Mit Test in Hotel und Lokal: Normalität auf Probe in Augustusburg

| Politik Politik

Osterurlaub im Hotel und Ostermenü im Lokal - in Augustusburg bei Chemnitz ist das seit vergangenen Donnerstag wieder möglich. Nach fünf Monaten Zwangsschließung sind Hotels und Gaststätten für Privatbesucher geöffnet. Es ist ein Modellversuch, der vergangenen Mittwoch begann. «Wir haben genau das richtige Maß an Besuch erreicht, werden nicht überrannt», sagte Bürgermeister Dirk Neubauer (SPD) am Sonntag. «Die Bereitschaft zum Testen ist sehr groß, die Leute gehen sehr achtsam miteinander um, alles ist friedlich.»

Gastwirt Uwe Schreier berichtete von großem Interesse. «Die Leute kommen von sonst woher, akzeptieren die Schutzmaßnahmen.» In seinen Freizeitpark «Rost's Wiesen» geht es nur mit einem negativen Schnelltest. Das Team sei trotz aller Unsicherheit froh, endlich wieder zu arbeiten. «Fünf Monate zu ist nicht nur finanziell ein Problem», sagt er und versichert. «Wir geben uns die größte Mühe, eine Infektion zu vermeiden.»

Nach Angaben von Bürgermeister Neubauer ist bis Mitte April kein Hotelzimmer mehr frei in der Stadt, die 4500 Einwohner hat und ein gleichnamiges Schloss aus dem 16. Jahrhundert. Viele hätten die Chance für einen Urlaub genutzt, auch wenn sie notfalls wieder abreisen müssten, wenn die Zahl der mit Corona-Patienten belegten Krankenhausbetten die kritische Grenze erreicht. «Es war die richtige Entscheidung», sagt er.

Bei dem von der Universität Mainz wissenschaftlich begleiteten Projekt dürfen nur nicht infektiöse Menschen in Augustusburg aufeinandertreffen. Für kostenlose Antigen-Tests wurde ein Zentrum aufgebaut, Termine können online gebucht werden. Ein negatives Ergebnis ist die Eintrittskarte zu Restaurants, Hotels und ab kommenden Dienstag auch ins Schloss. So sitzen in «Rost's Wiesen» die Gäste ohne Maske an Tischen, getrennt durch Plexiglasscheiben. «Es ist ein tolles Gefühl, nach so langer Zeit mal wieder essen zu gehen», sagt ein Mittvierziger aus Leipzig. «Ein Stück Normalität.»

«Wir sind für jeden Strohhalm dankbar» - Modellprojekt gestartet

Im Ausflugslokal «Rost's Wiesen» klappern wieder die Teller. Für Geschäftsführer Uwe Schreier, der in Augustusburg auch ein Café betreibt, ist das Musik in den Ohren. «Es tut gut zu sehen, dass hier wieder Leben herrscht», sagte er am Freitag. Das Telefon habe sich «heiß geklingelt», weil Anrufer - vor allem aus dem Umland, aber auch aus Dresden und Plauen - sich am Osterwochenende einen Tisch sichern wollten. Nach fünf Monaten Lockdown haben seit 1. April wieder Restaurants und Hotels in der 4500 Einwohner zählenden Stadt im Landkreis Mittelsachsen für private Gäste geöffnet - als erste in Sachsen. Schreier: «Wir sind für jeden Strohhalm dankbar.»

Möglich macht das ein Modellprojekt, an dem schon länger in Augustusburg gearbeitet wird. Doch erst am Mittwoch - einen Tag vor dem Start - gab das zuständige Landratsamt grünes Licht. «Das ist für Sachsen ein großes Hoffnungsprojekt», schwärmte Wirtschaftsminister Martin Dulig (SPD) zum Auftakt. Auf diese Weise solle gezeigt werden, wie trotz des Virus Öffnungen im Zusammenspiel mit Tests und der Kontaktnachverfolgung möglich seien. Dulig sprach sich für eine kleine Zahl weiterer solcher Projekte aus und bedauerte, dass nicht auch in Oberwiesenthal das Gastgewerbe zu Ostern öffnen kann. Das Landratsamt des Erzgebirgskreises hatte das Projekt am Fichtelberg jüngst gestoppt.

Zuletzt lag die Wocheninzidenz in Augustusburg nach Angaben von Bürgermeister Dirk Neubauer (SPD) rein rechnerisch über der Marke von 300 Neuinfektionen pro 100 000 Einwohnern innerhalb einer Woche. Konkret seien das 14 neue Fälle innerhalb von 7 Tagen. In Sachsen insgesamt lag die Inzidenz am Donnerstag und Freitag um den Wert von 190.

Das Verfahren in Augustusburg funktioniert so: Die Gäste melden sich an und erhalten einen QR-Code, mit dem sie an dem System teilnehmen. Vor Ort absolvieren sie zu ihrem vorher gebuchten Termin einen kostenlosen Antigen-Test. Ist der negativ, wird der QR-Code ihre Eintrittskarte für Hotels und Gaststätten. Er wird jeweils beim Kommen und Gehen zur digitalen Kontaktnachverfolgung gescannt. Die Gäste müssen sich in den Lokalen weiterhin an die Hygiene-Regeln und Kontaktbeschränkungen halten. So dürfen in den Restaurants maximal fünf Personen aus zwei Hausständen an einem Tisch sitzen; Kinder werden dabei nicht mitgezählt - für sie ist auch der Test freiwillig.

Das Personal wird ebenfalls täglich getestet. Das Prinzip ist, dass nur negativ getestete und damit nicht infektiöse Menschen aufeinandertreffen. Zudem wird das Projekt von der Universität Mainz wissenschaftlich begleitet. Mit der Öffnung der Gastronomie - ab Dienstag soll auch der Besuch des markanten Renaissanceschlosses in der Stadt einbezogen werden - hofft Bürgermeister Neubauer auch auf einen Anreiz für die Menschen, sich testen zu lassen. Auf diese Weise könne die Dunkelziffer an Corona-Infektionen besser ausgeleuchtet werden, betonte er.

Mit dem Start zeigte sich Neubauer zufrieden. «Wir werden nicht überrannt, aber es gibt viele Reservierungen.» So sei der Zustrom an Besuchern gut zu handhaben. Wie lange Hotels und Gaststätten in Augustusburg offen bleiben, ist jedoch ungewiss. Sollte die Zahl von 1300 Covid-19-Patienten auf Normalstationen in sächsischen Kliniken erreicht werden, wird das Projekt gestoppt. Das könnte nach Einschätzung von Experten schon nach Ostern so weit sein.

Nach Ansicht des Hotel- und Gaststättenverbandes in Sachsen sind solche Projekte längst überfällig. «Die Unternehmen sind am Ende», konstatierte Hauptgeschäftsführer Axel Klein. Seinen Angaben nach gibt es hierzulande rund 9500 Betriebe im Gastgewerbe mit 52 000 dauerhaft Beschäftigten. «Wir gehen davon aus, dass - wenn Getestete auf Getestete treffen - das Risiko überschaubar ist.»

Gastwirt Schreier jedenfalls ist froh, dass der Lockdown für ihn und seine Mitarbeiter vorerst vorbei ist. Die Zeit sei psychisch sehr belastend gewesen, bekannte er. Und doch ärgert er sich, dass er die Sommerrodelbahn an seinem Lokal noch geschlossen halten muss. «Das verfälscht doch den Test, wenn ich die nicht mit aufmachen darf.» Wirtschaftsminister Dulig baut derweil auf einen Erfolg solcher Projekte. Ziel sei, dass die Menschen wieder Urlaub machen, in Gaststätten gehen und Theateraufführungen besuchen könnten, erklärte er: «Und bitte noch in diesem Sommer.»

Bei der Frage nach ihrem letzten Restaurantbesuch müssen Waltraud und Gerd Stengel erst einmal nachdenken. Das Ehepaar aus Flöha war gleich am Donnerstag ins Augustusburger Testzentrum gekommen. «Wir bekommen Besuch und wollen mal wieder in die Gaststätte gehen», erzählte die 79-Jährige. «Ich freue mich sehr darauf.


 

Zurück

Vielleicht auch interessant

Leerstände, Insolvenzen, Konsumflaute: Angesichts der schwierigen Situation bei Einzelhändlern und in vielen Innenstädten fordert der Handelsverband Deutschland (HDE) die Bundesregierung zu einem Innenstadtgipfel auf.

Bayerns DEHOGA-Präsidentin Angela Inselkammer hat von Ministerpräsident Markus Söder 200 Millionen Euro Investitionshilfe gefordert. Der Freistaat nehme durch die Mehrwertsteuererhöhung 300 Millionen Euro mehr ein. Zumindest ein Teil davon könne er sofort der Branche zurückgeben, forderte Inselkammer bei einem Verbandstreffen in München.

Das Spitzengremium des DEHOGA bekräftigt Forderung nach einheitlich sieben Prozent Mehrwertsteuer auf Essen und drängt auf den sofortigen Stopp drohender neuer bürokratischer Belastungen. Es gehe um Fairness im Wettbewerb und die Zukunftssicherung der öffentlichen Wohnzimmer.

Gastronomie und Hotellerie in Deutschland haben weiterhin mit großen Problemen zu kämpfen. Die Betriebe beklagen Umsatzverluste, Kostensteigerungen sowie die Folgen der Mehrwertsteuererhöhung. Das geht aus einer aktuellen Umfrage des DEHOGA Bundesverbandes hervor, an der sich 3.175 gastgewerbliche Unternehmer beteiligten.

Die Teil-Legalisierung von Cannabis konnte Bayern nicht verhindern. Dafür arbeitet die Staatsregierung nun an Kiff-Verboten für konkrete Bereiche. Darunter könnten Volksfeste, Biergärten und in Außenbereichen von Gaststätten gehören. Verstöße gegen das Cannabis-Gesetz werden teuer.

Der Slogan «Leistung muss sich wieder lohnen» ist schon etwas angestaubt. Die FDP poliert ihn jetzt auf. Und schlägt unter anderem steuerliche Anreize für bestimmte Leistungsträger vor.

Finanzminister Christian Lindner will Hobbybrauer, die Bier zum eigenen Verbrauch herstellen, bei der Steuer entlasten. Künftig sollen sie pro Jahr 500 Liter Bier steuerfrei brauen dürfen.

Mit dem Projekt COMEX der Bundesagentur für Arbeit/ZAV werden seit 2022 Köchinnen und Köche aus Mexiko in Hotels und Restaurants in Deutschland vermittelt. Der DEHOGA begleitet das Projekt von Anfang an.

Die Bundesagentur für Arbeit hat den DEHOGA Bundesverband informiert, dass für die Arbeitsmarktzulassung (AMZ) von Arbeitnehmern aus Drittstaaten zusätzliche Teams und neue Standorte eingerichtet und die Zuständigkeiten neu verteilt wurden. Grund dafür ist die erwartete Zunahme der Erwerbszuwanderung.

Es fehlen Fachkräfte - in zunehmender Zahl. Künftig sollen vermehrt Menschen aus dem Ausland diese Lücken schließen. Nun geht das Land neue Wege, diese Kräfte schneller in den Arbeitsmarkt zu bringen.