Koalition bespricht neue Krisenhilfen

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So viel wie in den vergangenen Wochen haben die Spitzen der großen Koalition wohl selten miteinander gesprochen. Trotzdem sei es einfach etwas anderes, sich im Koalitionsausschuss persönlich gegenüberzustehen, hieß es vor dem Treffen an diesem Mittwoch in Teilnehmerkreisen. Es wird wohl vor allem um die Auswirkungen der Corona-Pandemie gehen, wenn sich CDU, CSU und SPD in Berlin mit Kanzlerin Angela Merkel zusammensetzen. Die Erwartung: Schnelle Einigungen - da über die meisten Punkte ja ohnehin gerade ständig gesprochen wird. Um folgende Themen soll es dem Vernehmen nach gehen:

ANHEBUNG DES KURZARBEITERGELDS

Wegen der schweren wirtschaftlichen Folgen der Corona-Krise sind Hunderttausende Beschäftigte in Kurzarbeit. Die Bundesagentur für Arbeit ersetzt einen Teil des weggefallenen Nettoeinkommens: Bei kinderlosen Beschäftigten 60 Prozent und bei Beschäftigten mit Kindern 67 Prozent. Zwar sehen manche Tarifverträge wie in der Metall- und Elektroindustrie vor, dass das Kurzarbeitergeld auf fast 100 Prozent des Nettolohns aufgestockt wird. In vielen Branchen gilt das aber nicht. Deswegen fordert der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB), das Kurzarbeitergeld gesetzlich zu erhöhen, und zwar befristet auf 80 und 87 Prozent. Ansonsten könnten viele Menschen mit teils drastischen Einkommenseinbußen ihre Mieten nicht mehr zahlen - oder Ratenkredite fürs Auto oder das Eigenheim.

Die SPD hat sich hinter die Forderungen des DGB gestellt, in der Union überwiegt die Skepsis. Wenn die Union den Sozialdemokraten bei diesem Thema in dieser Woche entgegenkomme, werde Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) kommende Woche mit der nächsten Forderung kommen, warnte Unionsfrakationschef Ralph Brinkhaus am Dienstag nach Teilnehmerangaben in einer Videoschalte. Die Arbeitgeber sind gegen eine pauschale Erhöhung des Kurzarbeitergelds. «Die Bürger und Unternehmen als Steuer- und Beitragszahler werden Leistungsausweitungen mit der Gießkanne nicht dauerhaft finanzieren können», so die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände.

STEUERHILFEN FÜR DIE GASTRONOMIE

Restaurants, Bars und Cafés bricht gerade ein Großteil der Einnahmen weg - sie können aber vor allem Unterstützung gebrauchen, wenn das öffentliche Leben wieder losgeht. Aus der CSU kommt deshalb die Forderung, vorübergehend die Mehrwertsteuer für die Gastronomie zu senken und damit quasi «Starthilfe» zu geben. Auch der Gaststättenverband Dehoga hat das bereits vorgeschlagen.

Derzeit gilt für Speisen, die in einem Restaurant, einem Café oder einer Bar verzehrt werden, ein Mehrwertsteuersatz von 19 Prozent. Für Gerichte, die der Gast mitnimmt oder nach Hause bestellt, fallen in der Regel nur 7 Prozent an. Die Idee jetzt: Generell auf 7 Prozent reduzieren. Die SPD zeigt sich gesprächsbereit, ist aber auch skeptisch. Denn von Steuererleichterungen würden auch große Restaurantketten profitieren, die das vielleicht nicht nötig hätten, gibt die Parteispitze zu Bedenken.

Auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hat sich zuletzt nur vorsichtig zu dem Thema geäußert. Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte der «Passauer Neuen Presse» (Mittwoch): «Die Mehrwertsteuersenkung ist eine gute Option. Es gibt aber auch andere Möglichkeiten.»

SCHUTZSCHIRM FÜR KOMMUNEN

Städten und Gemeinden müssen sich auf Milliardenverluste einstellen, weil Einnahmen aus der Gewerbe- und der Einkommensteuer einbrechen. So nahmen die Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen in diesem März 70 Prozent weniger Gewerbesteuern ein als im März 2019. Dazu kommen weniger Einnahmen aus Kitabeiträgen, Bibliotheken, Schwimmbädern und Theatern - sowie mehr Kosten etwa für Empfänger der Grundsicherung. Die Kommunalverbände haben deswegen einen Rettungsschirm gefordert, auch die SPD hat sich dafür offen gezeigt. Ein Vorschlag, der im Raum steht: Die vierteljährlichen Gewerbesteuer-Abschlagszahlungen an den Bund könnten vorübergehend ausgesetzt werden. Außerdem könnte die Koalition erneut über Altschuldenhilfen sprechen, damit finanzschwache Kommunen weniger Zins- und Tilgungsverpflichtungen haben.

BAFÖG-HILFEN FÜR STUDENTEN

Die SPD macht Druck, das BAföG vorübergehend für Studenten zu öffnen, die eigentlich keinen Anspruch darauf haben, wegen der Corona-Krise aber ihren Nebenjob verloren haben. Auch bei der Förderungshöchstdauer werden Lockerungen gefordert. Bildungsministerin Anja Karliczek (CDU) dagegen will lediglich zinslose Kredite gewähren.

MÖGLICHE NACHBESSERUNGEN BEI WIRTSCHAFTSHILFEN:

Die Politik hat bereits milliardenschwere Hilfsprogramme für die Wirtschaft beschlossen, um Jobs und Firmen zu erhalten. Dafür wurde die Notfallregel in der Schuldenbremse gezogen, Finanzminister Olaf Scholz (SPD) muss neue Schulden in Höhe von mehr als 150 Milliarden Euro machen. Die große Frage aber ist: Reichen die Maßnahmen? Viele Geschäfte sind nach wie vor dicht. Neben Gaststätten und der Tourismus- und Reisewirtschaft trifft die Krise auch viele Mittelständler.

Deswegen werden die Rufe nach weiteren Hilfen immer lauter. So fordert der CDU-Wirtschaftsflügel, die sogenannte Vorfälligkeit der Sozialversicherungsbeiträge abzuschaffen - Sozialbeiträge sollten erst im Folgemonat und nicht schon vorab abgeführt werden müssen, damit Unternehmen zahlungsfähig bleiben. Außerdem sollten Unternehmen Sozialbeiträge nicht bis Ende Mai, sondern bis Jahresende stunden dürfen, sonst kämen Hunderttausende Unternehmen in massive Finanznöte, fürchtet die Mittelstands- und Wirtschaftsunion.

Spitzenverbände der Wirtschaft wollen steuerliche Entlastungen. Unternehmen könnten durch das Vorziehen von Steuererstattungen erheblich entlastet werden, so der Deutsche Industrie- und Handelskammertag. Konkret geht es um Änderungen beim sogenannten Verlustrücktrag - aktuelle krisenbedingte Verluste sollten schon im laufenden Jahr mit Gewinnen aus dem Vorjahr verrechnet werden können. Dadurch könnten schon kleine Betriebe vier- oder fünfstellige Beträge vom Finanzamt zurückbekommen, sagte DIHK-Präsident Eric Schweitzer. «Das Geld steht ihnen wegen der Umsatzeinbrüche ohnehin zu – leider aber erst mit Abgabe der Steuererklärung für das Jahr 2020 und damit faktisch frühestens im nächsten Jahr.»

(dpa)


 

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