IHA zu Liquiditätshilfen: "Die Bazooka kommt derzeit noch als Luftpumpe daher"

| Politik Politik

Die Hotellerie war die erste Branche in Deutschland, die von der Ausbreitung des neuartigen Corona-Krise schwer in Mitleidenschaft gezogen wurde, und sie könnte die letzte sein, die zur Normalität zurückfinden kann. Die durch und durch mittelständische geprägte Hotellerie benötigt daher dringend staatliche Hilfe, doch ausgerechnet sie scheint in der Mittelstandslücke der Förderprogramme festzustecken.

„Bundesfinanzminister Scholz hat die Banken aufgefordert, bei der Kreditvergabe ‚Fünfe grade sein zu lassen‘. Doch genau das tut ein Großteil der Banken nicht. Die Kredite der Hausbanken werden an nicht zu erfüllende Auflagen geknüpft oder es werden zusätzlich zu den 80 Prozent Staatshaftung noch einmal 100 Prozent private Absicherung durch den Hotelier verlangt,“ berichtet Otto Lindner, Vorsitzender des Hotelverbandes. „Es rächt sich jetzt, dass alle Hilfe für den Mittelstand über den Flaschenhals der Hausbanken konzipiert wurde. Die aber entwickeln ein unbeabsichtigtes Eigenleben oder stecken in ihrem aufsichtsrechtlichen Korsett fest. Die groß angekündigte Bazooka kommt für uns derzeit jedenfalls noch als Luftpumpe daher – und die Zeit rinnt uns durch die Finger!“

„Nur mit Krediten kann die unverschuldet in Not geratene Hotellerie nicht wieder auf die Beine kommen. Wir benötigen als eine Branche, die ausgefallene Umsätze nach der Krise eben nicht wieder aufholen kann, nicht nur Kredite, sondern auch nicht zurückzuzahlende Zuschüsse, mithin einen Nothilfefonds,“ fordert Otto Lindner. Die bisher beschlossenen Maßnahmen sind für die Hotellerie zudem nicht passgenau. Es klafft trotz des Wirtschaftsstabilisierungsfonds, der Sofort- und Liquiditätshilfen des Bundes eine Unterstützungslücke für Betriebe mit mehr als 10 aber weniger als 250 Mitarbeitern bzw. 50 Millionen Euro Umsatz.

„Aber gerade hier schlägt das Herz der mittelständischen Hotellerie. Neun von zehn Hotels, Hotels garni, Gasthöfe und Pensionen in Deutschland haben 10 und mehr Beschäftigte und nur 0,6% von ihnen erzielen einen Umsatz von mehr als 10 Mio. Euro. Dies belegt unser heute vorgelegter Branchenreport ‚Hotelmarkt Deutschland 2020‘“, erläutert IHA-Hauptgeschäftsführer Markus Luthe.

Dieser weist aus, dass die deutsche Hotellerie eigentlich zufrieden auf das zehnte Rekordjahr in Folge zurückblicken könnte. Mit 495,6 Millionen Gästeübernachtungen aus dem In- und Ausland meldeten die Beherbergungsbetriebe 2019 insgesamt 3,7% mehr Übernachtungen als im Vorjahr. In der klassischen Hotellerie wurden 306,8 Millionen Übernachtungen getätigt, ein Plus von 3,1 Prozent gegenüber 2018.

2019 alle Kennzahlen der Hotellerie im Plus

Im Jahr 2019 haben sich alle Kennzahlen des Hotelmarktes positiv entwickelt. Laut IHA-Branchenreport stieg die durchschnittliche Zimmerauslastung im Vorjahresvergleich um 0,3 Prozent auf 72,1 Prozent. „Damit setzte sich die positive Entwicklung der Vorjahre fort. Verglichen mit den Kennziffern von Anfang April 2020 scheinen diese Zahlen jedoch aus einer völlig anderen Welt zu stammen, denn die durchschnittliche Zimmerauslastung der deutschen Hotellerie beträgt aktuell in der Corona-Krise gerade einmal 6 Prozent, in Worten: sechs,“ zieht Luthe Bilanz.

Die Zahl der Hotelbetten stieg im Jahr 2019 um 2,2 Prozent auf 1,86 Millionen. Die Netto-Zimmerpreise (ohne Frühstück, ohne Mehrwertsteuer) erhöhten sich um 1,6 Prozent auf 98 Euro, während sie europaweit um 1,9 Prozent auf 102 Euro anstiegen. Die deutschen Hotelzimmerpreise lagen somit weiterhin unter dem europäischen Durchschnitt. Der durchschnittliche Zimmerertrag
(RevPAR), die wichtigste Wirtschaftlichkeitskennziffer der Hotellerie, erreichte in Deutschland einen Wert von 71 Euro, was einem Anstieg von 1,9 Prozent entspricht.

Die steigenden Übernachtungszahlen und Zimmerraten schlugen in wachsenden Umsätzen zu Buche. Die klassischen Beherbergungsbetriebe erwirtschafteten 2019 nach Hochrechnungen des Hotelverbandes Deutschland einen Nettoumsatz von 29,25 Milliarden Euro, was einem nominalen Umsatzplus von 2,5 Prozent und einem preisbereinigten (realen) von 0,5 Prozent entspricht.

Mit steigender Nachfrage stellten die Betriebe auch mehr ein. Zum Stichtag 30. Juni 2019 zählte die Bundesagentur für Arbeit 316.855 sozialversicherungspflichtig Beschäftigte im Beherbergungsgewerbe – ein Plus von 1,9 Prozent und ebenfalls ein neuerlicher Rekordwert.

Bauboom hielt 2019 an

Angesichts der guten Zahlen wurde weiter kräftig investiert. Trotz Anzeichen von Überkapazitäten zumindest an einigen Standorten waren zum Jahresbeginn 2020 bundesweit für die nächsten drei Jahre 777 Neu-, Um- und Ausbauten geplant. Im Vorjahr waren es im Drei-Jahres-Forecast fast genauso viele (776 Objekte). Werden alle angekündigten Investitionsprojekte auch in Zeiten der Corona-Krise noch realisiert, drängen 112.465 zusätzliche Hotel-zimmer auf den deutschen Hotelmarkt. Das projektierte Investitionsvolumen würde rund 20,9 Milliarden Euro betragen (Vorjahr: 19,6 Milliarden Euro). „Wir erlebten noch bis Anfang März 2020 eine beispiellose Expansions-, aber auch Konsolidierungswelle“, berichtet Lindner. „Die Unternehmens- und Markenkonzentration in der Hotellerie nahm rapide zu.“ Immer mehr internationale Investoren und neue Marken drängten auf den deutschen Markt.

Branche fordert fairen Wettbewerb im digitalen Markt

Seit Jahren weit oben auf der Agenda des Hotelverbandes stehen die Stärkung des Direktvertriebs und der Kampf für faire Rahmenbedingungen in der Online-Distribution. Um die Entwicklungstendenzen der wichtigsten Distributionskanäle aufzuzeigen, Marktanteile zu ermitteln und in einem Gesamtkontext zu analysieren, führen die Hotelverbände in Europa unter dem Dach von HOTREC Hospitality Europe und in Zusammenarbeit mit dem Institut für Tourismus der Fachhochschule Westschweiz Wallis seit dem Jahr 2013 im Zweijahresturnus europaweite Online-Umfragen unter Hotels durch.

Erste, noch vorläufige Ergebnisse der aktuellen Studie für das Referenzjahr 2019 zeigen, dass die Abhängigkeit der Hotellerie von Online-Plattformen weiter konstant zunimmt, während der Anteil der Direktbuchungen abnimmt. Wurden im Jahr 2013 noch 63,7% aller Übernachtungen über direkte Kanäle (online und offline) im Hotel gebucht, lag der Anteil im Jahr 2019 nur noch bei 58,5%. Die Online-Buchungsplattformen konnten ihren Anteil von 20,9% im Jahr 2013 auf 29,7% im Jahr 2019 ausbauen und zählen damit zu dem stärksten Buchungskanal für die Hotellerie in Deutschland. Der Anteil der Übernachtungen, die direkt über die hoteleigene Website (in Echtzeit) gebucht wurden, lag 2019 insgesamt bei 8,8% (2017: 10,9%) und verzeichnet damit einen Rückgang im Vorjahresvergleich.

Drei Buchungsportale dominieren den deutschen OTA-Markt mit einem gemeinsamen Marktanteil von über 95 Prozent. Der dominante Player in Deutschland ist Booking.com mit einem Marktanteil von 65,7 Prozent. Im Vergleich zum Jahr 2017 (58,6 Prozent) konnte der Marktführer seinen Marktanteil noch einmal massiv ausbauen. Auf Platz zwei liegt in Deutschland die HRS-Gruppe mit einem Marktanteil von nur noch 17,1 Prozent (2017: 23,6 Prozent). Mit insgesamt 12,5 Prozent (2017: 12,2 Prozent) entfällt der Rest des Marktes im Wesentlichen auf die Expedia-Gruppe.

„Vor dem Hintergrund dieser Zahlen ärgert es uns besonders zu sehen, wie rücksichtslos und nur auf den eigenen Marktvorteil aus einige Buchungsportale gegenüber ihren ‚Hotelpartnern‘ in den vergangenen Wochen mit ihrer Stornierungspolitik vorgegangen sind. Sie haben die Grenzen ihrer Mittlerrolle zur Unzeit ausgedehnt und den Hotels dringend benötigte Liquidität entzogen“, kritisiert Luthe die Praktiken einiger Portale. 


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.