Meike Bambach, Hotel Paradies im Engadin: „Unser Club Privé-Konzept trifft den Nerv der Zeit“

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Ihr wurde letzte Woche eine seltene Ehre zuteil: Meike Bambach, Hotelière des Jahres laut dem namhaften Schweizer BILANZ Hotel-Rating 2019. Die ursprünglich aus Münster stammende Gastgeberin im Hideaway „Hotel Paradies“ in Ftan im Engadin ist eine rare Erscheinung im mehrheitlich männlich geprägten Hospitality-Umfeld. Und, sie mischt die 5-Sterne-Hotellerie mit ihrem All-inclusive-Clubkonzept tüchtig auf. Klare Ansichten einer Kennerin im Gespräch mit Tageskarte.

Tageskarte: Frau Bambach – mal ganz ehrlich. Haben Sie mit dieser Auszeichnung gerechnet oder zumindest geliebäugelt?

Nein, nicht im Geringesten. Ich war genauso überrascht wie mein Team und meine Gäste. Wir freuen uns aber allesamt über dieses Glück.

Tageskarte: Man sagt Ihnen nach, dass Sie ein gutes Händchen für die Gestaltung von Gastfreundschaft hätten und dabei vor allem weg vom klassisch-steifen 5-Stern-Service kommen. Stimmt das?

Meike Bambach: Wer mich kennt, weiss, dass ich sehr wertorientiert und verbindlich bin. Ein Mensch mit einer klaren Haltung und einer Freude am Gastgeberdasein. Ich liebe Menschen und mache ihnen fürs Leben gern eine Freude. So lautet mein Motto denn auch stets: „Kann ich Ihnen noch etwas Gutes tun?“. Das ist nicht eine Floskel, sondern ganz ernst gemeint. Und Kunden wollen ernst genommen werden. Das übrigens nicht eine Frage der Sternekategorie, sondern eben eine Haltungsfrage. Sicherlich haben sich aber die Gäste in den 5-Stern-Häusern und deren Erwartungen an uns Gastgeberinnen generell verändert.

Tageskarte: Inwiefern?

Meike Bambach: Gäste sind gerne privat, sind gerne, wie sie eben sind. Wir als Hotelière müssen sie nicht erziehen und drangsalieren. Zum Beispiel: Frühstück gibt’s nur von 7 bis 10.30 Uhr. Bei uns im Hotel Paradies gibt’s seit eh und je Frühstück, wann und wo man will. Lustig: Die meisten Gäste tauchen trotzdem zwischen 8.30 und 10.30 Uhr auf – aber sie müssen nichts. Legerer, informeller, genussreicher, ist’s geworden in den Tophäusern. Und bei uns, die wir ein Lodge-ähnliches Hideaway sind, erst recht. Wir machen alles möglich. Massgeschneidert.
 

Tageskarte: Und wie wickeln Sie dies personell ab?

Meike Bambach: Es bedeutet vor allem: Hingabe. Passion. Und gute Kondition. Das kann man zwar trainieren (lacht), aber ein Gen dafür muss man schon haben. Das ist das eine. Und das andere ist: Es braucht dafür neue Konzepte. Wenn Sie eine Armada von hierarchisch strukturierten Mitarbeitenden haben, dann übernimmt letztlich niemand richtig Verantwortung. Self-Empowerment ist gefragt. Und weniger Hierarchien sowieso. Wir haben deshalb auch grad das klassische Hotelkonzept auf den Kopf gestellt.

Tageskarte: Und das funktioniert?

Meike Bambach: Ja, das tut’s. Natürlich hat man als Pionierin mit Widerständen zu kämpfen. Wer was Neues wagt, hat Neider. Und wer neue Wege geht, wird nicht sofort verstanden. Es braucht Zeit und es braucht viel Kommunikation. Mit den Gästen reden, mit Interessenten sich hinsetzen, Kaffee trinken, zuhören. Was die Menschen bewegt, das muss uns Gastgeber am Herzen liegen. Und wir haben rausgefunden: Paradies-Gäste wollen in ihr zweites Zuhause heimkehren, wann und solange sie wollen. Statt einer Ferienwohnung wollen sie hier verweilen, in ihrer Suite, in ihrer Lounge. Und mal Skifahren gehen, mal golfen, mal auf Ausfährtchen oder zum Kochen auf die Alp in unserer Kochhütte. Dabei wollen sie vor allem kein Portemonnaie in die Hand nehmen. Einfach nur sein. Und so haben wir aus dem Hotel zusammen mit Eigentümer Horst Rahe, der ja auch für sein Unternehmergeist und Ideenreichtum bekannt ist, das Hotel zum Club Privé „Il Paradis“ umgebaut.

Tageskarte: Funktioniert denn All-inclusive im 5-Sterne-Bereich tatsächlich?

Meike Bambach: Absolut. Es gab durchaus kritische Stimmen aus der Branche. Aber das Interessante ist: Die Gäste haben ein natürliches „Comment“. Sie nützen ihre grenzenlose Freiheit eben gerade nicht aus. Sondern geniessen, was ihnen zusteht. Und dies in gutem Masse und mit viel Freude. Das Clubkonzept hat die Bindung unter den Gästen und mit unserem Team noch verstärkt. Wir sind voll auf Kurs und gewinnen laufend neue Members und Owner dazu. Man muss aber auch klar sagen: Der Ansatz eignet sich sicherlich nicht für jedes Haus.

Tageskarte: Die Besitzerschaft Familie Rahe hat hierfür das Hotel in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, indem man sich als Mitglied der AG im Owner-Club eine Suite im Haus sichern kann. Was versprechen Sie sich davon?

Meike Bambach: Wir sind überzeugt, mit diesem innovativen Konzept, das in der Schweiz und Europa neu ist, ein kreatives Angebot geschaffen zu haben, für Zeitgenossen, die ein zweites erstes Zuhause suchen, ohne den grossen Aufwand einer Ferienwohnung in den Bergen zu haben. Wichtig ist zu wissen: Es handelt sich hier um eine separate Aktiengesellschaft – die sich bewusst um die Etablierung unserer neuartigen Club-Idee kümmert. Bislang ist die Immobilie „Paradies“ im Besitz der Paradies Touristik AG. Der Eigentümer Horst Rahe suchte mit seiner Familie nach einer nachhaltigen Lösung, die nicht nur der Immobilie eine Zukunft ermöglicht. Wir sind auch hier am Puls der Zeit im Sinne des Sharing-Gedankens.

Tageskarte: Zurück zu Ihrer Arbeit – wie hat sich diese durch das Clubkonzept verändert?

Meike Bambach: Nun, sie hat sich noch akzentuiert. Mein 10-köpfiges Team mit dem stellvertretenden Direktor Stephan Schmitz, Küchenchef Thomas Hayungs kümmert sich noch gezielter um die Member. Ich kann mich in dieser Rolle voll und ganz auf mein Verständnis als Gastgeberin konzentrieren. Der Kreativität sind da keine Grenzen gesetzt. Wir sind den Ballast wie komplexe Zahlungs- und Reservierungsmanagement etc. los – und wir konzentrieren uns auf unsere Kerndisziplin.

Tageskarte: Und die Gäste, wie haben sie auf das Clubkonzept bislang reagiert?

Meike Bambach: Durchwegs positiv, darf ich sagen. Wir sind ja an rund 200 Tagen im Jahr geöffnet, den schönsten Zeiten also im Engadin mit einem Märchenwinter und einem Traumsommer sowie dem Indian Summer. Viele Gäste ziehen sich hierher zurück, ins Refugium Paradies. Wer will, kann sich den geführten Aktivitäten mit den Locals anschliessen – zum Beispiel einer Erkundungstour mit Biobäuerin aus dem Nachbarsdorf. Man kann, muss aber nicht. Andere wiederum schätzen den Chauffeurservice. Wir holen die Gäste von Zuhause ab, wenn sie dies wünschen. Viele Members lassen auch ihre Ski- oder Golfausrüstung bei uns, und alles steht bereit, wenn man in sein Paradies kommt. Gleiches gilt beim Verpflegungsangebot. Der Gast bestimmt Ort und Zeit, alles ist verfügbar, Weine, Schaumweine, Schnäpse, Bündnerfleisch, Käse vom Bauern, Kuchen vom Patissier. Eine Honesty-Bar und eine grosse Lounge laden zum Verweilen und sich Selbst-Bedienen. Das kommt besonders gut an.

Tageskarte: Und wer nicht zum Club gehört, der bleibt aussen vor?

Meike Bambach: Nicht ganz. Wir setzen natürlich aufs Prinzip „Members only“. Aber zuerst muss man ja mal das Haus kennenlernen können. Deshalb offerieren wir allen eine attraktive Kennenlern-Pauschale. Und noch was: Wenn der Club nicht im Paradies gastiert, steht unser Haus weiterhin für reguläre Exklusivvermietungen zur Verfügung, sei es für Hochzeiten, Firmenanlässe oder Feste für Familien. Das Produkt „Rent-A-Hotel“ läuft im „Paradies“ phänomenal. Wo hat man schon ein Hotel und Personal für sich?

Tageskarte: Was kostet denn eine Mitgliedschaft bei Ihnen?

Meike Bambach: Nach dem einmaligen Kauf einer Mitgliedschaft von 10'000 Schweizer Franken (diese wird nach Austritt rückerstattet) beträgt die jährliche Gebühr von 2 x 5000 Franken für jeweils ein Paar. Jeder Gast verweilt, solange er will, und setzt dafür sein Guthaben ein. Der eine bringt Freunde mit, der andere bleibt eine Woche, andere schauen zwei, drei Mal im Jahr kurz vorbei. Natürlich können jederzeit zusätzliche Nächte zu einem Vorzugspreis dazugebucht werden. Und wenn jemand mal die Jahresgebühr nicht ausschöpft, übertragen wir sie einfach aufs nächste Jahr. Ganz einfach.

Tageskarte: Und hatten Sie keine Bedenken, Gäste zu verlieren?

Meike Bambach: Eigentlich nicht. Die Hotelgäste haben rasch verstanden, was die Vorteile eines Club Privé sind. Und so entscheiden sich die meisten Newcomer auch zügig, ob sie mittun oder nicht. Die meisten bleiben, wenn sie die Schönheiten der Region und unseres Hauses erst mal entdeckt haben.

Tageskarte: Und last but not least: Was tun Sie für die Locals?

Meike Bambach: Für die Ferienwohnungsbesitzer und lokalen Freunde des Hauses haben wir den Tagesmemberclub geschaffen. Diese können die ganze Infrastruktur des Hauses benutzen können für 2000 Franken im Jahr. Davon sind bereits 1000 Franken an die Konsumation angerechnet. Damit auch hier die Kirche im Dorf bleibt (lacht)…
 

5-Stern-Hideway Paradies: ein Bijou im Engadin

Das Hotel „Paradies“ im Engadin (Ftan) liegt auf einem der schönsten Sonnenplateaus der Schweizer Alpen – rund 2,5 Fahrstunden von Zürich, Innsbruck und vier Stunden von München. Das Haus im Bauhausstil mit 23 Zimmern und viel Charme trug stets seinen Namen „II Paradis“. 1910 baute der Kunstmaler Hans Walter Beyer Wohnhaus und Atelier aus. In der damaligen Wohnstube bewirtete seine Gattin die ersten Gäste. Nach mehreren Besitzerwechseln und der Erweiterung zum Hotel in den Jahren 1966 und 1967 erwarb die Hamburger Hoteliersfamilie Rahe das Anwesen 1995. Nach Investitionen von mehreren Millionen Franken haben die Eigentümer das Hotel in einigen Umbauphasen zu neuem Leben erweckt. Das „Paradies“ ist ein Geheimtipp für alle, die ein kleines, feines Hideaway in den Bergen suchen. Hier findet man die Auszeit vom Alltag mit allem was das Herz erfüllt: liebevolles Wohndesign, ausgezeichnete Küche, persönliche Gastfreundschaft, würzige Bergluft und jede Menge Entspannung. Die Chasa da Fö – wörtlich das Haus mit dem Herd – ist ebenfalls im Besitz des Hotel Paradies und liegt auf über 2200 Metern über Meer auf der Alp Laret. Die Hütte beherbergt wohl die höchste Kochschule Europas.

Werdegang Meike Bambach

Seit 2008 prägt sie das Haus mit ihrem Stil: Meike Bambach ist Gastgeberin und Ankerfigur im Paradies. Sie kennt das Engadin und die Umgebung Ftan wie ihre Westentasche, nunmehr seit fast zehn Jahren. Nach der Ausbildung an der Cornell University in New York war sie weltweit in verschiedenen Hotels in Beverly Hills, Hongkong, Australien und England tätig. Bevor sie nach Ftan kam, war sie Vizedirektorin des renommierten Hotels Louis C. Jacob in Hamburg, das auch der Familie Rahe gehört. Als Mutter zweier Kinder liebt Meike Bambach die Natur und pflegt engen Kontakt zu Land und Leuten. Dies ist allenthalben spür- und erlebbar, sei es in der Küchenphilosophie des Hauses, die unter dem Titel Chadafö Unica wo immer möglich mit regionalen Produkten und jenen aus dem eigenen Garten operiert. Seit Jahr und Tag zählt beispielsweise auch der unterdessen schweizweit bekannte Metzgermeister Ludwig Hatecke aus Scuol zu den prominenten Partnern des Hauses.


 

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