Staatliches Label für alle Produkte? Kritik von Gastronomie und Handel

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In einem öffentlichen Fachgespräch des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft am Montag ist die vom Bürgerrat empfohlene Einführung eines staatlichen, verpflichtenden Labels für alle Produkte (20/10300) auf ein unterschiedliches Echo gestoßen. Mehrere Experten sprachen sich in dem vom Vorsitzenden Hermann Färber (CDU) geleiteten Fachgespräch für ein solches Label aus. Von Gastronomie und Handel gab es erhebliche Bedenken.

Der Bürgerrat hatte in seiner Empfehlung 2 ein staatliches, verpflichtendes Label für alle in Deutschland und der Europäischen Union verkauften Produkte empfohlen. Das Label solle die Bereiche Klima, Tierwohl und Gesundheit einzeln berücksichtigen und wissenschaftlich fundiert sein.

Professorin Antje Risius (Georg-August-Universität Göttingen), Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bürgerrats, erläuterte, der Bürgerrat wolle einen neuen Standard setzen, der auch Vertrauen habe. Sie appellierte: „Wir sitzen alle in einem Boot.“

Professor Carsten Leo Demming (Duale Hochschule Baden-Württemberg, Heilbronn) sagte, die Empfehlungen des Bürgerrats seien sinnvoll. Ein solches Label müsse auf den ersten Blick schnell und einfach Informationen liefern. Verbraucher würden nur zwischen zwei und acht Sekunden auf die Verpackung blicken. Daher müsse ein Label einheitlich sein, zum Beispiel in Form eines fünfstufigen Ampelsystems. Dass Verbraucher derzeit verunsichert seien, liege an der Vielzahl der Labels. Es gebe einen „Label-Dschungel“.
 

Lena Hennes (Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie) erklärte, ein verpflichtendes staatliches Label entspreche klar dem Wunsch der Verbraucher. Es könne einfache und verlässliche Informationen bieten. Die vom Bürgerrat empfohlenen Dimensionen Tierwohl und Gesundheit seien einfach umzusetzen. Bei der Dimension Klima könnten wegen der schwankenden Emissionen bei Lebensmitteln Durchschnittswerte verwendet werden.

Die Lebensmittelproduktion trage zu einem Viertel aller Treibhausgasemissionen bei, erläuterte Professorin Carolyn Hutter (Duale Hochschule Baden-Württemberg, Heilbronn). Intensive Landwirtschaft und Überfischung seien Haupttreiber des Biodiversitätsverlustes. Das Label sei nicht nur gut für die Umwelt, sondern auch für die Wirtschaft, die animiert werde, ihre Produkte nachhaltiger zu machen und Wettbewerbsvorteile zu generieren.

Christiane Seidel (Verbraucherzentrale Bundesverband), kritisierte den heutigen „Label-Dschungel“. Für Verbraucher sei es schwer nachzuvollziehen, ob es sich um reines Marketing handele oder ambitionierte Label. Durch Greenwashing würden Verbraucher immer wieder getäuscht. Die Forderung nach einem staatlichen Label werde unterstützt.

Kritik vom DEHOGA

Kritik an der Empfehlung des Bürgerrats äußerte Ingrid Hartges (Deutscher Hotel- und Gaststättenverband). Die Branche leide bereits heute unter starker bürokratischer Belastung. Die Auswahl der Tierwohlkennzeichnung lehne man ab. Man könne freiwillige Lösungen nehmen. Die Politik erkläre, Bürokratie abbauen zu wollen. Hier geschehe das Gegenteil. Außerdem gehe es der Branche nicht gut: „Viele Betriebe geben auf.“

Christian Mieles (Bundesverband des Deutschen Lebensmittelhandels) sagte, der Handel setze sich seit langem für nachhaltige Systeme ein. Mit Blick auf die Empfehlungen des Bürgerrats rate man jedoch zu einer differenzierteren Betrachtung. Aus Sicht des Handels erscheine es nahezu unmöglich, Aspekte wie Klima, Tierwohl und Gesundheit in einer Kennzeichnung zusammenzuführen.

Der Vorschlag des Bürgerrates ziele darauf ab, drei komplexe und sehr unterschiedliche Kriterien in einem Label zu integrieren, kritisierte Manon Struck-Pacyna (Lebensmittelverband Deutschland). „Wir halten dies für eine Überforderung sowohl der Verbraucherinnen und Verbraucher beim Verständnis als auch der Wissenschaft und Wirtschaft bei der Erarbeitung und Umsetzung“, sagte Struck-Pacyna, die außerdem vor neuen bürokratischen Hürden warnte.

Karen Bömelburg (Bürgerrat) erläuterte, man sei fassungslos gewesen, wie viele Labels es gebe. Eine Informationskampagne sei zwingend erforderlich, damit der Verbraucher wisse, wie er mit dem neuen Label umgehen müsse. Joachim Joppe (Bürgerrat) entgegnete auf die Kritik aus der Gastronomie, das Label sollte nur für Lebensmittel gelten, die man kaufe. Das Hotel- und Gaststättengewerbe habe mit dem Label nichts zu tun.

Professor Moritz Hagenmeyer, Mitglied des wissenschaftlichen Beirats des Bürgerrates, nannte das Vorhaben eines nationalen staatlichen Labels nicht umsetzbar. „Wir sind hier so ein bisschen wie in dem Märchen 'Des Kaisers neue Kleider'“, sagte Hagenmeyer. Aus europarechtlicher Sicht gebe es keine Möglichkeit, ein solches Label zu beschließen.


 

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