Impfen im Restaurant soll Menschen an die Spritze bringen

| Politik Politik

Schlangestehen im Corona-Impfzentrum, dankbar sein für den Termin und vorher gewissenhaft alle Formulare ausfüllen - das wird wohl bald Vergangenheit sein. Die Bundesländer setzen nun auf neue Konzepte, um die Menschen zur Impfung zu bringen. Denn die tägliche Impfrate sinkt und Experten sagen, es haben noch viel zu wenige Menschen einen Impfschutz, um die Pandemie in den Griff zu bekommen.

Nach Einschätzung des Robert Koch-Instituts sollten wegen der ansteckenderen Delta-Variante des Coronavirus mindestens 85 Prozent der 12- bis 59-Jährigen und 90 Prozent der Senioren ab 60 Jahren vollständig geimpft sein. 43 Prozent der Gesamtbevölkerung waren es laut RKI-Meldung am Dienstag.

SHOPPEN, ESSEN, IMPFEN

Nun geht zum Beispiel Berlin neue Wege und bietet ab dem Wochenende ein Drive-In-Impfen an: Auf einem Ikea-Parkplatz im Bezirk Lichtenberg soll sich jeder spontan ohne Termin impfen lassen können. Neben einer Spur für Autofahrer ist auch eine «Walk-in»-Spur für Fußgänger geplant.

Auch Bayern setzt auf Drive-ins. Die Impfzentren sollen künftig solche Schalter anbieten können, kündigte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) am Dienstag an. Geplant ist auch «Impfen to go» ohne viel Papierkram: Impfstände in Schwimmbädern, bei Fast-Food-Ketten, Vereinen oder «am oder im Wirtshaus». Impfzentren sollen außerdem «Familiensonntage» für Eltern und Kinder ab zwölf Jahren anbieten können, «vielleicht mit einem kleinen Eis hinterher für die Jüngeren», sagte Söder.

KEINE IMPFPFLICHT IN DEUTSCHLAND 

In Frankreich gehen die Impfanmeldungen durch die Decke, seit die Regierung angekündigt hat, dass Beschäftigte im Gesundheitswesen sich impfen lassen müssen oder ansonsten nicht mehr bezahlt werden. Auch die Regeln für den Zugang zu Kinos und Theatern (Impfung oder Test) werden im Nachbarland verschärft, was bei den Impfungen für einen neuen Schub sorgen könnte. In Griechenland sollen nur noch Geimpfte in Clubs und Restaurants dürfen und auch dort kommt die Impfpflicht für Beschäftigte im Gesundheitswesen und der Pflege.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) stellte für Deutschland klar: «Die Zusage der Bundesregierung gilt: Eine Impfpflicht wird es nicht geben. Das gilt auch für einzelne Berufsgruppen», sagte Lambrecht der «Bild»-Zeitung (Dienstag). Baden-Württembergs Gesundheitsminister Manne Lucha (Grüne) zeigte sich hingegen offen für einen solchen Schritt. «Eine berufsspezifische Impfpflicht kann diskutiert werden», sagte er am Dienstag in Stuttgart. So sei die Impfquote von Assistenzkräften und Angelernten in stationären Pflegeeinrichtungen derzeit relativ gering.

Der Humangenetiker Wolfram Henn vom Deutschen Ethikrat hatte außerdem eine Impfpflicht für Beschäftigte in Schulen und Kitas ins Spiel gebracht und mit ihrer «besonderen berufsbezogenen Verantwortung» argumentiert, da Kinder noch nicht geimpft würden und Infektionen in ihre Familien tragen könnten. Aus Sicht des Deutschen Lehrerverbands wäre das unnötig. Die Impfbereitschaft bei Lehrkräften sei sehr hoch, sagte Verbandspräsident Heinz-Peter Meidinger der «Augsburger Allgemeinen».

WERBUNG STATT PFLICHT - MIT MASERN NICHT VERGLEICHBAR

Es bleibt zunächst bei der Debatte. Eine Impfpflicht ist in Deutschland nicht geplant, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am Dienstag bekräftigte. Sie und Gesundheitsminister Spahn setzen auf «Werbung» und «Überzeugung». «Je mehr geimpft sind, umso freier werden wir wieder sein, umso freier können wir wieder leben», sagte Merkel und appellierte auch daran, in Familien, bei Freunden oder in Vereinen dafür zu werben, sich impfen zu lassen.

Gegen eine Corona-Impfpflicht spricht sich auch die Vorsitzende des Deutschen Ethikrats, Alena Buyx, aus. Das Thema ist ihrer Ansicht nach nicht vergleichbar mit der Masernimpfpflicht. Diese war 2020 in Kraft getreten und sieht vor, dass Kinder für den Besuch von Kita oder Schule eine Impfung vorweisen müssen. Auch Beschäftigte in den Einrichtungen müssen geimpft sein. Buyx sagte bei «Welt», bei Masern sei die Durchimpfungsrate, die man brauche, für eine sogenannte Herdenimmunität, deutlich höher, weil diese deutlich ansteckender seien. Außerdem sei der Masernimpfpflicht eine sehr lange öffentliche Debatte vorangegangen.

Dass es irgendwann zu einer schon oft diskutierten «indirekten Corona-Impfpflicht» kommt, ist aber nicht ausgeschlossen. Die kostenlosen Bürgertests, die wie ein Impfnachweis den Zugang zu Veranstaltungen oder anderen Angeboten ermöglichen, könnten auf lange Sicht für Ungeimpfte kostenpflichtig werden.

Das Testen koste den Staat enorme Summen, sagte Söder. Wenn alle ein Impfangebot bekommen hätten, werde man darüber nachdenken müssen, ob die Tests komplett kostenlos bleiben könnten. Auch die Bundesregierung schließt das nicht aus. Kanzlerin Merkel schränkte aber ein, dass bei Maßnahmen, «die so eine indirekte Impfpflicht sind», gut überlegt werden müsse, weil zum Beispiel Kinder noch nicht geimpft werden könnten und weil es für manche Menschen Gründe gebe, sich nicht impfen zu lassen.

Ruf nach mehr Werbung für Corona-Impfkampagne wird lauter

Immer mehr Politiker und Verbände machen sich für eine offensivere und sichtbarere Werbekampagne für Corona-Impfungen stark, um schnell auch Unentschlossene zu überzeugen. «Die Impfkampagne sollte unter anderem auch mit TV-Spots beworben werden», sagte der Chef der Linksfraktion im Bundestag, Dietmar Bartsch, der «Neuen Osnabrücker Zeitung» (Mittwoch). Die SPD-Bundestagsabgeordnete Bärbel Bas kritisierte, dass etwa die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung bislang «kaum sichtbar» sei.

«Die bestehenden Angebote reichen offenbar nicht aus, um ausreichend Impfwillige zu erreichen», sagte die Vize-Fraktionschefin der Sozialdemokraten dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND/Mittwoch). «Hier ist der Bundesgesundheitsminister (Jens Spahn, CDU) gefragt. Wir müssen die Informationskampagne deutlich ausbauen. Wir brauchen mehr Werbung und Aufklärung», forderte die Gesundheitsexpertin.

«Wir müssen auf allen Kanälen versuchen, Menschen anzusprechen, die sich beim Impfen bisher zurückhalten», sagte der Präsident des Deutschen Städtetages, Burkhard Jung, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Mittwoch). Es müsse einfacher werden, sich auch außerhalb von Impfzentren und Arztpraxen impfen zu lassen. Impfmüdigkeit dürfe sich nicht durchsetzen, die Zahl der Impfungen müsse wieder steigen.

Am Dienstag hatte sich bereits der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, für eine intensivere Werbung für Corona-Impfungen auch im Fernsehen ausgesprochen. «Ich vermisse den TV-Spot zum Impfen vor der Tagesschau. Und dann müssen wir direkt vor Ort informieren, und zwar genau da, wo die Impfbereitschaft bisher gering ist. Wir müssen auf die Menschen zugehen», hatte Reinhardt der «Rheinischen Post» gesagt.

In Deutschland waren mit Stand Dienstag (10.05 Uhr) 43 Prozent der Gesamtbevölkerung vollständig gegen das Coronavirus geimpft. 48,8 Millionen Menschen (58,7 Prozent) hatten bis dahin nach Angaben des Robert Koch-Instituts mindestens eine Impfdosis verabreicht bekommen. Am Dienstag warben Bundeskanzlerin Angela Merkel und Spahn mit einem Appell für die Möglichkeit der Schutzimpfung. «Eine Impfung schützt nicht nur Sie, sondern auch immer jemandem, dem Sie nahe stehen, der Ihnen wichtig ist, den Sie lieben», sagte Merkel.

«Es ist wichtig, dass wir die Impfkampagne beschleunigen, die Politik muss mehr Werbung dafür machen», sagte Dehoga-Geschäftsführerin Ingrid Hartges der «Augsburger Allgemeinen» (Mittwoch). Es müsse stärker deutlich gemacht werden, dass Geimpfte «bald wieder über ihre Freiheitsrechte voll verfügen können.» Es sei wichtig, in der jetzigen Situation Anreize für die Corona-Impfung zu setzen. «Um es klar zu sagen: Unsere Branche wird eine weitere Schließung nicht akzeptieren», betonte Hartges. Die Politik müsse dafür Sorge tragen, dass es keinen weiteren Lockdown gebe.

Von einem solchen Szenario geht der SPD-Gesundheitspolitiker Karl Lauterbach derzeit nicht aus. «Die Fallzahlen steigen zwar wieder, aber das war zu erwarten mit den Lockerungen, die gerade beschlossen wurden. Sie werden auch noch weiter nach oben gehen. Wenn wir aber jetzt nicht drastisch öffnen und uns an die wichtigste Regel im Pandemie-Sommer halten, nämlich draußen geht viel, drinnen muss man vorsichtig bleiben, dann kommen wir gut durch», sagte er der «Passauer Neuen Presse» (Mittwoch). Der Weg in England, wo für den 19. Juli das Ende aller Corona-Maßnahmen angekündigt wurde, erzeuge derweil «nur eine Welle von chronisch kranken Long-Covid-Kranken.»

In vielen Sprachen und mit Promis: NRW startet neue Impf-Kampagne

Mit einer zielgerichteten Kampagne will die nordrhein-westfälische Landesregierung bei Personengruppen und in bestimmten Regionen für das Impfen werben. Neben einer mehrsprachigen Anzeigenkampagne kommen Promis in den Sozialen Medien zu Wort. Darunter der Rapper «Eko Fresh» und Fußballtrainer Otto Addo.

Unter der Adresse www.impfen.nrw werde es Fragen und Antworten in 18 Sprachen geben, hieß es aus der Staatskanzlei. Ebenfalls mehrsprachig sollen Plakate in 15 Kreisen und kreisfreien Städten werben, wo Menschen besonders in die Impfzentren gelockt werden sollen - darunter Bielefeld, Dortmund, Duisburg, Hamm, Köln oder Krefeld.

Über Social Media werben bekannte Gesichter, die vor allem junge Leute und solche mit Migrationshintergrund ansprechen sollen. Neben Rapper «Eko Fresh» und Trainer Addo auch Fußballerin Tugba Tekkal oder Schauspieler Kais Setti («Dogs of Berlin»). Sein Satz: «Ohne Infos entstehen Gerüchte. Informiere Dich! Dann fällt Dir keine Entscheidung schwer.»

Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) sagte zu der Kampagne: «Im Kampf gegen die Corona-Pandemie sind Impfungen der beste Schutz.» Mit den Angeboten «in vielen Sprachen, die in unserem Land Tag für Tag gesprochen werden, tragen wir dafür Sorge, dass alle Menschen in Nordrhein-Westfalen sich informieren können», so Laschet. Das Ziel sei eine möglichst hohe Impfquote: «Auf dem Weg dorthin müssen alle Barrieren überwunden werden», sagte der Ministerpräsident.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.

Der Bund der Steuerzahler Mecklenburg-Vorpommern hat die Ausweitung der Steuer von Privat- auf Geschäftsreisende in Schwerin als Abzocke kritisiert. Die Bettensteuer – wie auch die Tourismusabgaben – würden Verbraucher und Betriebe durch höhere Preise und Bürokratie belasten.

Die Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse von Geflüchteten aus der Ukraine gelten bis zum 4. März 2025. Darüber informierte das Bundesinnenministerium den DEHOGA Bundesverband und andere Wirtschaftsverbände.