Nach mehr als vier Monate strengem Lockdown haben die Niederlande einen großen Schritt zurück zur Normalität gemacht. Die Geschäfte durften am Mittwoch wieder Kunden empfangen - ohne vorherigen Termin. Um 12.00 Uhr sollten auch die Außenbereiche der Cafés und Restaurants wieder öffnen.
Die unpopuläre abendliche Ausgangssperre wurde abgeschafft. Grenzregionen in NRW betrachten die Maßnahmen mit Sorge. Die niederländische Regierung hatte die Lockerungen beschlossen, trotz anhaltend hoher Infektionszahlen und großem Druck auf Krankenhäuser. Es sei ein «kalkuliertes Risiko», hat der geschäftsführende Premier Mark Rutte erklärt. Die wissenschaftlichen Berater der Regierung kritisierten die Schritte als verfrüht und warnten vor einem Notzustand in Krankenhäusern.
Cafés und Restaurants dürfen im Außenbereich unter Auflagen bis 18.00 Uhr Kunden bedienen. Die populären «terrasjes» (Terrassen) waren sogar seit mehr als sechs Monaten geschlossen. Für den Gaststättenverband geht es um «einen kleinen Lichtblick».
Bürger dürfen auch statt bisher eine Person zwei Gäste am Tag zu Hause empfangen. Und auch Studenten bekommen zumindest einen Tag in der Woche wieder Präsenzunterricht.
Weiterhin verboten sind alle Veranstaltungen mit Publikum wie Sportwettkämpfe, Museen, Theater, Kinos. Es gilt auch Masken-Pflicht in öffentlichen Gebäuden und ein Sicherheitsabstand von 1,5 Metern.
Die Niederlande bleiben weiterhin ein Hochinzidenzland mit etwa 220 Infektionen auf 100 000 Einwohner in sieben Tagen (Zahlen vom Dienstag). Mehr als fünf Millionen Bürger wurden bereits mit mindestens einer Dosis geimpft, das sind etwa 30 Prozent der Erwachsenen.
In den nordrhein-westfälischen Grenzgebieten gibt es derweil Sorge vor möglichen Ansteckungen. Der Kreis Heinsberg hatte die Bürger gebeten, nicht notwendige Reisen und Tagesausflüge zu unterlassen. Der Landrat des Kreises Borken, Kai Zwicker (CDU), appellierte ebenfalls an die Bevölkerung, nun nicht in die Niederlande zum Einkaufen oder Cafébesuch zu fahren. Auch NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) und der niederländische Justizminister Ferdinand Grapperhaus hatten die Bevölkerung in NRW gebeten, nicht in die Niederlande zu fahren.
Angesichts gelockerter Corona-Maßnahmen in den Niederlanden ruft Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) dazu auf, Reisen ins Nachbarland wenn möglich zu meiden. Durch den Impffortschritt rücke in ganze Europa langsam eine Normalisierung näher, die Bewegungsfreiheit müsse für den Infektionsschutz aber noch eingeschränkt bleiben, sagte Pistorius einer Mitteilung von Mittwoch zufolge. «Ich möchte daher an alle Menschen dies- und jenseits der Grenze appellieren, auf nicht notwendige Reisen auf die andere Seite der Grenze zu verzichten. Die Zeit für ein Wiedersehen mit Freunden, Familie und Geschäftspartnern kommt - und sie kommt hoffentlich bald», sagte der Minister.
Zusammen mit Pistorius riefen der Mitteilung zufolge auch Amtskollegen und Amtskolleginnen aus den Niederlanden, Belgien und Nordrhein-Westfalen die Bürgerinnen und Bürger auf, in den kommenden Wochen in ihrem Land zu bleiben. «Vermeiden Sie unnötige Reisen und kehren Sie nur dann in die Niederlande zurück, wenn die Zeiten wieder besser sind», sagte der Niederländische Justiz- und Sicherheitsminister Ferd Grapperhaus laut der Mitteilung.