Bayerische Landräte und OBs fordern Kurskorrekturen in Anti-Corona-Politik

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Vor einer Schalte mit Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Ministerpräsident Markus Söder (CSU) fordern mehrere bayerische Landräte und Oberbürgermeister Kurskorrekturen in der Anti-Corona-Politik: unter anderem klarere Öffnungsperspektiven und eine Orientierung nicht mehr nur an Sieben-Tage-Inzidenzwerten. Vor allem Kommunen mit konstant niedrigen Corona-Infektionszahlen wollen raschere Lockdown-Lockerungen insbesondere für den Einzelhandel. Die in dieser Form außergewöhnliche Videoschalte der bayerischen Kommunalpolitiker mit der Kanzlerin ist für diesen Freitag angesetzt.

Söder hatte am Mittwoch zwar einen groben Stufenplan für weitere Öffnungen in Bayern skizziert: zunächst Gärtnereien und eine Lockerung der Kontaktregeln, dann der Einzelhandel, danach Sport und Kultur. Termine hierfür nannte er aber nicht - allerdings auch keine neuen Inzidenz-Schwellen unterhalb dem Wert 35. Vor allem Gastronomie und Tourismus müssen sich demnach aber noch gedulden. Offen ist auch, wann Schüler ab Klasse fünf wieder zurück in ihre Schulen dürfen (Tageskarte berichtete).

Niemand wolle das Erreichte allzu leichtfertig aufs Spiel setzen, gerade mit Blick auf die Ausbreitung der Virusmutationen, sagte etwa der Kemptener Oberbürgermeister Thomas Kiechle (CSU) der Deutschen Presse-Agentur. Kempten habe aber seit Tagen eine Inzidenz von etwa 20. Wenn sich dieser Trend verstetige und auch im Umland sichtbar sei, werde man langsame Öffnungen einfordern. «Unter klaren Hygienekonzepten müssen kulturelle Veranstaltungen, Kinovorführungen, Zugang zum Einzelhandel und auch zur Gastronomie bei definierter Zugangsbeschränkung wieder möglich sein», erklärte Kiechle.

Der Unterallgäuer Landrat Alex Eder (Freie Wähler) forderte einen «zügigen, kontrollierten Ausstieg» aus dem Lockdown. Er verlangte zudem, die Sieben-Tage-Inzidenz als «alleiniger Auslöser» von grundrechtseinschränkenden Maßnahmen müsse überdacht werden. Ausschlaggebend müsse daneben auch die gesundheitliche Lage sein, also die Schwere der Erkrankungen und die Situation in den Kliniken.

Auch der Schweinfurter Oberbürgermeister Sebastian Remelé (CSU) sagte: «Aus meiner Sicht ist es nicht sinnvoll, sich ausschließlich an Zahlenwerten, also festgelegten Inzidenzwerten zu orientieren. Wichtig wäre meiner Meinung nach, die Lage vor Ort, insbesondere aber die Leistungsfähigkeit des Gesundheitswesens zu betrachten und danach die Situation einzuordnen und entsprechende Maßnahmen zu treffen.» Zudem müsse dringend ein Blick auf die notleidenden Branchen geworfen werden - Einzelhandel, Gastronomie, Hotellerie, Kultur. Vielen stehe das Wasser bis zum Hals. «Existenzen stehen auf dem Spiel.»

Tourismus-geprägte Landkreise fordern Perspektiven auch fürs Gastgewerbe. Der Miesbacher Landrat Olaf von Löwis (CSU) klagte: «Unsere wichtigste Branche Tourismus wird oft nur am Rande oder gar nicht erwähnt. Ich wünsche mir, dass diese wichtige Branche nicht vergessen wird.» Und auch der Garmisch-Partenkirchener Landrat Anton Speer (Freie Wähler) forderte eine Öffnungsperspektive zunächst für den Einzelhandel, aber dann auch für die Gastronomie und Beherbergungsbetriebe. Die Oberallgäuer Landrätin Indra Baier-Müller (Freie Wähler) forderte, für den Tourismus müsse man «unbedingt etwas tun». Insgesamt benötigten die Menschen nach so einer langen Zeit der Ungewissheit endlich eine Idee davon, wie es weitergehe, sagte sie.

Der Bayreuther Landrat Florian Wiedemann (Freie Wähler) erklärte: «Selbstverständlich braucht es auch weiter Vorsicht und Umsicht. Wichtig ist aber auch, dass wir unseren Bürgerinnen und Bürgern Zuversicht geben, indem Öffnungsstrategien aufgezeigt werden.» Nicht zielführend sei es, in diesem Zusammenhang ständig Zahlen zu ändern. «Erst war eine Inzidenz von 50 das Maß aller Dinge, aus dem Nichts kam nun die Zahl 35 – so etwas schafft Verdruss und Verunsicherung.»

Der Bamberger Oberbürgermeister Andreas Starke (SPD) sagte: «Die Erschöpfung in der Bevölkerung ist unerkennbar und hat in den letzten Wochen deutlich zugenommen. Vor allem dort, wo die Inzidenzwerte niedrig sind, sinkt die Bereitschaft, den Lockdown mitzutragen.» Deswegen brauche es jetzt dringend eine Öffnungsperspektive. Coburgs Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) betonte ebenfalls: «Ich erwarte einen durchdachten Fahrplan hin zu Normalität - bei aller notwendigen Vorsorge - und nicht Entscheidungen per Salami-Taktik.» Bayreuths Oberbürgermeister Thomas Ebersberger (CSU) will sich unter anderem für Erleichterungen bei den Kontaktbeschränkungen einsetzen.

Auch die weitere Teststrategie, die Verwendung von Schnelltests, die Impfstrategie sowie die teils schleppende Auszahlung staatlicher Hilfen für Betriebe wollen mehrere Kommunalpolitiker thematisieren. Söder hat mit Blick auf die Videoschalte am Freitagmittag einen offenen Meinungsaustausch angekündigt. Es solle in dem Gespräch aber auch um ganz konkrete Bedürfnisse und Probleme der Kommunen gehen. (dpa)


 

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