Gesetz gegen Online-Riesen: EU-Staaten positionieren sich bei wichtigem Digital-Paket

| Politik Politik

Die Digital-Gesetzgebung in Europa hat einen großen Schritt nach vorne gemacht. Der Rat der EU-Staaten legte kürzlich seine Verhandlungsposition bei zwei wichtigen Digital-Gesetzen fest. Das Gesetz über digitale Märkte (DMA, Digital Markets Act) soll die Macht von Internet-Riesen wie Facebook, Amazon und Google begrenzen. Das Gesetz über digitale Dienste (DSA, Digital Services Act) befasst sich mit gesellschaftlichen Aspekten wie Hassrede oder gefälschten Produkten.

Auf große Online-Plattformen mit essenziellen Diensten wie Google, Apple, Facebook, Amazon, Microsoft, Airbnb und Booking.com mit einer Marktkapitalisierung von über 80 Milliarden Euro kommen deutlich schärfere Wettbewerbsauflagen zu. Diesen Kurs unterstützte der federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Verbraucherschutz (IMCO) im EU-Parlament am Dienstag.

«Heute haben wir einen wichtigen Meilenstein bei der Schaffung eines offeneren und wettbewerbsfähigeren digitalen Markts erreicht», sagte der slowenische Minister Zdravko Pocivalsek mit Blick auf den DMA im Namen der aktuellen EU-Ratspräsidentschaft. Der französische Minister Cédric O sprach am Rande des Treffens der für Binnenmarkt und Wettbewerb zuständigen Minister von einem «fast historischen» Tag.

Der DMA zielt auf sogenannte Gatekeeper (Torwächter) ab, die erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben. Darunter sollen den EU-Staaten zufolge Plattformen wie Suchmaschinen oder Soziale Netzwerke mit mindestens 45 Millionen aktiven monatlichen Nutzern in der EU oder 10 000 jährlichen Geschäftskunden fallen. Die Schwelle beim Jahresumsatz liegt bei 6,5 Milliarden Euro. Die Gatekeeper müssen bestimmte Regeln befolgen. Tun sie das nicht, drohen Strafen in Milliardenhöhe. Beim DSA gilt: Was offline verboten ist, soll auch online verboten sein - etwa der Verkauf gefälschter Produkte oder illegale Hassrede. Je größer die Plattform, desto mehr Regeln muss sie beachten. Bisher sei das Internet zum Teil ein «Dschungel ganz ohne Regeln», sagte die litauische Ministerin Ieva Valeskaite.

Der amtierenden Bundesregierung gehen die Beschlüsse jedoch nicht weit genug. Sie stimmte am Donnerstag zwar zu, gab aber sowohl beim DMA als auch beim DSA eine Zusatzerklärung ab. Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß aus dem Wirtschaftsministerium nannte in der Sitzung etwa die Befürchtung, der Kinder- und Jugendmedienschutz könne abgeschwächt werden. Die geschäftsführende Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) sprach mit Blick auf den DSA dennoch von einem «wegweisenden Beschluss».

Für Verbesserungen setzt die Bundesregierung auf die nun anstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament. Dies will seine Position zu beiden Gesetzen noch im Dezember festzurren. Anschließend können die Gespräche zwischen Parlament und den EU-Staaten über DMA und DSA beginnen. Ziel ist, sich bei beiden Gesetzen in der ersten Jahreshälfte 2022 zu einigen.

Europa als Vorreiter: EU-Staaten positionieren sich bei Digital-Paket

Die Dominanz des Stärkeren, Lauteren oder Ruchloseren im Internet soll in der EU bald ein Ende haben. Der Rat der EU-Staaten hat am Donnerstag seine Verhandlungsposition bei zwei wegweisenden Gesetzen festgelegt: dem Gesetz über digitale Märkte (Digital Markets Act, DMA) und dem Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act, DSA). Beide zusammen könnten das Internet deutlich verändern. Tech-Riesen wie Google und Facebook werden unter Androhung hoher Strafen mehr Pflichten auferlegt, die Rechte von Verbrauchern besser geschützt. Wie schon beim Datenschutz könnte die EU damit weltweit Standards setzen. Doch so weit ist es noch nicht.

Worum geht es konkret?

Es ist 21 Jahre her, dass die EU umfassende Spielregeln für digitale Dienste und Online-Plattformen aufgestellt hat. In dieser Zeit sind nicht nur Amazon, Facebook und Google zu riesigen Konzernen herangewachsen. Soziale Netze werden heute auch von Hassrede oder Fake-News-Kampagnen überschwemmt und Marktplätze von gefälschter Ware. Um dem entgegenzutreten, hat die EU-Kommission im Dezember 2020 ein großes Digital-Paket aus DMA und DSA vorgeschlagen. Das Gesetz über digitale Märkte soll die Marktmacht von Digital-Riesen wie Google, Facebook und Amazon begrenzen. Das Gesetz über digitale Dienste geht gesellschaftliche Fragen an, etwa den Umgang mit illegalen Inhalten im Netz.

Über das gesamte Paket haben die für Binnenmarkt und Wettbewerb zuständigen Ministerinnen und Minister am Donnerstag abgestimmt. Der französische Minister Cédric O sprach von einem fast historischen Tag. Irlands Robert Troy von einem Meilenstein.

Wie sieht die Position der EU-Staaten im Detail aus?

Grundsätzlich sind die EU-Staaten nah an den Vorschlägen der EU-Kommission. Der DMA zielt auf Gatekeeper (Torwächter), die erhebliche Auswirkungen auf den Binnenmarkt haben. Die EU-Staaten sehen vor, dass Plattformen wie Suchmaschinen oder Soziale Netzwerke mit mindestens 45 Millionen aktiven monatlichen Nutzern in der EU oder 10 000 jährlichen Geschäftskunden dazu gehören. Beim Jahresumsatz liegt die Schwelle bei 6,5 Milliarden Euro.

Diese Gatekeeper müssen es nach dem Willen der EU-Staaten unter anderem ermöglichen, vorinstallierte Apps auf den eigenen Geräten deinstallieren zu können. Auch dürfen die Gatekeeper eigene Produkte und Angebote nicht mehr bevorzugt gegenüber denen der Konkurrenz behandeln - das würde etwa Amazon treffen. Zudem dürfen sie Mitbewerbern nicht verbieten, das gleiche Angebot woanders günstiger anzubieten.

Durchsetzen soll all das die EU-Kommission. Unter anderem auf Drängen Deutschlands sollen jedoch auch die nationalen Wettbewerbsbehörden Ermittlungen starten und die Erkenntnisse an die Brüsseler Behörde weiterleiten können. Das mögliche Strafmaß bei Verstößen liegt bei bis zu zehn Prozent des Jahresumsatzes. «Strukturelle Abhilfemaßnahmen» - also etwa eine Aufspaltung des Unternehmens - sollen nur in absoluten Ausnahmefällen verhängt werden.

Und beim Gesetz über digitale Dienste?

Auch hier halten sich die EU-Staaten recht nah an den Vorschlag der EU-Kommission. Grundsätzlich soll alles, was offline verboten ist, auch online verboten sein soll - etwa der Verkauf gefälschter Produkte oder illegale Hassrede. Dabei gilt: Je größer die Plattform, desto mehr Regeln muss sie beachten. Neu ist, dass die EU-Staaten sogenannte manipulative «Dark Pattern» auf Marktplätzen verbieten wollen, die Verbraucher manipulieren und zu einer Kaufentscheidung drängen sollen. Auch dafür hatte die Bundesregierung sich eingesetzt. Als Strafen sind beim DSA bis zu sechs Prozent des Jahresumsatzes vorgesehen.

Deutschland ist nicht voll zufrieden - weshalb?

Deutschland war in den vergangenen Jahren unter anderem mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz gegen Hass, Hetze und Terror-Propaganda vorgeprescht. Nun trug die amtierende Bundesregierung zwar sowohl die DMA- als auch die DSA-Position mit - gab aber je eine Zusatzerklärung ab. Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß nannte mit Blick auf den DSA unter anderem die Befürchtung, der Kinder- und Jugendmedienschutz könne abgeschwächt werden. Auch sollten Löschpflichten und -fristen für sehr große Online-Plattformen strenger gestaltet werden. Beim DMA betonte sie, die nationalen Wettbewerbsbehörden müssten zwingend effektiv eingebunden werden. Auch solle man sich besser auf wenige Gatekeeper konzentrieren, als den Kreis zu groß zu ziehen. Für weitere Änderungen setzt Deutschland auf die nun anstehenden Verhandlungen mit dem Europaparlament.

Wie fallen die Reaktionen aus?

Der Digitalverband Bitkom begrüßte die Positionen. Diese seien «überwiegend ausbalanciert», sagte Hauptgeschäftsführer Bernhard Rohleder. Der DSA verbessere den Verbraucherschutz und sorge für klare, harmonisierte Regeln für die Anbieter digitaler Dienste und von Online-Plattformen. Der DMA setze «wichtige neue Impulse für einen fairen Wettbewerb in der EU». Die Regeln berücksichtigten jedoch zu wenig die Auswirkungen auf europäische Plattformen, Start-ups und Cybersicherheitsthemen.

Auch der europäische Verbraucherverband Beuc sieht Licht und Schatten. Negativ sei etwa, dass Gatekeeper nicht dazu gezwungen werden, Social Media und Messengerdienste für die Konkurrenz zu öffnen. Nutzer, die Whatsapp nicht mögen, hätten kaum eine andere Wahl, weil ihre meisten Kontakte den zu Facebook gehörenden Dienst nutzten. Auch die DSA-Vorgaben für Online-Marktplätze seien unzureichend.

Europäische Presseverlegerverbände kritisierten, dass der Schutz europäischer Medieninhalte gegen «willkürliche Löschungen und Sperrungen» auf digitalen Plattformdiensten nicht gewährleistet sei. Es gelte, «die Freiheit und Vielfalt der Medien vor einseitigen und manchmal missbräuchlichen Entscheidungen der Plattformanbieter insbesondere auf Grundlage ihrer allgemeinen Geschäftsbedingungen zu schützen.»

Von den Konzernen kam bereits in den vergangenen Monaten Gegenwind. So kritisierte Apple, der DMA könnte Sicherheit und Privatsphäre der iPhone-Nutzer gefährden, wenn das Laden von Apps aus anderen Plattformen erzwungen werde. Facebook warnte vor zu strikten politischen Vorgaben, die Innovationen abzuwürgen drohten.

Wie geht es jetzt weiter?

Bevor DMA und DSA Wirklichkeit werden, müssen die EU-Staaten und das Parlament sich noch auf eine gemeinsame Linie einigen. Das Parlament muss dazu zunächst noch die eigene Position festzurren. Das soll Mitte Dezember geschehen. In der ersten Jahreshälfte 2022 sollen die Verhandlungen dann abgeschlossen werden abgeschlossen werden. (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.