Umbaupläne für Tierhaltung in der Kritik

| Politik Politik

Mehr Platz im Stall, mehr Klarheit beim Fleischkauf, sicheres Geld für die Bauern: Für den Umbau der Tierhaltung hin zu höheren Standards sollen in diesem Jahr einige Elemente konkret auf den Weg kommen. Doch vor der Agrarmesse Grüne Woche wird wachsende Kritik an den Plänen von Bundesminister Cem Özdemir (Grüne) laut.

«Es brodelt in der Branche, seit die Vorschläge auf dem Tisch liegen», sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied zu den Bedingungen eines künftigen Förderprogramms. Im Bundestag kommt das Konzept für ein staatliches Haltungslogo für Fleisch auf einen Expertenprüfstand.

Mit vorerst einer Milliarde Euro bis 2026 will die Ampel-Koalition den Wandel anschieben, damit die Bauern nicht auf Mehrkosten sitzen bleiben. Erste Eckpunkte stoßen jetzt aber auf heftigen Protest. «Das ist kein Programm zur Zukunftssicherung des Standorts Deutschland», sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied der Deutschen Presse-Agentur. «Das ist ein Programm, das auf einen Abbau hinausläuft.» Die klare Ansage sei: «Ja zu mehr Tierwohl. Das wollen die Tierhalter machen. Nur mit dem, was auf dem Tisch liegt, können sie es nicht tun.»

Nach den Ministeriumsplänen sollen zunächst Schweinehalter Geld bekommen können. Profitieren sollen Betriebe mit Standards, die deutlich über den zwingenden gesetzlichen Vorgaben liegen. Gefördert werden sollen «tier- und umweltgerechte» Neu- und Umbauten von Ställen sowie auch laufende Mehrkosten einer besseren Haltung.

Rukwied monierte: «Man will Obergrenzen für die Förderung einziehen, beispielsweise bis zu 3000 verkaufte Mastschweine pro Jahr. Das schließt den Großteil der Betriebe aus, die zukünftig Schweinehaltung betreiben werden.» Denn wenn man eine Schweinemast ökonomisch sinnvoll betreiben wolle, brauche man rund 1500 Liegeplätze, um einen Mitarbeiter finanzieren zu können. «Bei ungefähr 2,7 Mastdurchgängen pro Jahr ist man dann bei mehr als 4000 erzeugten Schweinen. Das, was ich betriebswirtschaftlich brauche, das würde schon ausgeschlossen.»

Der Bauernpräsident forderte Veränderungen an den Plänen. «Sonst wird sich der Trend zu Verlagerungen ins Ausland verstärken, den wir schon haben.» Binnen zehn Jahren sei der Schweinebestand in Deutschland um 5,8 Millionen Tiere geschrumpft, in Spanien gebe es 7,4 Millionen mehr. «Wenn wir so weitermachen, werden wir zum Importland, und das kann es nicht sein.» Dabei ist die Lage ohnehin kritisch, auch wenn Preise wieder gestiegen sind. «Die waren aber vorher so katastrophal, dass viele Betriebe schon reagieren mussten», sagte Rukwied. Im vergangenen Jahr seien weitere 1900 Betriebe verloren gegangen, so dass es noch 16 900 schweinehaltende Betriebe in Deutschland gibt.

Grünen-Agrarexpertin Renate Künast spricht von einem ambitionierten Plan zum Umbau der Tierhaltung, der «nach vielen Jahren des organisierten Stillstands» nun vorliege. Das Gesetz als Grundstein werde Schritt für Schritt um verarbeitete Produkte, die Gastronomie und Außerhaus-Verpflegung sowie weitere Tierarten ergänzt: «Wir stellen einen kompletten Werkzeugkasten zusammen für Transparenz und fairen Wettbewerb, höhere Tierschutzstandards und die Anpassung der Tierhaltungszahlen an die Anforderungen des Klimaschutzes.»

Weiterer Druck entsteht, weil viele Supermarktkunden wegen der hohen Inflation die billigsten Produkte kaufen. Das schlägt auch auf die branchengetragene «Initiative Tierwohl» durch, die Tierhalter für bestimmte höhere Standards honoriert. Tierwohl-Fleisch habe so nicht mehr den Absatz wie zuvor, erläuterte Rukwied. Die Initiative biete Schweinehaltern deswegen an, ihren Status zu erhalten, aber über eine gewisse Zeit nicht zu diesen Bedingungen zu erzeugen. «Die Landwirte sind massiv frustriert», sagte Rukwied. Sie wollten weiter nach den Kriterien der «Initiative Tierwohl» arbeiten. «Nur wenn es keinen Preisaufschlag mehr gibt, ist es ökonomisch nicht darstellbar.»

Der Wandel in den Ställen ist auch ein Thema der Branchenmesse Grüne Woche, die nach einer Corona-Pause an diesem Freitag in Berlin wieder ihre Tore öffnet. Ein Hebel für mehr Tierschutz soll auch ein Logo sein, das verpflichtend die Haltungsform anzeigt. Özdemir will es in diesem Jahr im ersten Schritt mit frischem Schweinefleisch im Handel an den Start bringen. Vorgesehen ist ein System mit fünf Kategorien während der Mast: vom gesetzlichen Mindeststandard im Stall bis zu Bio. Fleisch aus dem Ausland kann freiwillig gekennzeichnet werden.

An diesem Montag kommt das Konzept zu einer Expertenanhörung in den Agrarausschuss des Bundestags. Die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft begrüßte, dass die Umsetzung beginne. Sie kritisierte aber in ihrer schriftlichen Stellungnahme, ein reines Einsortieren der Tierhaltung in bestimmte Kategorien erzeuge noch keinen Anreiz, Ställe in artgerechtere Haltungssysteme umzubauen. Zudem bilde die Kennzeichnung nur etwa 60 Prozent des Schweinelebens ab, weil Sauenhaltung und Ferkelaufzucht noch nicht berücksichtigt würden. Eine eigene Biostufe sei nicht zielführend, denn sie suggeriere, dass Tiere nur damit nach höchsten Maßstäben gehalten werden könnten.

Der Tierschutzverein Pro Vieh kritisierte, der Entwurf drohe Chancen zu verpassen. Fürs Wohlergehen der Schweine wichtige Kriterien etwa zu Stroh und Naturboden oder ausreichendem Beschäftigungs- und Wühlmaterial blieben auch in den höheren Haltungsformen außen vor.  (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.