Bayern: Für eine Entwarnung noch zu früh

| Politik Politik

„Wir haben die Verabschiedung des Konjunkturpaketes auf Bundesebene sowie die zeitgleich einhergehenden Grenzöffnungen zum Anlass genommen, ein aktuelles Lagebild des bayerischen Gastgewerbes zu zeichnen“, erklärt Angela Inselkammer, Präsidentin des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes DEHOGA Bayern. Allgemein stellt sich die Lage des bayerischen Gastgewerbes angesichts der Vielzahl an Betrieben, Betriebstypen und regionalen Besonderheiten sehr unterschiedlich dar. Inselkammer: „Insgesamt ist die Lage nach wie vor äußerst prekär, für eine Entwarnung ist es trotz des umfassenden Maßnahmen- und Konjunkturprogramms noch viel zu früh.“

In der Gastronomie werden nach dem Lockdown Speisebetriebe schrittweise wieder hochgefahren. „Nach Monaten ohne Umsatz aber weiterlaufenden Fixkosten, werden nun Mitarbeiter aus der Kurzarbeit geholt, der Wareneinsatz hochgefahren, Betriebskosten steigen aufgrund der Auflagen auf ein höheres Niveau an, zudem müssen Überbrückungskredite getilgt werden“, erläutert Inselkammer, „all diese Kosten müssen gedeckt werden, um einen wirtschaftlichen Betrieb zu generieren, was aber angesichts der hohen Auflagen und coronabedingten Beschränkungen sowie der Verunsicherung der Gäste in den seltensten Fällen gelingt.“

Massive Kapazitätseinbußen

So hat die Gastronomie durch das Abstandsgebot massive Kapazitätseinbußen, die es selbst bei Vollauslastung nur schwer ermöglichen, einen notwendigen Mindestumsatz zu erwirtschaften. „Der Überlebenskampf ist hier noch lange nicht gewonnen“, macht Inselkammer deutlich, dies läge vor allem am gestiegenen Personalaufwand. „Hier würde uns sehr helfen, wenn die Feststellung von Virologe Christian Drosten, dass im Freien die Abstände reduziert werden können, schnell umgesetzt werden würde“, stellt Inselkammer fest. Darüber hinaus sollte im Freien auf einen Mund-Nase-Schutz verzichtet oder, wie in Österreich und anderen Bundesländern, Face-Shields erlaubt werden.

Die DEHOGA Bayern-Präsidentin legt dar, dass das Verbot von Familienfeiern wie Hochzeiten und Veranstaltungen ein großes Problem ist. Auch kleinere Zusammenkünfte sind trotz Einhaltung der Hygieneregeln durch ein Verbot von Gruppenreservierungen nicht zulässig, besonders schmerzhaft sei dies bei Beerdigungen. Da das alles in anderen Ländern schon wieder möglich ist, führe es bei planbaren Feiern und Veranstaltungen zum Abwandern der Gäste. Hinzu käme eine spürbare Verunsicherung in der Bevölkerung. Obwohl Hygienekonzepte funktionieren und ein Restaurantbesuch sicher ist, sei eine Zurückhaltung seitens der Gäste v.a. beim Besuch der Innenbereiche von Gaststätten zu beobachten.

Im Stadt-Land-Vergleich schneiden Städte hinsichtlich der Nachfrage nicht besser ab. Hierfür sind mehrere Faktoren verantwortlich: Aufgrund der starken Nutzung von Homeoffice fehlt das Mittagsgeschäft, Tagungen, Messen und Kongresse finden noch nicht statt und zeitgleich fehlen ausländische Gäste und Touristen vollständig.

Bars und Clubs ohne Perspektive

Völlig ohne Perspektive auf einen Eröffnungstermin sind getränkegeprägte Betriebe, allen voran Bars, Clubs, Diskotheken und Festzeltbetriebe.

In der Hotellerie gibt es de facto zwar keine Belegungsgrenze, allerdings ist die Situation dennoch äußerst schwierig. Viele 4 und 5-Sterne Hotels können entscheidende Dienstleistungen wie beispielsweise Wellness- und Spabereiche mit Saunen und Indoorpools noch nicht nutzen. Nachdem Wellnessgäste und Familien mit Kindern sich ihr Urlaubsdomizil oftmals nach diesen Vorgaben aussuchen, weichen sie auf Österreich und andere Bundesländer aus. Stornierungen von bereits gebuchten Aufenthalten sind massiv feststellbar. Auch Tagungen sind nur äußerst eingeschränkt möglich, Veranstaltungen sowie Messen und Kongresse sind sogar verboten, was in besonderem Maße die Stadthotellerie zu spüren bekommt.

Auch vor diesem Hintergrund hatte der Koalitionsausschuss der Bundesregierung am Mittwoch ein ganzes Bündel an Maßnahmen beschlossen. „Das verabschiedete Konjunkturpaket ist ein wichtiges und gutes Signal an die Betriebe und die gesamte Branche“, erläutert Inselkammer, „viele Vorschläge werden auf den noch langen Weg zur Normalität und im Kampf um das wirtschaftliche Überleben helfen. Gerettet ist hierdurch jedoch noch keiner. Die Corona-Pandemie ist aus wirtschaftlicher Sicht noch lange nicht überstanden.“

Die Umsatzsteuersenkungen sind sehr hilfreich, da hierdurch der durch das Abstandsgebot verursachte geringere Umsatz zumindest in Teilen kompensiert werden kann. Deswegen wird es im Gastgewerbe keine Preissenkungen geben können. Die Überbrückungshilfen hätten größer ausfallen können, jetzt gilt es, sie zumindest schnell und unbürokratisch auf den Weg zu bringen. Für besonders betroffene Betriebe wie Clubs oder Diskotheken muss es ergänzende Programme auf bayerischer Ebene in Form von weiteren Finanzhilfen oder Konjunkturimpulsen geben, sollte sich die Lage nicht schnellstens normalisieren.

Tourismus braucht Vorlauf und Planbarkeit

Wie beim Lockdown kommt es auch beim Wiederhochfahren darauf an, entschlossen und schnell zu reagieren. Dies gilt insbesondere bei stetig sinkenden Infektionszahlen. Darüber hinaus braucht Tourismus Vorlauf und Planbarkeit. Es ist besser, Entscheidungen vier Wochen im Voraus zu treffen und diese im Notfall lieber wieder zurücknehmen, als zu kurzfristig zu agieren.

Inselkammer: „Die zunehmende Reisetätigkeit führt zu enormen Wettbewerbsverzerrungen und macht schärfere Auflagen fragwürdig: Wir befürworten ein vorsichtigeres Vorgehen und sind teilweise überrascht von dem Tempo Österreichs. Doch wenn unsere bayerische Bevölkerung nach Österreich und in andere Bundesländer reisen kann und dort mit geringsten Auflagen konfrontiert ist, dann ergeben unsere Beschränkungen wenig Sinn und schaden im Sinne der Wettbewerbsfähigkeit. Zudem macht es die Maßnahmen unglaubwürdig.“

Neben ergänzenden Überbrückungshilfen und weiteren Konjunkturimpulsen wäre es für das Tourismusland Bayern enorm wichtig, jetzt eine Kampagne „Urlaub in Bayern“ für Städte und Urlaubsregionen aber auch für Restaurantbesuche zu starten. Zugleich könnten regelmäßige Testungen aller gastgewerblicher Mitarbeiter dazu beitragen, Bayern zum sichersten Reiseland werden zu lassen.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.