Interview mit DRV-Präsident Norbert Fiebig: Wie steht es um die Reisewirtschaft?

| Zahlen & Fakten Zahlen & Fakten

Die weltweiten politischen Entscheidungen der Regierungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie schränken das öffentliche Leben und das Reisen stark ein – mit entsprechenden wirtschaftlichen Folgen für die Reisewirtschaft. Der Reiseverbands-Präsident Norbert Fiebig fordert ein staatliches Schutzschild.

Herr Fiebig, wie dramatisch ist die Situation der Reisewirtschaft aktuell?

Norbert Fiebig: Die Situation ist für die Reisewirtschaft ausgesprochen schwierig und teilweise sogar existenzgefährdend. Wir stehen vor riesigen Herausforderungen, die es in Solidarität und mit umfassender staatlicher Unterstützung zu meistern gilt. Spätestens mit der heutigen weltweiten Reisewarnung durch das Auswärtige Amt ist der gesamte touristische Reiseverkehr zum Erliegen gekommen. Viele Reiseveranstalter haben daher auch bereits alle Reisen für die nächste Zeit abgesagt. Außerdem müssen mehrere Tausend Urlauber gerade aus ihren Urlaubsorten nach Hause geholt werden. Da sind wir als Verband zusammen mit den Reiseveranstaltern, den Fluggesellschaften und dem Auswärtigen Amt aktuell in der Organisation. Das zeigt, dass wir es mit einer bisher nie dagewesenen Krisensituation zu tun haben.

Was sind Ihre Forderungen an die Bundespolitik?

Norbert Fiebig: Stand heute sind Reisen ins Ausland – und inzwischen ja auch im Inland – nicht mehr möglich. Das ist eine Situation, die weder Reisebüros noch Reiseveranstalter verschuldet haben oder mit eigenen unternehmerischen Entscheidungen beeinflussen können. Daher ist es notwendig, dass die Politik – über die bereits getroffenen wirtschaftlichen Hilfsmaßnahmen wie die Erleichterungen bei Kurzarbeitergeld und KfW-Krediten – die wir im Übrigen sehr begrüßen, weitere flankierende Unterstützung für die Reisewirtschaft bereitstellt. Für den Erfolg dieser, für die Sicherung der touristischen Infrastruktur unumgänglichen Maßnahmen ist der Faktor Zeit ganz entscheidend. Die Weichen hierfür müssen diese Woche gestellt werden.

Was fordern Sie konkret?

Norbert Fiebig: Durch die weltweite Reisewarnung wird die Stornierung von Reisen erzwungen. Wir fordern die Bundesregierung ganz konkret auf, die hierdurch bei Reisebüros und Reiseveranstaltern entstehenden Aufwendungen im Rahmen einer Beihilfe auszugleichen. Dies ist zwingend notwendig, weil die für die umfassende Stornierung erforderliche Liquidität bei Reiseveranstaltern und Reisebüros vielfach nicht vorhanden ist. Es zeigt sich sehr deutlich, dass die Regelungen des bestehenden Reiserechts für eine solche Situation nicht ausgelegt sind. Daher ist die Hilfe der Politik unerlässlich.

Wenn die Politik nicht zahlt – müssen die Verbraucher dann auf die Rückzahlungen verzichten?

Norbert Fiebig: Nein. Ganz klar – nein. Aber die aktuell einzige Alternative zu den von der Reisebranche eingeforderten Beihilfen ist, dass die Kunden einstweilen auf die Barauszahlung der bereits entrichteten Reisepreise verzichten und stattdessen eine Reisegutschrift des Veranstalters erhalten. Diese kann dann zu einem späteren Zeitpunkt – wenn sich die Situation wieder normalisiert hat – in dem jeweiligen Reisebüro eingelöst werden. In einigen europäischen Ländern, wie z.B. den Niederlanden, Frankreich und Italien, ist bereits der rechtliche Weg hierfür freigemacht. Dies fordern wir alternativ für Deutschland ebenfalls ein. Und darüber hinaus zum Schutz der Verbraucher mit einer staatlichen Garantie für die Reisegutschriften.

Noch eine Frage zum Schluss: Glauben Sie, dass die Menschen in diesem Jahr noch in den Urlaub fahren können und wollen?

Norbert Fiebig: Diese Frage zum jetzigen Zeitpunkt zu beantworten, ist wirklich schwierig, zumal gerade im Minutentakt neue Nachrichten mit neuen Maßnahmen verkündet werden. Dennoch schaue ich positiv in die Zukunft. Die Lage wird sich definitiv irgendwann normalisieren – die Frage ist derzeit nur wann. Dann werden die Menschen auch wieder reisen, denn ihr Urlaub ist ihnen sehr wichtig, das hat auch die Vergangenheit gezeigt. Daher gehe ich fest davon aus, dass wir auch in diesem Jahr noch in den Urlaub fahren werden.

Norbert Fiebig: ist seit dem 25. Juni 2014 Präsident des Deutschen Reiseverbandes (DRV) – der führenden Interessenvertretung der deutschen Tourismusbranche in Berlin. Der Diplom-Ökonom war zuvor CEO der DER Touristik – der Touristiksparte des Handelskonzerns REWE Group.

Zurück

Vielleicht auch interessant

Die zehnte Ausgabe des Ernährungsreports beleuchtet die Prioritäten der deutschen Bevölkerung beim Essen. Während Geschmack und Gesundheit unangefochten an der Spitze stehen, gewinnen Kriterien wie Preis, schnelle Zubereitung, Tierwohl und Regionalität deutlich an Bedeutung. Der tägliche Fleischkonsum sinkt, die Wahrnehmung des Nutri-Scores steigt stark an.

Im dritten Quartal dieses Jahres sind die Bruttolöhne in Deutschland erneut stärker gestiegen als die Verbraucherpreise. Daraus ergibt sich eine Reallohnsteigerung um rund 2,7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das ist der höchste Zuwachs im laufenden Jahr.

Der Entwurf zur Änderung der Sozialversicherungsentgeltverordnung sieht eine Anhebung der amtlichen Sachbezugswerte für Verpflegung und Unterkunft zum 1. Januar 2026 vor, die für die steuerliche und sozialversicherungsrechtliche Bewertung von Sachbezügen an Arbeitnehmer relevant sind.

Das Jahresende naht und damit auch die Weihnachtszeit. Für manche gibt es da noch eine zusätzliche Bescherung vom Arbeitgeber: Weihnachtsgeld. Doch wer hat eigentlich Anspruch darauf? Kann das jeder bekommen?

Eine aktuelle Analyse der DATEV zeigt, dass die Löhne und Gehälter in Kleinst-, kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) seit 2022 deutlich gestiegen sind. Die Zuwachsraten liegen demnach nominal weiterhin über der Inflation. Dem Lohnwachstum der breiten Masse steht ein unterdurchschnittliches Wachstum bei den Gehältern von Geschäftsführern gegenüber.

Wie sind die Aussichten für die Beschäftigung in Deutschland? Während das Barometer des Ifo-Instituts schlecht ausfällt, sieht es beim IAB besser aus. Das könnte daran liegen, wer gefragt wurde.

Die Deutschlandchefin des Kurzzeitvermietungsportals Airbnb, Kathrin Anselm, hat Vorwürfe entschieden zurückgewiesen, ihr Unternehmen trage Mitschuld an den explodierenden Mieten in Berlin. Die Managerin äußerte Zweifel an einer DIW-Studie, die einen Zusammenhang zwischen dem Airbnb-Angebot und steigenden Mieten nahelegt.

Es gibt Dinge, die man lieber nicht in Gegenwart seiner Vorgesetzten sagt - egal in welcher Sprache. Doch selbst wenn man sie sagt, ist eine Kündigung unter Umständen unwirksam, entschied ein Gericht.

Kleine und mittlere Unternehmen in Deutschland erhalten weiterhin Unterstützung durch ein bundesweites Förderprogramm zur Unternehmensberatung. Das Programm zielt darauf ab, die Erfolgsaussichten, die Leistungs- und Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern und gilt auch für Unternehmen des Gastgewerbes.

Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (DEHOGA Bundesverband) hat seinen aktuellen Zahlenspiegel für das dritte Quartal 2025 vorgelegt. Die Publikation bietet eine Übersicht der zentralen wirtschaftlichen Kennzahlen aus Hotellerie und Gastronomie.