„Harter Lockdown“ ab dem 4. Advent wahrscheinlich

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Deutschland steuert auf einen bis zu drei Wochen dauernden harten Lockdown noch vor Weihnachten zu. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD), der auch Vorsitzender der Ministerpräsidentenkonferenz ist, sagte am Donnerstagabend, es zeichne sich ab, auch in den Gesprächen mit den Kollegen der Bundesländer, «dass ab 20. es doch erhebliche Einschnitte gibt» und der Einzelhandel «deutlich» heruntergefahren werde. Die Schulferien hätten dann ohnehin begonnen, viele Menschen gingen nicht mehr arbeiten und im Nahverkehr werde es ruhiger. «Zwischen dem 20. Dezember und 10. Januar haben wir praktisch drei Wochen massiver Einschränkungen, die auch mit Sicherheit auch dazu führen werden, dass die Inzidenzen runtergehen», sagte Müller in der ZDF-Sendung «Markus Lanz».

Müller äußerte die Erwartung, dass sich die Ministerpräsidentenkonferenz darauf verständigen wird, dass das öffentliche Leben in diesen drei Wochen weitestgehend heruntergefahren wird. Das zeichne sich auch ab. Auch jene, deren Länder niedrige Infektionszahlen aufwiesen, sagten nun, man befinde sich bundesweit in einer Krisensituation, in der man solidarisch sein müsse. Die eindringlichen Appelle von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) seien hier sehr hilfreich gewesen.

Mehrere Ministerpräsidenten hatten für eine gemeinsame Linie der Bundesländer geworben. Schleswig-Holsteins Ministerpräsident Daniel Günther (CDU) sagte am Donnerstag, er gehe davon aus, dass sich Bund und Länder am Sonntag beraten. Auch der «Spiegel» berichtete, dass sich die Länder mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) am Sonntag zusammenschalten wollen.

Einen ähnlichen Zeitraum wie Müller nannte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). «Ich gehe davon aus, zwischen dem 19. Dezember und dem 10. Januar werden wir ganz generell in Deutschland eine sehr, sehr ruhige Phase haben. Und das muss auch sein», sagte Weil in einem ZDF-«spezial». Am Donnerstag hatte sich auch Mecklenburg-Vorpommerns Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) dafür ausgesprochen, den Einzelhandel - Lebensmittelläden ausgenommen - schon zum vierten Advent zu schließen.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte in der ZDF-Sendung «Maybrit Illner»: «Ich glaube, wir müssen auch an Weihnachten, auf jeden Fall auch an Silvester wirklich auch streng sein». Bundesfamilienministern Franziska Giffey (SPD) empfahl den Bürgern in der «Rheinischen Post» (Freitag), «sich nur im kleinsten Kreis treffen und ansonsten auf Verwandtschaftsbesuche über die Feiertage möglichst verzichten».

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier zeigte sich in der derselben Sendung besorgt über die aktuelle Entwicklung. «Das exponentielle Wachstum setzt wieder ein. Und das bedeutet: Wir müssen dringend handeln». Der CDU-Politiker fügte an: «Wir müssen mehr handeln, als bisher geplant war». Altmaier sagte zugleich mit Blick auf die Infektionszahlen, was er am Abend gehört habe, lasse für die Meldungen am Freitagmorgen «nichts Gutes erwarten». Am Donnerstagmorgen hatte das Robert Koch-Institut mit 23 679 Corona-Infektionen den Höchstwert binnen 24 Stunden gemeldet.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach mahnte zur Eile. «Einen harten Lockdown erst nach Weihnachten starten zu lassen, wäre zu wenig und zu spät. Wir brauchen bereits in der kommenden Woche diesen bundesweiten, möglichst harten Lockdown inklusive Schulschließungen», sagte Lauterbach der «Rheinischen Post» (Freitag). Der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, mahnte im Interview des Redaktionsnetzwerks Deutschland (RND/Freitag): «Angesichts der aktuell sehr hohen Todeszahlen und einer unverändert hohen Belastung in den Kliniken müssen wir die Kontakte schnell und deutlich reduzieren.»

Sorgen um das Weihnachtsgeschäft macht sich der Einzelhandel. Der Hauptgeschäftsführer des Handelsverband Deutschland (HDE), Stefan Genth, forderte in der «Welt» (Print: Freitag) im Fall von Ladenschließungen Entschädigungen «analog zur Gastronomie in den Monaten November und Dezember». Ansonsten komme es zu einem Flächenbrand in den Innenstädten, warnte Genth.

Eine ganze Reihe von Bundesländern hat bereits strenge Maßnahmen beschlossen. Die für den Zeitraum vom 23. Dezember bis zum 1. Januar geplanten Lockerungen von Kontaktbeschränkungen wurden in einigen Ländern bereits eng begrenzt.

Baden-Württemberg will unter anderem zu Anfang nächster Woche eine nächtliche Ausgangssperre sowie tagsüber Ausgangsbeschränkungen einführen, erfuhr die Deutsche Presse-Agentur in Stuttgart nach einem Gespräch der grün-schwarzen Landesregierung mit den kommunalen Spitzenverbänden am Donnerstag. Wer das Haus tagsüber verlässt, soll das nur noch mit einem triftigen Grund tun, etwa für die Arbeit.

In Sachsen, zurzeit bundesweit das Land mit den höchsten Infektionszahlen, sollen Schulen, Kitas, Horte und viele Geschäfte vom kommenden Montag an geschlossen werden. Geplant sind auch nächtliche Ausgangssperren zwischen 22 und 6 Uhr. Das sieht die neue Corona-Schutzverordnung vor, die das Kabinett am Freitag beschließen will. Einkaufen in Sachsen soll von nächster Woche an nur innerhalb eines 15-Kilometer-Radius möglich sein. Ziel der Maßnahme ist es, Einkaufstourismus in angrenzende Bundesländer zu verhindern.

Das Kabinett von Thüringen, das ebenfalls hohe Infektionszahlen aufweist, beschloss am Donnerstagabend weitere Maßnahmen für den Freistaat. So sollen Handels- und Dienstleistungsbetriebe mit Ausnahmen von Lebensmittelläden und Geschäften für den Grundbedarf, «soweit die Ministerpräsidentenkonferenz keine zeitlich davor liegenden Regelungen trifft», mit Ablauf des 18. Dezember schließen.

Auch das saarländische Kabinett tagt am Freitag. Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte der «Rheinischen Post», er befürworte einen harten, mindestens zweiwöchigen Lockdown. «Entscheidend ist, dass sich alle Bundesländer gemeinsam mit dem Bund auf ein abgestimmtes, einheitliches und für die Menschen nachvollziehbares Vorgehen einigen. Der Föderalismus muss zeigen, dass er in der Bekämpfung der Pandemie handlungsfähig ist», sagte Hans der Zeitung.

Für Berlin hatte der Regierende Bürgermeister Müller am Donnerstag ebenfalls deutliche Einschränkungen angekündigt. Der Senat will sich am kommenden Dienstag damit befassen. Müller will sich dabei auch mit Brandenburg abstimmen.

Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder setzt auf die Gemeinsamkeit der Länder. «Ich rate uns zu einem einheitlichen Vorgehen und hoffe dabei auf die Ministerpräsidentenkonferenz», sagte der CSU-Chef dem Nachrichtenportal t-online. In Bayern gelten schon seit Mittwoch strengere Regeln wie Ausgangsbeschränkungen, Alkoholverbot in Innenstädten und Ausgangssperren in Hotspots. «Es braucht bundesweit Ausgangsbeschränkungen, nächtliche Ausgangssperren in Hotspots, Geschäftsschließungen, Betriebsferien und überall verlängerte Schulferien», sagte Söder am Donnerstag der Deutschen Presse-Agentur in München. Nur Läden für den alltäglichen Bedarf wie Lebensmitteln sollen offenbleiben. (dpa)


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