Merkel ruft zum Verzicht auf Reisen an Ostern auf

| Politik Politik

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat die Menschen in Deutschland zum Verzicht auf alle nicht zwingend notwendigen Reisen zu Ostern aufgefordert. Wegen der immer weiter steigenden Zahl von Corona-Infektionen solle es ein Osterfest «im kleinen Kreis, mit sehr reduzierten Kontakten» werden, sagte Merkel am Donnerstag in einer Videobotschaft. Einzelne Bundesländer verschärften ihre Regeln im Kampf gegen das Virus. Es wurden aber auch Öffnungsschritte angekündigt. Ein bundesweit einheitlicher Kurs zeichnet sich weiter nicht ab.

Der zuletzt stark in die Kritik geratene CDU-Vorsitzende Armin Laschet will am Osterwochenende über den weiteren Corona-Kurs nachdenken. In einigen Städten und Regionen erwarteten Behörden mit wachsender Sorge Ostertourismus und Demonstrationen von Corona-Leugnern.

Das Robert Koch-Institut (RKI) warnte, eine Überlastung der Intensivmedizin könne «nur durch eine möglichst frühe und umfassende Reduktion» der seit März gestiegenen Kontakte in der Bevölkerung vermieden werden. Binnen eines Tages wurden 24 300 Corona-Neuinfektionen gemeldet - der höchste Wert seit Mitte Januar.

Merkel sagte: «Mit unserem Verhalten können wir das starke Wachstum der Infektionszahlen wieder bremsen, stoppen und dann umkehren. Auch darum geht es an Ostern in diesem Jahr.» Sie bitte dringend, «auf alle nicht zwingenden Reisen zu verzichten». Es gelte, «dass wir uns alle konsequent an alle Regeln halten».

Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) stellte fest, viele Ansteckungen passierten derzeit im privaten Bereich - auch etwa bei Treffen unter Nachbarn. Wenn überhaupt, sollte man sich idealerweise draußen treffen und in Innenräumen lediglich mit Abstand und Masken. Wie Merkel bereits Tage zuvor verwies Spahn zudem auf die vereinbarten Instrumente. Bund und Länder hatten am 3. März beschlossen, Öffnungen in Regionen mit mehr als 100 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern und sieben Tagen mit einer «Notbremse» zurückzunehmen.

Aktuell liegt diese Inzidenz in Deutschland laut RKI bei über 134. Vor drei Wochen, am 11. März, lag sie noch bei 69. Für die galoppierenden Zahlen ist die sehr ansteckende Corona-Variante B.1.1.7. verantwortlich, die laut RKI jetzt einen Anteil von 88 Prozent hat. Sie gilt auch als ursächlich für schwerere Krankheitsverläufe. Merkel sagte: «Damit ist diese dritte Welle auch eine neue Pandemie.»

Pflegerinnen und Pfleger in den Krankenhäusern wüssten genau, was sie erwarte, sagte Merkel. Sie bereiteten sich darauf vor, «dass sich die Betten auf ihren Stationen wieder füllen». Merkel sagte: «Jetzt sind es in der Regel nicht mehr die ganz alten Menschen, um deren Überleben sie kämpfen. Jetzt sind es mittelalte, auch jüngere Patientinnen und Patienten, die sie beatmen müssen.»

Das RKI erläuterte, die Impfkampagne sei noch nicht so weit vorangeschritten, dass sie das Infektionsgeschehen wesentlich beeinflusse. Deutschland habe auch das EU-Ziel verfehlt, mindestens 80 Prozent der Menschen über 80 bis Ende März zu impfen. Die Bundesländer liegen nach RKI-Angaben hier zwischen 26 Prozent und 47 Prozent bei den Zweitimpfungen.

Im Umgang mit dem exponentiellen Infektionswachstum gehen die Bundesländer weiter unterschiedliche Wege. Sachsens Regierungschef Michael Kretschmer (CDU) sagte bei einem Klinikbesuch in Plauen, das Vogtland, wo die Inzidenz derzeit über 400 liegt, sei der Entwicklung in Sachsen und in Deutschland um vielleicht drei Wochen voraus.

In Berlin gelten ab Karfreitag strengere Kontaktbeschränkungen. Im Freien dürfen sich Menschen demnach nachts zwischen 21.00 und 5.00 Uhr nur noch alleine oder zu zweit aufhalten. Tagsüber sind Zusammenkünfte im Freien und zu Hause weiter mit maximal fünf Personen aus zwei Haushalten erlaubt. In beiden Fällen werden Kinder nicht mitgezählt. Nach Ostern dürfen sich in der Hauptstadt drinnen tagsüber maximal Angehörige eines Haushalts plus eine weitere Person zusammen aufhalten. Nachts sind dann keine Besuche mehr erlaubt. In Brandenburg gilt über das Osterfest eine nächtliche Ausgangsbeschränkung - doch sind über Ostern zugleich Zusammenkünfte mit den Angehörigen von zwei Haushalten erlaubt.

Niedersachsens Landesregierung will nach Ostern weitreichende Corona-Lockerungen in Kommunen ermöglichen. 65 Orte bewarben sich für entsprechende Modellprojekte. Ausgewählt werden sollen rund 25 Kommunen. Mittels negativer Corona-Tests bei Mitarbeitern und Besuchern sollen Geschäfte, Theater und Kinos, Galerien und Museen, Fitnessstudios und Straßencafés öffnen können. Im baden-württembergischen Tübingen steht bei einem ähnlichen Modellprojekt mittlerweile ein vorzeitiges Ende im Raum, weil die Infektionen zugenommen haben. Baden-Württemberg legte Modellprojekte nach Tübinger Vorbild vorerst auf Eis - mehr als 50 Kommunen hatten Anträge gestellt oder ihr Interesse bekundet.

Auch in Sachsen-Anhalt, wo auch nach Ostern Restaurants, Boutiquen oder Kinos modellhaft öffnen sollten, soll es «aus organisatorischen Gründen» zunächst nicht dazu kommen, wie ein Sprecher des Wirtschaftsministeriums sagte. So könne es noch bis zu vier Wochen dauern, bis alle Gesundheitsämter an das geplante System der Kontaktverfolgung über die Luca-App angeschlossen seien.

Der Streit um schärfte Regeln ging weiter. CDU-Chef Armin Laschet will über die Ostertage darüber nachdenken, welche Maßnahmen die dritte Welle eindämmen könnten. Die gemeinsam beschlossene Osterruhe habe nicht funktioniert, sagte Laschet am Mittwochabend im ZDF-«heute journal». «Deshalb müssen wir jetzt gemeinsam über die Ostertage nachdenken, was ist denn eine Ersatzmöglichkeit, wo können wir weitere Schutzmechanismen einführen, wo können wir das Leben herunterführen, darüber muss gesprochen werden.»

NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU) lehnte landesweite Ausgangsbeschränkungen ab. «Wir müssen auch an die Leute denken, die in kleinen Mietswohnungen mit vielen Leuten leben», sagte der CDU-Minister im WDR. Die Ministerpräsidenten Bayerns und Baden-Württembergs, Markus Söder (CSU) und Winfried Kretschmann (Grüne), hatten die anderen Länder zu einer konsequenten Umsetzung der Notbremse aufgefordert. Der Duisburger Oberbürgermeister Sören Link (SPD) setzte sich in einem Brief an Merkel für einen bundes- und landesweiten harten Lockdown ein.

Der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach forderte auf Twitter den Schutz noch ungeimpfter Menschen mit höherem Alter oder Vorerkrankungen durch Lockdownschritte: «Wir gefährden in den nächsten Wochen viele Risikopatienten, die jetzt 1 Jahr auf den Impfstoff warten. Es wäre ein spektakuläres, ja historisches politisches Versagen, wenn wir jetzt nicht mehr die politische Kraft hätten, sie noch ein paar Wochen bis zur Impfung zu schützen.» Laut RKI werden die Kapazitäten der Intensivstationen nur dann nicht überlastet, wenn es vorsichtige Lockerungen erst ab Mai/Juni gebe.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Verbraucherschützer sprechen sich deutlich gegen ein mögliches Verbot von Bezeichnungen wie «Tofu-Wurst» oder «Soja-Schnitzel» aus. Das Europaparlament will am Mittwoch über ein entsprechendes Vorhaben abstimmen.

Die niederländische Tourismusbranche steht vor einer möglichen drastischen Änderung: Die Regierung in Den Haag plant, die Mehrwertsteuer auf Übernachtungen von derzeit 9 auf 21 Prozent anzuheben. Die Maßnahme soll laut Medienberichten ab dem 1. Januar 2026 in Kraft treten. Branchenvertreter warnen vor drastischen Folgen.

 

Die Neuköllner Kulturkneipe «Bajszel» ist erneut Ziel antisemitischer Anfeindungen geworden. Rund um die Schenke brachten unbekannte Flugblätter an, auf denen die drei Betreiber abgebildet sind und wegen angeblicher Unterstützung Israels persönlich bedroht werden.

Weniger Werbung für Ungesundes: Vor allem Kinder sollen dadurch geschützt werden. Die britische Regierung erhofft sich langfristig Milliardeneinsparungen im Gesundheitssektor.

Am 2. Oktober beginnt vor dem Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in Mannheim eine entscheidende Verhandlungsreihe. Gegenstand sind Berufungen der landeseigenen L-Bank gegen Urteile, die zuvor Rückforderungsbescheide der Corona-Soforthilfe als unrechtmäßig eingestuft hatten.

Gastwirte sollen 2026 entlastet werden, die Umsatzsteuer auf Speisen sinkt. Doch ob es auch zu Preissenkungen in Restaurants kommt, ist fraglich. Die DGB-Vorsitzende hätte da einen anderen Vorschlag. Bayerns Tourismusministerin widerspricht.

Die geplante Ausweitung des Tierhaltungskennzeichnungsgesetzes auf Restaurants, Imbisse und Co. stößt auf heftigen Widerstand. Branchenvertreter sehen darin eine neue, unnötige Bürokratie und befürchten Wettbewerbsnachteile, ohne dass es einen echten Mehrwert für die Gäste gibt.

Die europäische Kommission hat von den Tech-Unternehmen Apple, Google, Microsoft und Booking.com Auskünfte darüber verlangt, wie sie sich auf ihren Plattformen gegen Betrugsmaschen zur Wehr setzen. Grundlage dafür ist das Gesetz über digitale Dienste.

Beim „Burger Dialog“ von McDonald's trafen Vertreter der Gen Z auf Abgeordnete der Regierungskoalition. Im Zentrum des Austauschs standen die Sorgen junger Menschen, die zunehmend daran zweifeln, dass Leistung allein noch den gesellschaftlichen Aufstieg sichert.

In vielen Ballungsräumen gehen etliche reguläre Wohnungen ausschließlich an Feriengäste. Lindert es die Wohnungsnot, wenn man die kurzfristige Vermietung eindämmt?