Einwanderungsland Deutschland - so sollen mehr Fachkräfte kommen

| Politik Politik

«Make it in Germany.» Mit diesem Slogan wirbt Deutschland um ausländische Fachkräfte. Auf einem Internetportal gibt es eine Jobbörse und Infos zu Sprachkursen. Es wird auf die gute Qualität von Bildungs- und Gesundheitssystem verwiesen, auf die politische Stabilität - und auf im internationalen Vergleich kurze Arbeitszeiten mit vielen Urlaubs- und Feiertagen. Die Werbung ist nötig: Denn die Bundesregierung sieht Deutschland in den kommenden Jahren auf Fachkräfte aus dem Ausland angewiesen.

Die sollen zunehmend aus Ländern außerhalb der Europäischen Union kommen. Damit das klappt und mehr Fachkräfte nach Deutschland kommen, unterzeichneten Bundesregierung, Länder, Wirtschaft und Gewerkschaften bei einem Spitzentreffen am Montag eine Absichtserklärung - um eng zusammenzuarbeiten.

WORUM ES GEHT:

Deutschland steht mit anderen Ländern im Wettbewerb um Fachkräfte. Deswegen müsse Deutschland als ein «weltoffenes, als ein interessiertes Land rüberkommen», so Merkel. Das Fachkräfteeinwanderungsgesetz, das Anfang März in Kraft tritt, soll qualifizierten Arbeitnehmern aus Nicht-EU-Staaten deutlich leichter und schneller den Weg nach Deutschland ebnen. «Es ist dringend notwendig, dass wir ein solches Gesetz haben», sagte Merkel: «Wir gehen das Problem an.» Das neue Gesetz solle ein Erfolg werden.

Dahinter steht eine Fachkräftestrategie der Bundesregierung, die auf drei Säulen basiert. Zum einen soll das Fachkräftepotenzial im Inland besser genutzt werden. So sollen Arbeitslose qualifiziert werden, damit sie einen Job finden. Zum anderen soll es weiter Zuwanderung aus EU-Staaten gehen. Die Regierung geht aber davon aus, dass die Zuwanderung aus der EU abnimmt - weil diese Länder ihre Fachkräfte selbst brauchen und ebenfalls vom demografischen Wandel betroffen sind, also der Alterung der Bevölkerung.

Deswegen soll nun die «dritte Säule» gestärkt werden: die Einwanderung von Fachkräften aus sogenannten Drittstaaten, also aus Ländern außerhalb der EU. Intern geht man in der Bundesregierung davon aus, dass in den kommenden Jahren Zehntausende Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten gebraucht werden.

IN WELCHEN BERUFEN ES ENGPÄSSE GIBT:

Die größten Engpässe bestehen laut Fachkräftestrategie der Regierung derzeit bei Berufen aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik - daneben sind der Bau, der Hotel- und Gaststättenbereich sowie Gesundheitsberufe betroffen. Konkret gehe es etwa um Elektrotechniker, Metallbauer, Mechatroniker, Köche, Alten- und Krankenpfleger, Informatiker sowie Softwareentwickler.

Für die Wirtschaft bleibt der Fachkräftemangel trotz einer schwächeren Konjunktur das größte Geschäftsrisiko, wie aus einer Umfrage des Deutschen Industrie- und Handelskammertags hervorgeht. Für Unternehmen wirkt das wie ein Bremsklotz: Sie können Aufträge nicht annehmen, weil sie nicht genügend qualifizierte Leute haben.

WIE UND WO FACHKRÄFTE ANGEWORBEN WERDEN SOLLEN:

Länder, in denen Fachkräfte angeworben werden sollen, sind zunächst unter anderem Brasilien, Indien und Vietnam. Entscheidend ist, dass Länder Interesse an einer Zusammenarbeit mit Deutschland haben - also überhaupt zulassen, dass Fachkräfte angeworben werden sollen. Ist das der Fall, soll die Beratung von Interessierten im Ausland verbessert werden. Damit Abschlüsse anerkannt werden, soll es Qualifizierungen geben. Eine wichtige Rolle dabei spielen die Auslandshandelskammern. Besonders wichtig: Angebote bereits im Ausland, um Deutsch zu lernen.

«Das Anwerben von Arbeitskräften aus Drittstaaten ist harte Arbeit», sagte Daniel Terzenbach, Mitglied im dreiköpfigen Vorstand der Bundesagentur für Arbeit. Es gehe um die Anerkennung der Berufsausbildung und Behördengänge. Die Bundesagentur versuche, «einen fairen und transparenten Mobilitätsprozess» zu organisieren. Keinesfalls sollen die Menschen im Ausland oder in Deutschland an die falschen Leute geraten und abgezockt werden.

Die Bundesagentur sucht seit Jahren mit Partnern gezielt nach Arbeitskräften im Ausland für den deutschen Markt - etwa auf den Philippinen, in Tunesien oder auch in Bosnien-Herzegowina. Nach Angaben der Bundesagentur kamen im vergangenen Jahr 60 000 Menschen aus Nicht-EU-Ländern aus beruflichen Gründen nach Deutschland.

DIE VISUM-FRAGE:

Auch die begehrteste Fachkraft kommt nicht weit ohne Visum. Die deutschen Auslandsvertretungen, die die Dokumente ausstellen, erweisen sich aber bisher als Flaschenhals auf dem Weg nach Deutschland. Visaverfahren sollen nun beschleunigt werden. Angesichts der stark gestiegenen Nachfrage habe man an betroffenen Standorten bereits aufgestockt, sowohl personell als auch räumlich, heißt es aus dem Auswärtigen Amt. «Dadurch konnten wir die Wartezeiten für qualifizierte Fachkräfte an vielen Vertretungen drastisch reduzieren.»

INTEGRATION DER EINWANDERER:

Ausländische Fachkräfte sollen betrieblich und gesellschaftlich integriert werden. So sollen die Firmen bei der Wohnungssuche oder Behördengängen unterstützen. Die Gewerkschaften treten für ein«offenes, diskriminierungsfreies Miteinander» ein. Fehler der Vergangenheit sollen nicht wiederholt werden. «Es war falsch, die sogenannten Gastarbeiter der 1950er und 1960er Jahre nicht systematisch zu integrieren», sagte die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Annette Widmann-Mauz, den Zeitungen der Funke Mediengruppe.

Von Andreas Hoenig, Martina Herzog und Michael Donhauser, dpa

Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.