Wirtschaft fordert mehr Corona-Hilfe - Ökonomen sehen Folgen begrenzt

| Politik Politik

Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften haben Kritik am verlängerten Lockdown geäußert und mehr Hilfe vom Staat gefordert. Die Gewerkschaften NGG und Verdi pochen auf ein höheres Kurzarbeitergeld für Beschäftigte der Gastronomie. Der Einzelhandel fordert einen Fahrplan zur Wiedereröffnung der Geschäfte und höhere Staatshilfen. Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer mahnte nach den jüngsten Beschlüssen von Bund und Ländern mehr Tempo bei Corona-Impfungen an. Ökonomen glauben, dass der verlängerte Lockdown und neue Beschränkungen der Bewegungsfreiheit in Corona-Hotspots insgesamt überschaubare Folgen für die Wirtschaft haben.

Bund und Länder hatten sich unter anderem darauf verständigt, den Lockdown bis Ende Januar zu verlängern und Kontaktbeschränkungen zu verschärfen. Zudem soll die Bewegungsfreiheit in Corona-Hotspots begrenzt werden. Ab einer 7-Tage-Inzidenz von mehr als 200 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern sollen die Länder lokale Maßnahmen ergreifen, um den Bewegungsradius auf 15 Kilometer um den Wohnort zu begrenzen, sofern kein triftiger Grund vorliegt.

«Die geschlossenen Handelsunternehmen brauchen jetzt klare Aussagen, unter welchen Bedingungen sie wann ihren Betrieb wieder aufnehmen können», sagte der Hauptgeschäftsführer des Branchenverbands HDE, Stefan Genth. Den Lockdown einfach nur zu verlängern und keinerlei Perspektiven oder Pläne für eine Wiedereröffnung zu präsentieren, sei zu wenig. Genth forderte Nachbesserungen bei Hilfen: «Es zeichnet sich eine Pleitewelle ab, wie wir sie noch nicht erlebt haben.»

Handwerkspräsident Wollseifer verlangte zügigere Impfungen. «Damit wir möglichst rasch wieder zu einem weniger eingeschränkten Alltag und Geschäftsbetrieb zurückkehren können, muss es endlich gelingen, das Infektionsgeschehen spürbar einzudämmen.» Dazu könne jeder seinen Beitrag leisten, indem Kontakte verringert werden.

Das Friseurhandwerk befürchtet in seinem Gewerbe eine Insolvenzwelle. Viele Betriebe könnten die Einnahmeverluste nicht mehr schultern, sagte Jörg Müller, Hauptgeschäftsführer des Zentralverbands des Deutschen Friseurhandwerks. Staatliche Hilfen müssten jetzt schnell und unbürokratisch fließen. Die Hauptgeschäftsführerin des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes, Ingrid Hartges, bezeichnete die Auszahlung der Novemberhilfen als «höchst-eilbedürftig». Die Umsatzeinbußen seien katastrophal, die Stimmung auch, sagte Hartges «Bild live».

Die IG BAU forderte einen bezahlten Sonderurlaub für Eltern im Lockdown. «Bauarbeiter und Reinigungskräfte können weder Homeoffice machen noch sich zuhause um die Kinder kümmern», erklärte Gewerkschaftschef Robert Feiger am Mittwoch und verlangte eine stärkere Entlastung der betroffenen Beschäftigten. Die stellvertretende Fraktionschefin der Linken, Susanne Ferschl, schlug eine Anhebung des Kurzarbeitergelds für Niedriglohnbeziehende auf 100 Prozent vor.

Auf Fahrgäste im Regionalverkehr wie Pendler kommen Änderungen zu. Die regionalen Verkehrsunternehmen wollen das volle Bahn- und Busangebot aber zumindest in den Stoßzeiten aufrechterhalten. Dies soll vor allem für diejenigen geschehen, «die mobil sein und zwingend zur Arbeit müssen», teilte der Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Ingo Wortmann, mit. Die Deutsche Bahn kündigte an, das Angebot im Fernverkehr zu reduzieren: «Ab dem 7. Januar wird die DB ihren Fahrgästen bis auf weiteres rund 85 Prozent des normalen Sitzplatzangebotes zur Verfügung stellen.» Damit werde im Fernverkehr ein Grundtakt aufrecht erhalten. Es werde aber Anpassungen im Angebot geben, so die Bahn.

Der Tourismusverband bezeichnete die Maßnahmen als schmerzlich, aber nachvollziehbar. «Es war ein Fehler, mit den Beschlüssen vom 28. Oktober 2020 den Deutschlandtourismus auf Null zu setzen, aber auf Maßnahmen in anderen Bereichen zu verzichten. Das rächt sich jetzt und verlängert den Lockdown», sagte DTV-Geschäftsführer Norbert Kunz.

Ökonomen halten die wirtschaftlichen Folgen einer Einschränkung des Bewegungsradius' für überschaubar. «Wenn die berufliche Mobilität weiter möglich bleibt, dürften sich die wirtschaftlichen Zusatzkosten in Grenzen halten», sagte Gabriel Felbermayr, Präsident des Instituts für Weltwirtschaft Kiel (IfW), der «Welt». Touristik, Gastronomie, Shoppingausflüge seien ohnehin nicht möglich. Auch aus Sicht von Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), ist entscheidend, dass die Fahrt zum Produktionsort möglich bleibe.

Auch die Folgen des verlängerten Lockdowns schätzen Ökonomen als eher gering ein. Dies sei für betroffene Branchen, vor allem Einzelhandel und Gastronomie, schmerzlich, sagte Ifo-Präsident Clemens Fuest der «Welt». Aber man dürfe nicht übersehen, dass große Teile der Wirtschaft, vor allem Unternehmen des verarbeitenden Gewerbes, geöffnet blieben. Ähnlich sieht dies IW-Direktor Hüther. Entscheidend sei, dass die Industrie nicht in Mitleidenschaft gezogen werde.

Beim Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) geht man davon aus, dass die Verlängerung des harten Lockdowns nur kurzfristig auf der wirtschaftlichen Erholung lastet. «Werden die Infektionszahlen damit effektiv gedrückt, ist eine kräftige Erholung im Frühjahr möglich», sagte DIW-Konjunkturchef Claus Michelsen der Zeitung. Der ehemalige Manager und Unternehmer Roland Berger erwartet, dass die deutsche Wirtschaft spätestens in zwei Jahren ihr Vorkrisenniveau wieder erreicht haben wird. Die Coronakrise habe keinen Dauereinbruch verursacht, sie führe zu einem Innovationsschub, sagte Berger der «Bild» (Mittwoch).

Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) fordert ein Mindestkurzarbeitergeld von 1200 Euro und eine Corona-Sofortnothilfe von einmalig 1000 Euro. «Die Löhne von Kellnern oder Köchinnen sind ohnehin niedrig - das Kurzarbeitergeld reicht da auf Dauer einfach nicht», bekräftigte NGG-Chef Guido Zeitler in den Zeitungen der «Funke Mediengruppe». Laut «Lebensmittel-Zeitung» fordert auch Verdi, das Kurzarbeitergeld auf mindestens 1200 Euro pro Monat aufzustocken.

Kritik kam auch aus der Immobilienwirtschaft. Es sei nun besonders wichtig, dass Hilfen schnell und unbürokratisch fließen, forderte der Zentrale Immobilien-Ausschuss. «Aus den Novemberhilfen dürfen nicht erst Frühjahrshilfen werden», sagte Präsident Andreas Mattner. «Damit auf die Coronawelle keine Insolvenzwelle folgt, muss jetzt gehandelt werden, die vom Lockdown betroffenen Unternehmen stehen am Rande des Ruins, die Städte in Deutschland werden ihr Gesicht verlieren».

Neue Test-Regeln für Einreisende aus Corona-Risikogebieten stießen auf Kritik der Luftverkehrsbranche. Ihr Verband BDL verlangte ein Ende der «kaum zu kontrollierenden Quarantänebestimmungen», wenn künftig zusätzlich zu dem nach fünf Tagen fälligen Corona-Test ein weiterer unmittelbar vor der Einreise verlangt wird. Ein Festhalten an der pauschalen Quarantäne über zehn Tage sei «unverhältnismäßig». (dpa)


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Spätestens zum 31. Dezember 2026 muss die Evaluierung des aktuellen Glücksspielstaatsvertrags in Deutschland abgeschlossen sein. Sie soll festhalten, ob die bisherigen Maßnahmen ausreichend sind, wie wirkungsvoll sie sich zeigen und wo Nachbesserungsbedarf ist. Neue Maßnahmen könnten dann ab 2028 in Kraft treten, denn solange läuft die bisherige Version des Glücksspielstaatsvertrags.

Die Bundesregierung hat das neue EinfachMachen-Portal freigeschaltet. Damit existiert erstmals eine zentrale Anlaufstelle auf Bundesebene, über die Bürger, Unternehmen, Verbände und Verwaltungsangestellte bürokratische Hindernisse direkt melden können.

Das OVG Münster bestätigt Rückforderungen von Corona-Hilfen im Bereich der Eventorganisation. Während das Gericht die strengen EU-Vorgaben für Entschädigungen betont, stellt der DEHOGA klar, dass das Urteil keinen großen Anlass zur Besorgnis für das Gastgewerbe bietet.

Der Bundesrat hat am 19. Dezember 2025 dem Steueränderungsgesetz zugestimmt und damit den Weg für eine dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer auf Speisen frei gemacht. Ab dem 1. Januar 2026 gilt für den Verzehr von Speisen in Restaurants und Cafés unbefristet der ermäßigte Steuersatz von sieben Prozent.

Mit einem neuen Onlineportal will die Regierung erfahren, wo Bürger und Unternehmen im Alltag auf Hürden stoßen – und setzt dabei auch auf Künstliche Intelligenz.

Die Gastronomie bekommt dauerhaft den Mehrwertsteuersatz von sieben Prozent, um die wirtschaftliche Existenz der Betriebe zu sichern. Da massiv gestiegene Kosten für Personal und Lebensmittel die Margen unter Druck setzen, planen die meisten Unternehmen keine Preissenkungen, sondern nutzen die steuerliche Entlastung zur Stabilisierung ihrer Geschäfte.

Mit der Rückkehr zu 7 Prozent Mehrwertsteuer auf Speisen zum 1. Januar 2026, kommen neue administrative Herausforderungen auf Gastronomen zu. Ein aktuelles Merkblatt des DEHOGA gibt nun wichtige Hinweise zur steuerlichen Behandlung von Silvesterveranstaltungen, Pauschalangeboten und Anzahlungen.

Mit Kurzarbeit können Unternehmen Flauten überbrücken, ohne Beschäftigte entlassen zu müssen. Derzeit läuft die Wirtschaft nicht wie erhofft. Die Regierung zieht Konsequenzen.

Die Institutionen der Europäischen Union haben sich im Trilog-Verfahren auf eine vorläufige Einigung zur neuen Zahlungsdiensteverordnung verständigt. Die Verordnung definiert die Rahmenbedingungen für Zahlungsdienste und Kartenzahlungen innerhalb der EU neu.

Der europäische Dachverband der Hotels, Restaurants und Cafés, Hotrec, hat, mit einer breiten Allianz europäischer Wirtschaftsvertreter an das Europäische Parlament appelliert, auf neue Vorgaben für Künstliche Intelligenz am Arbeitsplatz zu verzichten. Statt neuer Gesetze wird ein zukunftsorientierter Ansatz gefordert.