Urlaubsverlust bei Quarantäne? Europäische Richter angerufen

| Politik Politik

Pech gehabt? Diese Frage stellen sich seit Beginn der Corona-Pandemie immer wieder Arbeitnehmer, wenn sie während ihres Urlaubs in Quarantäne oder Isolation müssen, ohne Symptome und damit ohne Krankenschein. Doch sind die Urlaubstage damit verloren, oder müssen sie vom Arbeitgeber gutgeschrieben werden? Bei der Antwort auf die strittige Frage ist nun der Europäische Gerichtshof (EuGH) gefragt. Das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt legte den Richtern in Luxemburg am Dienstag das Problem vor - und damit den Fall eines Schlossers aus Nordrhein-Westfalen.

Das Problem

Es gibt bisher keine gesetzliche Regelung in Deutschland für den Fall, dass Arbeitnehmer während ihres Urlaubs als Kontaktperson eines Corona-Infizierten in häusliche Quarantäne müssen oder in Isolation, weil sie positiv getestet, aber ohne Krankheitssymptome und ärztliches Attest sind. Das Bundesurlaubsgesetz regelt nur, was passiert, wenn jemand im Urlaub krankgeschrieben wird: «Erkrankt ein Arbeitnehmer während des Urlaubs, so werden die durch ärztliches Zeugnis nachgewiesenen Tage der Arbeitsunfähigkeit auf den Jahresurlaub nicht angerechnet», heißt es in Paragraf 9. Urlaub wird also gutgeschrieben - er kann nachgeholt werden.

Arbeitsrechtler uneins

Ob Corona-Quarantäne oder -isolation ohne Symptome trotzdem wie eine Krankschreibung zu behandeln ist, darüber streiten Arbeitsrechtler in Deutschland. Es gebe sehr unterschiedliche, teils entgegengesetzte Urteile dazu, so Fachleute. In Nordrhein-Westfalen beispielsweise von Gerichten in Köln und Hamm.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Die höchsten deutschen Arbeitsrichter schalteten die EuGH-Richter in Luxemburg ein (9 AZR 76/22 (A)). Vor ihrem Urteil wollen sie damit erst europarechtliche Aspekte klären lassen. Es sei für das BAG «entscheidungserheblich», ob die europäische Arbeitszeitrichtlinie sowie ein Passus in der EU-Charta der Grundrechte dagegen stehen, wenn beantragter und vom Arbeitgeber bewilligter Jahresurlaub, der sich mit einer behördlich angeordneten häuslichen Quarantäne zeitlich überschneidet, nach nationalem Recht nicht gutgeschrieben würde, «weil der betroffene Arbeitnehmer selbst nicht krank war», heißt es in der BAG-Entscheidung.

Der Fall

Geklagt hat ein Schlosser aus der Region Hamm. Er hatte im Oktober 2020 acht Tage Urlaub. Weil er Kontakt mit einem Covid-19-Infizierten hatte, ordneten die kommunalen Behörden für ihn häusliche Quarantäne an. Der Mann informierte seinen Arbeitgeber darüber und forderte ihn auf, ihm die in Quarantäne verbrachten acht Urlaubstage gutzuschreiben. Eine Corona-Infektion hatte er nicht und damit auch keine ärztliche Krankschreibung. Er pochte darauf, seinen Urlaub nachzuholen - die Quarantäne habe seiner Erholung im Wege gestanden - so wie es bei einer Krankheit auch der Fall gewesen wäre. Kurzum, er konnte seinen Urlaub nicht genießen. Sein Arbeitgeber lehnte die Anwendung des Passus im Bundesurlaubsgesetz jedoch ab.

Urteile der Vorinstanzen

Das Arbeitsgericht Hagen wies die Klage des Mannes ab. Das Landesarbeitsgericht Hamm gab ihr statt. In seinem Urteil heißt es: «Die Anordnung einer Quarantäne steht einer freien, selbstbestimmten Gestaltung des Urlaubszeitraumes diametral gegenüber, unabhängig davon, wie der einzelne Betroffene diese persönlich empfindet.»

Was derzeit gilt

Nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums sind Quarantäne und Isolation derzeit nicht bundeseinheitlich geregelt, sondern in den Corona-Verordnungen der Länder. In der Regel werde auf eine fünftägige Isolation von nachweislich Infizierten gesetzt. Eine Quarantänepflicht gebe es für Rückkehrer aus Virusvariantengebieten. Laut Robert Koch-Institut gab es in der vergangenen Woche im Schnitt täglich rund 50 000 registrierte Corona-Neuinfektionen. Im August seien im Schnitt knapp zehn Prozent der positiv auf das Coronavirus Getesteten symptomfrei geblieben.

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die Gewerkschaft NGG hat ihre Empfehlungen für die Tarifverhandlungen 2026 veröffentlicht und fordert Entgeltsteigerungen von 4 bis 6 Prozent sowie konkrete Verbesserungen für Auszubildende.

Wie der AfD begegnen? Der Verband der Familienunternehmer will sich für Gespräche mit der AfD öffnen. Das sorgt für scharfe Diskussionen in Politik und Wirtschaft. Caroline von Kretschmann, Inhaberin des Luxushotels Europäischer Hof in Heidelberg, die im Präsidium der Familienunternehmer sitzt, bezieht deutlich Stellung – auch klar abweichend von der Verbandslinie.

Der Stadtrat von Kaiserslautern hat mehrheitlich die geplante Einführung einer Übernachtungssteuer abgelehnt. Die Steuer sollte ursprünglich ab dem 1. Januar 2026 auf Gästeübernachtungen erhoben werden.

Schleswig-Holsteins Gastronomie kämpft laut dem FDP-Fraktionschef mit steigenden Kosten. Er hofft auf Entlastungen durch weniger Bürokratie und niedrigere Mehrwertsteuer und fordert ein klares Signal.

Der Hotelverband Deutschland und der Handelsverband Deutschland warnen vor den Folgen einer geplanten EU-Regulierung, die das bedingungslose Rückerstattungsrecht auf händler-initiierte Kartenzahlungen ausweiten könnte.

Der Landtag von Baden-Württemberg hat die Neufassung des Landesgaststättengesetzes beschlossen. Die Reform tritt am 1. Januar 2026 in Kraft und führt zu grundlegenden Vereinfachungen für Gastgewerbebetriebe in Baden-Württemberg.

Das Verbot der Bettensteuer in Bayern bleibt bestehen. Das hat der Verfassungsgerichtshof entschieden. Die Staatsregierung freut sich - aber der Streit könnte bald an anderer Stelle weitergehen.

Weniger als jede zweite in Deutschland verkaufte Weinflasche stammt aus heimischer Produktion. Wie kann hiesiger Wein mehr ins Rampenlicht gerückt werden? Ein Treffen im Kloster Eberbach soll helfen.

Die Dorfkneipen in Brandenburg sollten nach Ansicht von Wirtschaftsminister Daniel Keller (SPD) angesichts existenzieller Probleme unterstützt werden - doch wann ist offen. Die CDU-Opposition dringt hingegen auf schnelle Hilfe.

Steigende Kosten und internationale Konkurrenz setzen dem Weinbau zu. Im Kloster Eberbach bei Eltville wollen Minister aus acht Bundesländern der Branche helfen. Worum soll es in ihren Gesprächen gehen?