgewiesen worden. Merkel zog auf dem Weltwirtschaftsforum eine kritische Bilanz. Es seien in Deutschland Stärken, aber auch Schwachstellen deutlich geworden. Man habe sehr auf den Gemeinsinn und den Einsatz von Bürgerinnen und Bürgern bauen können. Ein gutes Fundament seien die soliden Finanzen gewesen. So habe man Unternehmen und Bürgern helfen können.

Sehr kritisch äußerte sie sich zur Geschwindigkeit von Prozessen in Deutschland unter anderem durch überbordende Bürokratie. Da habe man nachzuarbeiten, aber auch beim Thema Digitalisierung. Merkel beklagte die mangelnde Vernetzung der Gesundheitsämter, der Verwaltung und des Bildungssystems.

Sie beschwor gleichzeitig die enge weltweite Zusammenarbeit als zentral im Kampf gegen die Pandemie. «Es ist die Stunde des Multilateralismus», sagte Merkel. Sie mahnte, «dass ein Abschottungsansatz uns nicht helfen wird, die Probleme zu lösen».

In der Debatte über den Lockdown in Deutschland sprach sich Grünen-Chefin Annalena Baerbock gegen frühzeitige Lockerungen der Maßnahmen aus. «Ich halte es nicht für sehr sinnvoll, angesichts dessen, dass wir die Zahlen gerade mal ein bisschen runter bekommen konnten, jetzt sofort wieder darüber gesprochen wird, was wir lockern können», sagte sie im SWR. Unter anderem die AfD will im Bundestag diese Woche eine Debatte über eine möglichst rasche Lockerung der staatlichen Anti-Corona-Maßnahmen anstoßen.

Die Gesundheitsämter haben dem Robert Koch-Institut (RKI) 6408 Corona-Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet. Außerdem wurden 903 neue Todesfälle innerhalb von 24 Stunden verzeichnet, wie das RKI am Dienstagmorgen bekanntgab. Vergangenen Dienstag hatte das RKI 11 369 Neuinfektionen und 989 neue Todesfälle binnen 24 Stunden verzeichnet. Allerdings enthielten diese Werte Nachmeldungen.

Tourismusverband warnt vor weiteren Reiseeinschränkungen

Der Reiseverband DRV hat vor weiteren Reiseeinschränkungen gewarnt. «Reisen finden de facto kaum noch statt. Dies sollte auch die Bundesregierung zur Kenntnis nehmen», teilte der Verband am Dienstag mit. Schon jetzt seien touristische Trips durch staatliche Entscheidungen fast vollständig zum Erliegen gekommen, auch der Geschäftsreisesektor liege völlig am Boden. «Wir brauchen daher keine weitere Stigmatisierung des Reisens, sondern eine sachliche Debatte», mahnte der Verband. Die Bundesregierung sollte ihre Aufmerksamkeit vor allem auf die Impfstrategie ausrichten, die im internationalen Vergleich dramatische Defizite aufweise.

Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte laut einem «Bild»-Bericht in einer internen Videokonferenz mit Fraktionschefs der Union aus Bund und Ländern das Management in der Corona-Krise deutlich kritisiert. Auch die Auslandsreisen vieler Deutscher habe sie kritisiert, berichtete das Blatt. «Warum können wir die Reisen nicht verbieten?», soll die Regierungschefin gefragt haben. Man müsse «den Flugverkehr so ausdünnen, dass man nirgendwo mehr hinkommt», sagte Merkel nach Angaben von Zuhörern der Schalte. (dpa)


Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.