Gutschein oder Geld zurück - Debatte um Erstattung für Reisende

| Politik Politik

Pauschalreisen und Flüge sind wegen der Corona-Krise abgesagt, Kunden wollen ihr Geld zurück, die Reisebranche fürchtet jedoch um ihre Existenz. Nach Vorschlägen aus der Bundesregierung sollen Verbraucher künftig Gutscheine erhalten anstelle von Erstattungen. Damit könnten Fluggesellschaften und Reiseveranstalter in der Krise finanziell entlastet und vor Liquiditätsengpässen bewahrt werden, argumentierten Regierungsvertreter im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Bislang haben Kunden das Recht auf eine umgehende Erstattung ihres Geldes. Verbraucherschützer sehen Gutschriften kritisch.

«Die Verbraucher dürfen nicht gezwungen werden, der Reisebranche einen Kredit zu gewähren, wenn sie selber das Geld für anderes wie Miete oder Lebensmittel einsetzen wollen», sagte die Mobilitätsexpertin des Verbraucherzentrale Bundesverbands, Marion Jungbluth, am Donnerstag. «Das wäre unfair und gerade für Menschen mit kleinen Einkommen eine nicht zu verantwortende soziale Härte.» Gutscheine für ausgefallene Reisen müssten freiwillig bleiben.

Jungbluth sagte, besser wäre es, wenn die Bundesregierung einen Schutzschirm über die Kundengelder spanne, so dass die Reiseanbieter die Anzahlungen allen Verbrauchern sofort erstatten könnten. «Ein solcher Fonds wäre transparent und würde die Liquidität der Reisebranche und der Verbraucher sichern.»

Der Wirtschafts-Staatssekretär und Tourismusbeauftragte der Bundesregierung, Thomas Bareiß (CDU), macht sich allerdings große Sorgen um die Veranstalter. In den kommenden Wochen würden enorme Rückerstattungen für ausgefallene Reisen fällig. Der Branchenverband DRV gehe von 4,8 Milliarden Euro bis Ende April aus. «Auch kerngesunde Unternehmen halten das nicht länger aus. In der Tat könnte eine Gutscheinlösung hier Liquidität sichern.» Es sei aber wichtig, dass der Kunde sicher bleibe, dass sein Geld nicht verloren geht. Dies müsse auf eine ordentliche Grundlage gestellt werden, sagte Bareiß.

Wie schwierig die Lage der Branche ist, zeigen etwa die Beispiele Tui und Condor. Der weltgrößte Reisekonzern Tui soll kurz vor einer Einigung über staatliche Unterstützung in Milliardenhöhe stehen. Der Konzern ist schon seit einigen Tagen in Gesprächen darüber, ob Mittel aus den Hilfsprogrammen von Bund und Ländern beantragt werden. Die Ferienfluggesellschaft Condor will nach eigenen Angaben einen großen Teil ihrer Belegschaft in Kurzarbeit schicken und hat wie andere Airlines auch zusätzliche Staatshilfen beantragt.

Die deutsche Tourismuswirtschaft wandte sich in einem Brandbrief an Bundeskanzlerin Angela Merkel und mehrere Minister. «Mit großer Sorge betrachten wir die existenzbedrohenden Auswirkungen der Coronakrise auf die Tourismuswirtschaft», heißt es in dem Schreiben von insgesamt 29 Verbänden und Unternehmen. Der Dachverband der Tourismuswirtschaft (BTW) forderte eine Gutschein- oder eine Notfonds-Lösung. (Tageskarte berichtete)

DRV-Präsident Norbert Fiebig hatte für den Fall von Reisegutschriften eine staatliche Garantie für die Kunden vorgeschlagen. Matthias Miersch, stellvertretender Vorsitzender der SPD-Bundestagsfraktion, bezeichnete Gutscheine als ein Instrument, aber kein Allheilmittel. «Die Reisenden dürfen nicht am Ende der Kette stehen und diejenigen sein, die auf ihren Kosten sitzen bleiben.» Notwendig sei ein schlüssiges Gesamtkonzept.

Auch die Luftverkehrsbranche brauche Entlastungen, damit ihre Liquidität sichergestellt bleibe, sagte der Regierungs-Koordinator für Luft- und Raumfahrt, Thomas Jarzombek (CDU). «Die Airlines sollten die Möglichkeit bekommen, Gutscheine für Kunden auszustellen - diese könnten sie dann einlösen, wenn der Flugbetrieb wieder hochgefahren wird, oder später auch auszahlen lassen. Dies würde die Airlines und am Ende die Steuerzahler finanziell deutlich entlasten.»

Der Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft unterstützt das Vorhaben: «Eine Gutscheinlösung bei annullierten Flügen würde unseren Unternehmen helfen und gleichzeitig die Kunden nicht schädigen, denn diese könnten ihre gebuchten Reisen nach Ende der Corona-Pandemie tatsächlich auch antreten», erklärte Hauptgeschäftsführer Matthias von Randow. Man setze darauf, dass Bundesregierung und EU-Kommission die Lösung ermöglichen.

Lufthansa und andere Gesellschaften versuchen derzeit, ihre Kunden von konkreten Erstattungsanträgen für stornierte Flüge abzuhalten. Sie gewähren aktuell lange Fristen, um die bereits bezahlten Tickets auf andere Flüge im Laufe des Jahres umzubuchen. Lufthansa bietet dafür sogar einen Bonus von 50 Euro an. In den professionellen Buchungssystemen etwa für Reisebüros hat der Konzern die automatisierte Erstattung einseitig gestoppt.

Insgesamt leidet der Luftverkehr wie wohl keine zweite Branche unter den Folgen der Corona-Pandemie. Der Verkehr ist weltweit drastisch zurückgegangen, in Europa ist im Vergleich zum Vorjahr nicht einmal mehr jeder vierte Flieger unterwegs. Den Airlines droht im laufenden Jahr nach Schätzungen ihres Weltverbandes IATA ein Umsatzrückgang von bis zu 252 Milliarden US-Dollar (233 Mrd Euro), was einem Anteil von 44 Prozent der Erlöse aus 2019 entsprechen würde.

Die Reisewarnung der Bundesregierung wegen der Corona-Krise gilt vorerst bis Ende April und betrifft damit auch die Osterferien.

Von Andreas Hoenig, Christian Ebner und Friederike Marx, dpa


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Nahtloser Einstieg statt Hängepartie: Das sächsische Innenministerium hat einen Erlass verabschiedet, der den Berufseinstieg von ausländischen Azubis und Studierenden vereinfacht. Vom Verband gibt es dafür Lob.

Der Bayerische Landtag hat einen Gesetzesentwurf beschlossen, der Städten und Gemeinden in Bayern ab Januar 2026 die Einführung eigener Einweg-Verpackungssteuern untersagt. Das Verbot schränkt die kommunalen Handlungsmöglichkeiten in diesem Bereich ein.

In der EU bleibt die Zukunft von Namen wie «Tofu-Wurst», «Soja-Schnitzel» oder «Veggie-Burger» für vegetarische Produkte zunächst offen. Unterhändler der EU-Staaten und des Europaparlaments konnten sich nach intensiven Verhandlungen in Brüssel zunächst nicht auf neue Vorgaben einigen. Die Entscheidung wurde auf einen späteren Zeitpunkt vertagt. 

Beim Kauf von Koteletts soll künftig auch ein amtliches Siegel über die Zustände in den Ställen informieren. Der Start verzögert sich weiter. Für eine Ausdehnung gibt es nun aber ein Datum. Das verpflichtende Logo soll auch für die Außer-Haus-Verpflegung in Restaurants und Gaststätten greifen. 

Sternekoch Alexander Herrmann tritt bei der Kommunalwahl 2026 als CSU-Kandidat für den Kreistag Kulmbach an. Der bekannte Gastronom steht auf dem 50. und damit letzten Listenplatz.

Schleswig-Holsteins schwarz-grüne Landesregierung will der geplanten steuerlichen Entlastung für Pendler, Gastronomen und Ehrenamtler kommende Woche im Bundesrat zustimmen. Die Gastronomie sei zentral für ihr Land als Tourismus-Standort, wirtschaftlich wie kulturell, so Ministerpräsident Daniel Günther.

Nachdem der Bundestag in der vergangenen Woche das Steueränderungsgesetz 2025 verabschiedet hat, liegt die Entscheidung über die dauerhafte Senkung der Mehrwertsteuer in der Gastronomie nun beim Bundesrat. Die Länderkammer muss dem Gesetz am 19. Dezember 2026 zustimmen. Jetzt äußerten sich Ministerpräsidenten.

Die Obergrenze für Arbeitsmigration über die Westbalkanregelung ist für 2025 erreicht, was zu Ablehnungen offener Anträge führt und bei Wirtschaftsverbänden angesichts politischer Pläne zur Kontingentsreduzierung auf 25.000 auf Kritik stößt.

Die Regierungschefs der Bundesländer haben sich zusammen mit Bundeskanzler Friedrich Merz auf ein umfangreiches Reformpaket zur Modernisierung von Staat und Verwaltung geeinigt. Dieses könnte bei konsequenter Umsetzung auch für das Gastgewerbe spürbare Entlastungen bringen.

Bundesarbeitsministerin Bärbel Bas (SPD) erwägt ein Subunternehmerverbot für Essenslieferdienste wie Uber Eats, Wolt und Lieferando. Die Maßnahme soll nach einer rbb-Recherche, in der auf mögliche kriminelle Strukturen in der Branche hingewiesen wurde, effektiver gegen zahlreiche Verstöße gegen das Arbeitsrecht vorgehen.