"Klöckner untragbar": Jan Hartwig für Umdenken beim Fleischkonsum

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Seit 2014 ist Jan Hartwig Küchenchef im Restaurant Atelier im Hotel Bayerischer Hof in München. Der Drei-Sterne-Koch engagiert sich aber nicht nur am Herd, sondern auch für ein Umdenken der Deutschen beim Fleischkonsum. Vor allem die Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöcker (CDU) kritisiert Hartwig immer wieder.

Angesichts der Corona-Infektionszahlen in Schlachthöfen müsse endlich Schluss sein mit der Ausbeutung von Mensch und Tier. Fleisch werde verramscht und teilweise deutlich billiger verkauft als beispielsweise Gemüse. Statt Doppelmoral bräuchte es seiner Meinung nach ein ehrliches Bekenntnis für Verantwortung und mehr Tierwohl.

„Frau Klöckner gehört abgewählt“

Im Gespräch mit der Abendzeitung legte Hartwig dann noch einmal nach. Er sei zornig, vor allem, da seine Nachrichten an die Ministerin in den sozialen Netzwerken gelöscht würden. Auch die Kooperation zwischen Klöckner und Johann Lafer, die für die BILD ein Drei-Gänge-Menü zubereitet und dabei Produkte der Tierwohl-Stufe eins verwendet hatten, kritisierte Hartwig scharf. So jemand sei seiner Meinung nach in dieser Position untragbar. Für ihn gehöre sie sofort abgewählt.

Klöckner dringt auf grundlegende Veränderungen im Fleischmarkt

Bundesagrarministerin Julia Klöckner (CDU) dringt derweil ebenfalls auf grundlegende Veränderungen im Fleischmarkt, um den ständigen Preiskampf und problematische Bedingungen zu unterbinden. «Es wird keine zweite Chance geben für die gesamte Branche», sagte Klöckner nach einem Treffen mit Branchen- und Verbandsvertretern am Freitag in Düsseldorf. Die Corona-Krise mit dem großen Infektionsausbruch beim Fleischproduzenten Tönnies sei wie ein Brennglas für die Situation.

Klöckner kündigte an, Gesetzesverschärfungen zur Preisgestaltung und Lebensmittelwerbung mit Lockpreisen zu prüfen. Über eine mögliche Tierwohlabgabe als Preisaufschlag für die Verbraucher wolle sie mit den Partei- und Fraktionsspitzen im Bundestag sprechen. Dazu sei ein übergreifender Konsens nötig. Klöckner warb erneut für ein freiwilliges Tierwohl-Logo für Fleisch aus besserer Haltung.

Zu dem Treffen hatten Klöckner, ihre nordrhein-westfälische Kollegin Ursula Heinen-Esser (CDU) und Niedersachsens Ressortchefin Barbara Otte-Kinast (CDU) eingeladen. Daran nahmen Vertreter von Tierhaltern, Schlachtbranche, Handel, Tier- und Verbraucherschützer teil.

Grüne pochen auf rasche Reformen in der Fleischindustrie

Nach dem Vorstoß von Klöckner für ein Umsteuern in der Fleischindustrie pocht auch die Opposition auf rasche Reformen. Die Grünen mahnen die CDU-Politikerin, es nicht bei Ankündigungen zu belassen. Die FDP warnt dagegen vor zusätzlichen Abgaben. Aus dem Gewerkschaftslager kommen Forderungen, möglichst rasch per Gesetz für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie zu sorgen. Nach mehreren Corona-Ausbrüchen in Großbetrieben wächst die - schon länger anhaltende - Kritik an der Branche.

Hofreiter: "Regierung muss jetzt liefern"

Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter sagte: «Auch für die Regierung wird es keine zweite Chance geben, sie muss jetzt liefern». Er bezog sich damit auf die Aussage Klöckners, die Branche werde keine zweite Chance bekommen. Hofreiter forderte in den Zeitungen der Funke Mediengruppe unter anderem eine verbindliche Tierhaltungs- und Herkunftskennzeichnung, wie es sie für Eier bereits gibt.

Der Chef der Unionsfraktion im Bundestag, Ralph Brinkhaus (CDU), forderte den Einzelhandel auf, Werbung mit billigen Fleischprodukten zu unterlassen. «Es geht nicht, dass wir mit dem Produkt Fleisch, für das im Übrigen immer ein Tier gestorben ist, Lockvogel-Angebote zum Einkaufen machen», sagte Brinkhaus der «Rheinischen Post» (Samstag).

Auch Bauernpräsident Joachim Rukwied plädiert dafür, dass Fleisch als wertvolles Lebensmittel mehr «Wertschätzung» verdiene. Dies müsse sich auch in den Preisen ausdrücken, sagte er der «Passauer Neuen Presse» (Samstag). Rukwied warnte aber vor einer «Stigmatisierung» der Tierhalter. «Sie bemühen sich täglich, sieben Tage die Woche den Tieren möglichst viel Tierwohl in den Ställen zu bieten, und sie erzeugen hochwertige, heimische Lebensmittel für unsere Bevölkerung.»

Aus Sicht von FDP-Bundestagsfraktionsvize Frank Sitta geht «die simple Gleichung, dass eine Erhöhung der Fleischpreise direkt zu mehr Tierwohl, besserem Arbeitnehmer- und Umweltschutz führt» nicht auf. Stattdessen müsse die Landwirtschaft unabhängiger von staatlichen Fördergeldern werden, sagte er der Online-Ausgabe der «Passauer Neuen Presse» (Samstag): «Zusätzliche Abgaben und Steuern würden zudem eher im allgemeinen Staatshaushalt versacken.»

DGB: Gesetze statt Absichtserklärungen

Aus Sicht des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) muss die Bundesregierung die Eckpunkte von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) für bessere Arbeitsbedingungen in der Fleischindustrie schnellstmöglich in Gesetzesform gießen. «Allen ist klar: Es braucht jetzt verbindliche Regeln und Gesetze, keine Absichtserklärungen», sagte DGB-Vorstandsmitglied Anja Piel der «Rheinischen Post».

Noch vor dem größten deutschen Corona-Ausbruch im Schlachtbetrieb Tönnies hatte das Kabinett Eckpunkte für Neuregelungen beschlossen, um problematische Arbeitsbedingungen in Schlachthöfen zu unterbinden. Kern ist ein weitgehendes Verbot von Werkverträgen zum 1. Januar 2021 - also dass die komplette Ausführung von Arbeiten bei Subunternehmern eingekauft wird. Heil will im Sommer einen Gesetzentwurf vorlegen.

Die wegen Corona-Fällen vorübergehend geschlossenen Schlachthöfe bereiten Rukwied Sorgen. «Die Arbeitsfähigkeit der Fleischwirtschaft ist für die Landwirtschaft von existenzieller Bedeutung», sagte er. «Die Fleischwirtschaft muss nun alle Kapazitäten ausschöpfen, um schlachtreife Tiere auch zur Schlachtung bringen zu können.»

Der Chef und Miteigentümer des Tiefkühlkostherstellers Frosta, Felix Ahlers, mahnt «dringend» Änderungen im Lebensmittelrecht an. Kunden müssten die Qualität eines Nahrungsmittels auseinanderhalten können, sagte Ahlers der Zeitung «Die Welt». Nur dann werde es zwischen den Herstellern echten Wettbewerb geben. Etliche Zusatzstoffe hießen heute nicht mehr so, sondern würden zum Beispiel als Molkereierzeugnisse angegeben. Alle aromatisierten Lebensmittel müssten dies vorn auf der Packung ausweisen. (Mit Material der dpa)


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